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DEZEMBER

„Schauen Sie auf den Weg vor sich …“

Zwei meiner Mitbrüder waren erst kürzlich unachtsam und stürzten. Der eine kam mit Bluterguss und blauen Flecken davon, der andere musste ins Krankenhaus. Beide humpelten mehr oder weniger lange herum, brauchten Streckverbände, Schienen und Gehhilfen. In ihrem Arbeits- und Lebensrhythmus waren sie eingeschränkt. Durch sie erkannte ich wieder einmal, dass Achtsamkeit im Gehen, kleine Schritte statt große Sprünge im Leben viel Unangenehmes ersparen können. Das gilt nicht nur für das ganz normale Alltagsleben, das gilt natürlich ebenso für mein geistliches Leben.

Weg der Frömmigkeit

Die Empfehlungen des heiligen Franz von Sales für den Weg der Frömmigkeit gehören neben seinen Beschreibungen über die Liebe zu den schönsten Aussagen seines Gesamtwerkes.
„Mach es wie die kleinen Kinder“, schreibt er in seinem Buch „Philothea – Anleitung zum frommen Leben“. „Mit der einen Hand halten sie sich am Vater fest, mit der anderen pflücken sie Erdbeeren und Brombeeren am Wegrain“ (DASal 1,35). Genauso sollen wir durchs Leben gehen: immer achtsam darauf bedacht, die Hand Gottes festzuhalten. „Hüte dich vor allem, seine Hand loszulassen und dich seiner Obhut zu entziehen, in der Meinung, du könntest dann mehr zusammenraffen. Hält er dich nicht mehr, dann wirst du keinen Schritt tun, ohne hinzufallen“ (ebd.).

Aufstehen nach dem Sturz

Natürlich kommt es vor, dass wir unachtsam sind, zu große Schritte machen wollen und dann hinfallen. Auch in dieser Situation hat der heilige Franz von Sales einen sehr schönen Rat: „Mein armes Herz, jetzt bist du wieder in die Grube gefallen, die wir zu meiden so entschlossen waren. Lass uns wieder aufstehen …! Rufen wir die Barmherzigkeit Gottes an, vertrauen wir auf sie; sie wird uns helfen, in Zukunft tapferer zu sein … Mut! Seien wir von jetzt an recht auf der Hut; mit Gottes Hilfe wird es gehen“ (DASal 1,133).
Nach einem Sturz auf dem Weg der Frömmigkeit geht es also darum, einfach wieder aufzustehen, die Barmherzigkeit Gottes anzurufen und mit Gottes Hilfe mutig weiterzugehen, achtsam, Schritt für Schritt, demütig, nicht übermütig. Der Heilungsprozess verläuft dabei ganz ähnlich dem des Körpers: „Gewöhnlich geschieht die Genesung des Leibes wie der Seele nur allmählich, Schritt für Schritt, von Stufe zu Stufe, mit großem Aufwand an Mühe und Zeit“ (DASal 1,41). Also auch da ist Geduld gefragt.

Die „kleinen Tugenden“

Was uns auf dem Weg der Frömmigkeit neben der Hand Gottes besonders hilfreich ist, das sind die „kleinen Tugenden“. Sie überfordern uns nicht, wir können sie fast zu jeder Zeit üben und sie bringen uns Schritt für Schritt voran. Auch dazu gibt es einen wunderschönen Text des heiligen Franz von Sales:
„Arbeiten Sie mutig daran, Tugenden zu erwerben, ohne sich irremachen zu lassen; lassen Sie sich zu Gott führen…; bedenken Sie, dass er Sie an den Platz gestellt hat, wo Sie sind. … Wünschen Sie nichts anderes zu sein, als Sie sind … Trachten Sie, die Vollkommenheit zu erwerben, die diesem Leben entspricht. Wollen wir nicht zu schnell Engel sein; seien wir kleine Küken unter dem Flügel der Mutter, denn wir können noch nicht fliegen. Üben wir die kleinen Tugenden, die uns angemessen sind … verzagen wir nicht, denn wenn Gott uns die Gnade erweisen will, uns an der Hand zu halten und uns das Verlangen, ihn zu lieben, zu bewahren, dann haben wir nichts zu fürchten“ (DASal 12,283).
Für den heiligen Franz von Sales ist das ganz besonders wichtig. Immer wieder gibt er jenen Menschen, die er geistlich begleitete, den Rat, nicht zu übertreiben, hübsch auf dem Boden zu bleiben und Schritt für Schritt die kleinen Tugenden zu leben:
„Gehen wir hübsch auf dem Land, da die hohe See uns Schwindel im Kopf und Übelkeit verursacht. … Üben wir gewisse, unserer eigenen Kleinheit entsprechende kleine Tugenden. Lassen wir uns nicht in Dinge ein, die über unser Vermögen gehen. Diese kleinen Tugenden … sind … der Kraft unserer Beine angepasst: Geduld haben, den Nächsten ertragen, Hilfsbereitschaft, Demut, ein freundlicher Mut, Liebenswürdigkeit, Duldsamkeit unserer eigenen Unvollkommenheit gegenüber, solche kleine Tugenden also …, aber Schritt für Schritt“ (DASal 6,41).

Keine Sorgen

Unter diesen kleinen Tugenden ist Franz von Sales vor allem die „Einfachheit“ wichtig. Sie ist es nämlich, die uns auf den Weg schauen und darauf vertrauen lässt, dass Gott, an dessen Hand ich mich halte, auch wirklich alles im Griff hat, damit ich das Hier und Jetzt und Heute gut mache. So schreibt Franz von Sales: „Ich empfehle Ihnen die heilige Einfachheit. Schauen Sie auf den Weg vor sich und nicht auf die in weiter Ferne drohenden Gefahren … Während Sie auf sie schauen, könnten Sie leicht einen Fehltritt tun. Wir wollen nur die feste und allgemeine Absicht haben, Gott von ganzem Herzen und mit unserem ganzen Leben zu dienen. … denken wir nur daran, das Heute gut zu machen“ (DASal 6,41).
Eines meiner salesianischen Lieblingszitate will ich Ihnen zum Abschluss zitieren. Es zeigt uns nämlich, dass Gott wirklich alles im Griff hat, selbst unsere Schwächen. Franz von Sales schreibt: „Ich will lieber schwach sein vor Gott als stark, denn er nimmt die Schwachen in seine Arme, die Starken aber führt er an der Hand“ (DASal 5,224).

Mit salesianischen Grüßen

 

P. Herbert Winklehner OSFS, Wien

 

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