Strom

  • "Vor allem bedachte er seine hochheilige Mutter mit einem Gnadenvorzug, wie er der Liebe eines allweisen, allmächtigen und allgütigen Sohnes entsprach, der sich eine Mutter nach seinem Wohlgefallen bereiten wollte. Daher wollte er, daß seine Erlösung ihr zugewendet würde gleich einem vorbeugenden Heilmittel, damit der Strom der Sünde, der seine Wogen von Geschlecht zu Geschlecht fortwälzte, sie nicht erreichte. So wurde sie in ganz erhabener Weise erlöst. Als die reißenden Wasser der Erbsünde ihre unseligen Fluten über die Empfängnis Unserer Lieben Frau mit der gleichen Wildheit wie über alle Töchter Adams zu ergießen drohten, konnten sie doch nicht weiter; sie mußten still stehen wie ehedem der Jordan zur Zeit Josuas (Jos 3,16.17) und aus dem gleichen Grund."
    (DASal 3,113)

  • "In dem Maß, als unser Herz sich weitet, oder richtiger gesagt, in dem Maß, als es sich auf-schließen und weiten läßt, in dem Maß, als es die „Leere“ seiner Einwilligung der göttlichen Barmherzigkeit nicht verweigert, wird diese nicht aufhören, in unser Herz ihre heiligen Gnadenanregungen zu ergießen, die fortwährend zunehmen und uns stets an heiliger Liebe zunehmen lassen. Gibt es aber keine „Leere“ mehr in uns, geben wir nicht mehr unsere Einwilligung, so hält der göttliche Gnadenstrom inne."
    (DASal 3,127)

  • "Auf gleiche Weise verfährt die göttliche Barmherzigkeit. Sie bekehrt und begnadet die Seelen gewöhnlich in so milder, zarter und sanfter Weise, daß man ihr Wirken kaum wahrnimmt. Zuweilen aber tritt auch diese göttliche Güte aus ihren Schranken. Wie ein angeschwollener Fluß die Ebene überschwemmt, so ergießt sich aus ihr ein so ungestümer, wenn auch liebreicher Strom von Gnaden, daß sie in einem Augenblick eine Seele mit Segnungen ganz durchtränkt und überschüttet, um so den Reichtum ihrer Liebe zu offenbaren. Wie also die göttliche Gerechtigkeit in der Regel auf dem gewöhnlichen, zuweilen aber auch auf einem außer-gewöhnlichen Weg vorgeht, so äußert die göttliche Barmherzigkeit ihre Freigebigkeit den meisten Menschen gegenüber auf gewöhnliche Weise; sie wendet aber auch bei einigen außergewöhnliche Mittel an."
    (DASal 3,129)

  • "Nicht stehlen, nicht lügen, keine Unkeuschheit treiben, zu Gott beten,nicht sinnlos schwören, seinen Vater lieben und ehren, nicht töten, – das heißt entsprechend der natürlichen Vernunft leben. Aber all sein Hab und Gut aufgeben, die Armut lieben, sie die ganz holde Herrin nennen und sich ihr gegenüber auch so verhalten, Schmach und Schimpf, Verachtung, Verfolgung und Martyrium als Seligkeit und Glück ansehen, vollkommene Keuschheit bewahren, – und schließlich inmitten der Welt und in diesem sterblichen Dasein ein Leben ständigen Verzichtes, ständiger Entsagung und Selbstverleugnung führen, gegen alle Meinungen und Behauptungen der Welt und gegen den Strom schwimmen, – das heißt nicht mehr menschlich, sondern übermenschlich leben, das ist nicht in uns leben, sondern außer uns und über uns. Da aber niemand so über sich selbst hinausgehen kann, wenn ihn nicht der ewige Vater zieht (Joh 6,44), so muß diese Art zu leben eine ständige Entrückung, eine fortwährende Ekstase der Tat und des Wirkens sein."
    (DASal 4,50-51)

  • "Vom Ort der Wonne her kam zur Bewässerung des Gartens ein Strom, der sich beim Heraustreten aus ihm in vier Arme verzweigte“ (Gen 2,10). Der Mensch befindet sich an einem Ort der Wonne, wo Gott den Strom der Vernunft und der natürlichen Erkenntnis entspringen läßt, um das ganze Paradies unserer Herzen zu bewässern. Dieser Strom teilt sich in vier Arme, d. h. er fließt nach vier verschiedenen Richtungen, in die vier verschiedenen Seelenbezirke. 1) Das natürliche Licht ergießt Klugheit über das sogenannte praktische Erkennungsvermögen, durch welches wir unterscheiden, welche Handlungen wir tun und welche wir lassen sollen. Durch die Klugheit wird unser Geist geneigt, weise über das Böse zu urteilen, das wir meiden und verjagen, und über das Gute, das wir tun und eifrig verfolgen sollen. 2) Über unseren Willen läßt es die Gerechtigkeit strömen, die nichts anderes ist als der andauernde und feste Entschluß, jedem das zu geben, was ihm gebührt. 3) Über die Begierlichkeit ergießt es die Mäßigkeit, die alle Leidenschaften mäßigt, die sich darin befinden, und 4)die Fluten des Starkmutes über die Reiz-barkeit oder den Zorn, der alle Regungen des Zornes zügelt und lenkt. Diese vier voneinander getrennten Ströme teilen sich nachher in mehrere andere, damit alle menschlichen Handlungen in geeigneter Weise auf die natürliche Rechtschaffenheit und Glückseligkeit hingelenkt werden können."
    (DASal, 4,246)

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