Kind sein mit den Kindern

Zwölf Thesen zu einer salesianischen Pädagogik

Herbert Winklehner OSFS


1.  Einleitung

Nicht nur die Salesianer Don Boscos, sondern auch die Oblatinnen und Oblaten des heiligen Franz von Sales oder die Missionare des heiligen Franz von Sales zählen Kinder- und Jugenderziehung zu ihren pastoralen Schwerpunkten.1 Die Gründer2 all dieser katholischen Ordensgemeinschaften wählten sich den hl. Franz von Sales zu ihrem Schutzpatron und spirituellen Vorbild. Im Folgenden soll es nicht um die Gründe gehen, warum Franz von Sales zu dieser ehrenvollen Wahl gekommen ist, sondern darum, ob das Vorbild Franz von Sales auch praktische Anregungen für die Erziehungsarbeit der heutigen „Salesianer“ geben kann, also, ob man von so etwas wie einer salesianischen Pädagogik sprechen und welche praktischen Konsequenzen diese für den heutigen Erzieher haben kann, der bemüht ist, seinem heiligen Vorbild nachzukommen.
Selbstverständlich gibt es von Franz von Sales keine „Summa paedagogica“, also eine eigene Gesamtdarstellung darüber, wie er selbst sich Erziehung vorstellt. Am ehesten könnte man hier noch sein Buch „Anleitung zum frommen Leben3 („Philothea“) anführen, in der er sich an Menschen wendet, die nach Vollkommenheit streben wollen und denen er einen Weg dazu weist.4 Dennoch kann man aus seinem umfangreichen Werk und seiner Lebensbiografie einige wesentliche Punkte entdecken, die seine pädagogischen Grundprinzipien darlegen.
Genau das möchte ich mit diesem Beitrag thesenhaft versuchen. Er soll vor allem jene anregen, die in Schulen der salesianischen Familie tätig sind – Ordensleute wie Laien gleichermaßen –, sich den Prinzipien ihres salesianischen Patrons und Vorbildes in ihrer erzieherischen Tätigkeit anzunähern und eventuell auch selbst sich näher mit den Grundsätzen der salesianischen Pädagogik zu beschäftigen. All jene, die sich weiter und intensiver damit auseinandersetzen wollen, seien einige Grundsatzartikel und Gesamtkonzepte zur weiteren Lektüre empfohlen, die sich in den letzten Jahrzehnten mit der salesianischen Pädagogik wissenschaftlich sicherlich bei weitem fundierter und ausführlicher auseinandersetzten.5

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2.  These 1: Salesianische Pädagogik gründet in der Gottesliebe und zielt darauf hin

Egal, mit welchem Thema sich jemand bei Franz von Sales beschäftigt, er wird immer wieder zu dem Schluss kommen, dass die Grundlage und das Ziel für alles Denken und Handeln bei diesem Heiligen die Gottesliebe war. Angela Hämel-Stier schrieb einmal sehr treffend: „Er [Franz von Sales] hat keine anderen Gebete, er hegt keine anderen Wünsche, er schmiedet keine anderen Pläne, er hat kein anderes Erziehungsprogramm als nur das Streben nach dem Wohlgefallen Gottes.“6 Seine berühmte „Krise von Paris“ gab ihm dazu den entscheidenden Impuls.7
Selbst noch unerfahrener Student wurde er damals, 1588, hineingezogen in die leidigen Diskussionen der Vorherbestimmung, die durch den Reformator Jean Calvin (1509-1564) ausgelöst wurden. Franz kam zur Überzeugung, dass Gott ihn verdammt habe. Egal was er tut, egal wie er sein Leben gestalten, egal ob er seine Schwächen bekämpfen, seine Gebete pflegen und die Gebote Gottes halten wird, seine Bestimmung, die Gott ihm zugedacht habe, ist die Verdammnis der Hölle.
Diese Erkenntnis eines unerbittlichen Gottes, der selbstherrlich und rücksichtslos in seiner Macht bestimmt, wer die Herrlichkeit des Paradieses genießen und wer in der Verdammung der Gottferne dahinvegetieren wird müssen, erschütterte Franz von Sales so sehr, dass er sogar körperlich krank wurde. Die Erlösung kam, als er sich in dieser dramatischen Zeit, am Beginn des Jahres 1589, in eine Kirche flüchtete und dort vor einer Marienstatue zu seinem persönlichen Gottesbild fand. Die Lösung seines Problems war dabei denkbar einfach und es ist sehr gut nachzuvollziehen, dass es ihm wie Schuppen von den Augen fiel und er endlich von einer Sekunde auf die andere klar sehen konnte. Es geht nicht um mich und mein Wohl, so seine Erkenntnis, es geht ausschließlich um Gott und seinen Willen.
Also: Egal, zu welchem Ziel mich Gott bestimmt hat, ob er mich in der Hölle oder im Paradies sehen will, egal ob ich einmal verdammt oder verherrlicht werde, das ist völlig gleichgültig, Hauptsache Gottes Wille geschehe, im Himmel genauso wie auf Erden. Es ist die Getsemani-Stunde des jungen Franz von Sales: „Wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille“ (Mt 26,42). Nur noch eine einzige persönliche Bitte hatte Franz: „Wenn ich verdientermaßen ein Verdammter unter Verdammten sein muss, die dein überaus gütiges Angesicht nicht schauen werden, dann gewähre mir wenigstens, dass ich nicht einer von denen sei, die deinem heiligen Namen fluchen.“8
Es ist also völlig egal, was mit mir geschieht, Gottes Wille soll geschehen, weil dieser Wille das beste ist, was mir passieren kann, weil dieser Wille seine Liebe ist, die alles überblickt, alles im Griff hat, wo unser kleiner menschlicher Verstand überhaupt nicht mehr mitkommt. Etienne-Jean Lajeunie meint dazu: „Die Hauptsache ist damit geschafft; die reine Liebe ist geboren, und allsogleich nimmt die Krise ihr Ende.“9
Von diesem Tag an ist Franz von Sales der „Lehrer der Liebe“, zu dem er 1877 vom seligen Papst Pius IX. dann auch kirchenamtlich erklärt wurde.10
1616 veröffentlicht er sein theologisches Gesamtkonzept dieser göttlichen Liebe. Über zehn Jahre lang arbeitete er an dieser „Abhandlung über die Gottesliebe“11 oder auch „Theotimus“ genannt. Noch bevor er an sein pädagogischen Konzept der „Philothea“ dachte, befasste er sich bereits mit einer Theologie der Gottesliebe.12
Die Geburtsstunde des „Theotimus“ geht in das Jahr 1589 zurück, als er von seiner großen Glaubenskrise befreit wurde, in dem sein Gottesbild des selbstgerechten Richtergottes in einen über alles liebenden Gott umgewandelt wurde, der – egal, was auch immer geschieht – das Beste für den Menschen will, von allem Anfang an und zu allen Zeiten und in Ewigkeit. Nichts, nicht einmal die Erfahrung größten Leids, ob Pest, Krieg, Krankheit, Tod, wird Franz von Sales von diesem Bild des liebenden Gottes bis zu seinem eigenen Tod 1622 abbringen.13
Wenn er keine Erklärung für das Handeln Gottes in dieser Welt hat, dann fügt er sich in dessen Größe. Lassen wir Gott seine Größe, und diese Größe ist seine Unbegreiflichkeit. „Die Beweggründe der göttlichen Vorsehung wären sehr armselig,“ schreibt er im „Theotimus“, „könnten wir kleinen Geister sie einsehen; sie wären weniger anziehend in ihrer Anmut und weniger wunderbar in ihrer Majestät, wären sie weniger entfernt von unserer Fassungskraft.“14
Daraus folgert er: „Darum meint ja auch der hl. Augustinus, dass zwar die Beweggründe des göttlichen Willens höchst wahr sind, jedoch unser Erkennen und Begreifen so sehr übersteigen, dass wir darüber nichts Sicheres aussagen können, außer auf Grund einer Offenbarung Gottes selbst, der alles weiß. Da aber die Kenntnis dieser Geheimnisse für unser Heil nicht zuträglich wäre, im Gegenteil ihre Unkenntnis uns nützlicher ist, um uns in der Demut und Unterwerfung zu erhalten, deshalb wollte Gott sie auch nicht offenbaren. Selbst der heilige Apostel Paulus wagte nicht, darüber zu forschen, sondern bezeugte die Unzulänglichkeit unserer Erkenntniskraft, da er ausrief: ‚O Tiefe der Reichtümer der Weisheit und Wissenschaft Gottes!’ (Röm 11,33).“15
Und: Es ist gefährlich sich zu sehr und zu nahe mit diesen unbegreiflichen Plänen Gottes zu befassen. Wir könnten uns gleich Schmetterlingen, die um die Flamme schwirren, sehr leicht die Flügel verbrennen: „Niemals dürfen wir unserem Verstand erlauben, in ehrfurchtsloser Neugierde die Flamme göttlicher Ratschlüsse zu umflattern. Gleich kleinen Schmetterlingen würden wir uns nur die Flügel verbrennen und im Feuer dieser heiligen Flamme zugrunde gehen.“16
Alles, was wir wissen und glauben müssen, ist die Tatsache, dass dieser Gott ein Gott der Liebe ist, und ein liebender Gott wird eben alles, was er tut, deshalb tun, damit es für uns Menschen zum Besten gereicht. Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, dann liegt das nicht an der göttlichen Liebe, sondern an unserem menschlichen Unwissen. Nach seiner Krise hatte also Franz von Sales nur noch ein einziges Ziel: Allen Menschen von diesem Gott der Liebe zu berichten und sie dazu anzuregen, Gottes Liebe zu folgen. Die Liebe Gottes ist der Grund allen Lebens und das Ziel, auf dem alles Leben hinstrebt.17

Jede Pädagogik, die sich Franz von Sales zum Vorbild nimmt, hat dieses Grundprinzip zu bedenken: Gott ist die Liebe, diese Liebe ist unser Fundament und unser Ziel. Ganz wichtig gerade für die Erziehung ist, dass damit dem Menschen keine Lasten und Bürden aufgelegt werden, dass es nicht um einen Tyrannengott geht, der mit dem Menschen seine Machtspiele treibt, sondern dieses Fundament und dieses Ziel deshalb besteht, weil es das Beste für den Menschen ist, weil es „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) bedeutet. Es geht also nicht um das „Du musst“ und „Du sollst“ und „Du darfst“, sondern um das Ja zu einem Gott, der mich liebt, so als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt.

„Wie ergreifend ist doch dieser Gedanke,“ schreibt Franz von Sales, „Gott dachte in seiner Güte an dich, er liebte dich und verschaffte dir so viele Mittel zum Heil, als gäbe es sonst keine Seele auf dieser Welt, an die er dächte. Wie die Sonne deshalb einem Platz der Erde nicht weniger Licht spendet, wenn sie ihre Strahlen gleichzeitig auch an andere sendet, so hat der Heiland aller seiner Kinder gedacht und für sie gesorgt. Er hat an jeden von uns gedacht, als ob er sich um alle anderen nicht kümmerte. ‚Er hat mich geliebt’, sagt der hl. Paulus, ‚und hat sich für mich hingegeben’ (Gal 2,20), als wollte er sagen: für mich allein, als hätte er es nicht gleichzeitig für alle getan. Das musst du deiner Seele tief einprägen, um deine Entschlüsse zu lieben und zu stärken, denn sie sind dem Herzen deines Heilands so teuer.“18

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3.  These 2: Salesianische Pädagogik ist eine Pädagogik der Erfurcht vor dem Geschöpf Gottes und der Achtung vor der sich entwickelnden Persönlichkeit

Alle weiteren Thesen einer salesianischen Pädagogik haben ihren Grund in dieser Annahme des liebenden Gottes und sind die Konsequenz daraus. Wenn Gott den Menschen so sehr liebt, als wäre er der einzige Mensch auf der Welt, dann bedeutet dies, dass jeder Mensch, egal wie klein oder groß, arm oder reich, mächtig oder ohnmächtig, gesund oder krank, intelligent oder geistig behindert, schwarz oder weiß, männlich oder weiblich, schön oder hässlich, jung oder alt, erfolgreich oder vom Pech verfolgt, einen unschätzbaren Wert besitzt. Jeder ist ein Geschöpf Gottes und wird von Gott geliebt, und daher hat kein Mensch das Recht, den Mitmenschen anders zu begegnen als mit Achtung und Ehrfurcht. Wie kommt der Mensch auch dazu, sich über das Urteil des liebenden Gottes zu stellen.
Diese Ehrfurcht beginnt bei Franz von Sales schon in der pränatalen Phase. Für ihn gibt es daher grundsätzlich keine Diskussion darüber, ob Abtreibung erlaubt ist oder nicht, noch ob es menschenunwertes Leben gibt oder nicht. Folgendes Zitat aus dem „Theotimus“ lässt darüber keinen Zweifel:
„Von den Tugenden, die den Nächsten betreffen, traten sie [die Philosophen des Altertums] deren erste, nämlich die Ehrfurcht, durch ihre Gesetze in ganz schamloser Weise mit Füßen. Denn Aristoteles, der größte Denker unter ihnen, spricht diesen furchtbaren, erbarmungslosen Satz aus (Pol 7,15): ‚Was die Aussetzung der Kinder’, d. h. deren Ausstoßung, ‚oder ihre Erziehung betrifft, laute das Gesetz also: Keines soll aufgezogen werden, dem ein Glied mangelt. Außerdem soll man, wenn einer schon doppelt soviel Kinder hat, als er zu versorgen imstande ist, und die Gesetze und Gebräuche der Stadt das Aussetzen der Kinder verbieten, dem zuvorkommen und eine Abtreibung herbeiführen.’ Und Seneca, dieser so sehr gerühmte Weise, sagt: ‚Wir töten die Missgeburten, und wenn unsere Kinder hässlich, schwach, unvollkommen oder missgestaltet sind, so verstoßen wir sie und setzen sie aus’ (De ira. 1,15). Es ist daher nicht ohne Grund, dass Tertullian den Römern vorwarf, dass sie ihre Kinder den Wellen, der Kälte, dem Hunger und den Hunden auslieferten (Apol. cap. 9). Und zwar geschah dies nicht aus Armut, denn wie er sagt, verübten selbst die Präsidenten und hohen Beamten diese widernatürliche Grausamkeit. O wahrer Gott, Theotimus, was sind das für tugendhafte Leute! Wie kann man solche Menschen weise nennen, die eine so grausame und brutale Weisheit lehrten? Ach, sagt der große Apostel (Röm 1,22.28), ‚sie wollten Weise sein und sind Toren geworden. Ihr unverständiges Herz verfinsterte sich. Gott überließ sie ihrer verworfenen Gesinnung.’ Wie entsetzlich, dass ein so großer Philosoph zur Abtreibung rät! ‚Das heißt doch den Totschlag vorwegnehmen,’ sagt Tertullian, ‚wenn man verhindert, dass ein Mensch geboren werde, der bereits im Mutterschoß empfangen ist.’ Und der hl. Ambrosius tadelt die Heiden wegen der gleichen Barbarei und sagt: ‚Man nimmt auf diese Weise den Kindern das Leben, bevor es ihnen noch geschenkt wurde’ (Lib. 5 Exhameron. 18).“19

Salesianische Pädagogik ist also eine Pädagogik, die auf der uneingeschränkten Ehrfurcht vor dem Wert eines jeden Menschen gründet und die darauf achtet, dass sich der Mensch zu jener Persönlichkeit entwickelt, die Gott für ihn ausersehen hat. Der salesianische Pädagoge ist sich im Angesicht jedes Kindes, das vor ihm steht, bewusst, das er ein Geschöpf Gottes vor sich hat, dass von diesem Gott in einzigartiger Weise geliebt ist, und er daher kein Recht hat, irgend jemandem diese Würde und diesen Wert abzusprechen.

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4.  These 3: Salesianische Pädagogik beginnt mit Selbsterziehung und braucht ein Regel- und Wertekonzept

Spätestens nach seiner überstandenen Krise von Paris hat Franz von Sales begriffen, dass er selbst, um auf dem richtigen Weg zu bleiben, einen Begleiter braucht. Diesen Grundsatz verdeutlicht er in seinem Buch „Philothea“ gleich in einem der ersten Kapitel: „Für den Beginn des frommen Lebens und dessen Fortschritt ist ein Seelenführer notwendig.“20
Als biblische Grundlage diente ihm dabei das Buch Tobit. Bevor sich dort Tobias auf die Reise nach Medien machte, wählte sich dieser den Erzengel Rafael als sicheren und erfahrenen Reisebegleiter (Tob 5,2ff). Franz von Sales schreibt dann unmissverständlich: „Suche dir einen vortrefflichen Mann als Führer und Berater. Das ist der dringlichste Rat, den ich dir geben kann.“21
Franz von Sales beherzigte selbst diesen Rat. In Padua bat er den Jesuiten Antonio Possevino (1533-1611) um geistliche Begleitung und sogar noch vor seiner Bischofsweihe arbeitete er mit dem Jesuiten Jean Fourier (1560-1636) zusammen. Mit diesen „Begleitern“ entwickelte er ein konkretes Regelkonzept, wie er sein Leben gestalten möchte, als Student oder eben dann als Bischof.
Die „Lebensregel von Padua“22 und seine „Bischöfliche Lebensregel“23 sind uns noch heute erhalten. Er selbst verfasste dann in seinem „Geistlichen Direktorium“ eine ähnliche Regel für den von ihm und der hl. Johanna Franziska von Chantal (1572-1641) 1610 gegründeten Orden der Heimsuchung Mariens, bekannt unter dem Namen „Geistliches Direktorium“.24
Franz von Sales war davon überzeugt, dass jeder Mensch Leitung braucht. Auf sich allein gestellt, ist das Leben sehr schwer in den richtigen Bahnen zu lenken. Ziel einer solchen Leitung ist eine persönliche Lebensregel. Diese Regeln müssen auf ein verlässliches Wertekonzept aufbauen. Die Lebensregel ist im Grunde nichts anderes als die konkrete Umsetzung des Wertekonzeptes in den Alltag. Für Franz von Sales ist dieses Wertekonzept selbstverständlich der christliche Glaube, wie er durch die katholische Kirche tradiert wird. Ihm ist allerdings sehr wohl klar, dass nicht das gesamte Konzept des Christentums für jeden einzelnen in gleicher Weise gilt. Jeder Mensch, so schreibt er in der „Philothea“, muss die Frömmigkeit in Einklang mit seinem konkreten Leben bringen. Nicht der Mensch hat sich an die Frömmigkeit anzupassen, sondern umgekehrt: die Frömmigkeit hat sich an die jeweilige Situation des Menschen anzupassen.25
Ähnliches gilt auch im Tugendstreben: Selbstverständlich sind alle Tugenden immer wertvoll und wichtig, aber nicht jede Tugend ist für jeden Menschen in seiner jeweiligen Situation in gleicher Weise zu leben. Für jeden Menschen gelten andere Tugenden als wichtiger und wertvoller.26
Genau aus diesen Gründen muss allerdings jeder Mensch den für ihn eigenen Weg suchen, finden und gehen. Damit dieses persönliche Suchen, Finden und Gehen funktioniert, braucht es nach der Überzeugung des hl. Franz von Sales eben einen Begleiter, der hilft, lenkt und gegebenenfalls korrigiert.

Salesianische Pädagogik beginnt also bei sich selbst. Der salesianische Pädagoge wird sich darum bemühen, nach einem bestimmten Wertekonzept zu leben und er ist sich bewusst, dass ein wesentliches Ziel seiner erzieherischen Tätigkeit darin besteht, den Kindern, die ihm anvertraut sind, ebenso ein Wertekonzept zu vermitteln, auf das sie bauen können, und ihnen helfen, daraus Lebensregeln zu schaffen, um ihr Leben in die richtigen Bahnen zu lenken. Optimal wäre es natürlich, wenn der salesianische Pädagoge für die Kinder auch ein „geistlicher Lebens-Begleiter“ wird, der den Kindern hilft, für sich eine Lebensregel aufzubauen.

Diese These entspricht übrigens genau dem Vortrag, den der ehemalige Diözesanbischof Reinhold Stecher bei der Pädagogischen Tagung des Katholischen Tiroler Lehrervereins am 12. November 2001 in Innsbruck gehalten hat.27
Unter dem Titel „Man erzieht durch das, was man ist – Wertverankerung als Ziel der Lehrberufe“ brachte er am Ende des Vortrages seine Meinung in charakteristischer Stecher-Manier folgendermaßen auf den Punkt: „Bitte, man kann ruhig sagen, dass unsere Gesellschaft, in moralischer Hinsicht gesehen, die Hosen verliert. Die Werte sind die Knöpfe, im wahrsten Sinne des Wortes tragende Werte. Wie peinlich, wenn hinten nur mehr einer die ganze Verantwortung hat und beim nächsten scharfen Bücken das Verhängnis seinen Lauf nimmt. Ich sage nun, Hosen brauchen Knöpfe, theoretische Werterkenntnis.“28

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5.  These 4: Salesianische Pädagogik ist Herzenspädagogik

Franz von Sales war ein genialer Psychologe. Wer seine Schriften liest, entdeckt an vielen Stellen, wie er den Menschen durchschaut, wie er in seine tiefsten Tiefen eindringt und dort die Wurzeln vieler Sorgen, Nöte und Probleme erkennt. Er entwickelt eine Seelenlehre, die heutigen psychologischen Erkenntnissen sehr nahe kommt.29 Er kennt den niederen Seelenteil und die Seelenspitze.30 Sigmund Freud (1856-1939) wird Jahrhunderte später vom „Es“ und „Über-Ich“ sprechen.
Begründet durch seine theologischen Schlussfolgerungen ist Franz von Sales klar, dass die Seele das Wesen des Menschen ausmacht. Was in dieser Seele geschieht, hat Auswirkungen auf das äußere Leben. Franz von Sales bringt dazu ein Gleichnis aus der Natur, um seine Lehre verständlich zu machen. Auch wenn es heutigen biologischen Erkenntnissen nicht mehr Stand halten kann, so zeigt es doch klar, worum es Franz von Sales geht:
„Wenn man, so erzählen die Naturkundigen, auf eine ungeteilte Mandel ein Wort schreibt, sie in ihre Schale zurücklegt, sorgfältig verschließt und in die Erde pflanzt, dann wird in alle Früchte dieses Baumes dieses Wort eingegraben sein. Nie habe ich das Vorgehen jener billigen können, die bei Äußerlichkeiten beginnen, um den Menschen zu bessern: bei Haltung, Kleidung oder Frisur. Mir scheint im Gegenteil, man muss beim inneren Menschen anfangen. ‚Bekehre dich zu mir’, spricht Gott, ‚von ganzem Herzen!’ (Joel 2,12). ‚Mein Sohn, gib mir dein Herz!’ (Spr 23,26). Weil das Herz die Quelle unserer Handlungen ist, werden diese so sein, wie unser Herz beschaffen ist. Der göttliche Bräutigam ladet die Seele ein mit den Worten: ‚Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, gleich einem Siegel auf deinen Arm’ (Hld 8,6). Ja, wahrhaftig, wer Jesus in seinem Herzen trägt, gleicht ihm bald auch in all seinen äußeren Handlungen. Darum möchte ich vor allem das erhabene und heilige Wort ‚Es lebe Jesus!’ in dein Herz schreiben. Ich bin sicher, dann wird dein Leben, das aus dem Herzen sprießt, wie der Mandelbaum aus dem Kern, als Früchte nur Handlungen hervorbringen, denen dieses Heilswort aufgeprägt und eingegraben ist.“31
Franz von Sales ist also davon überzeugt: Was im Herzen, in der Seele des Menschen eingepflanzt ist, das prägt den ganzen Menschen. Sein erstes Ziel ist das Herz, also das Innerste, die Seele des Menschen. Nicht das Äußere ist entscheidend, sondern das Innere: „Mit einem Wort: Wer das Herz des Menschen gewonnen hat, besitzt den ganzen Menschen.“32
Darauf baut auch seine Pädagogik. Er möchte das Herz des Menschen gewinnen und er will, dass der Mensch dieses Herz Gott schenkt. Das Herz oder die Seele soll Gott eine Wohnung bereiten. Von diesem innersten Punkt des Menschen aus soll Gott auf den ganzen Menschen wirken.

Salesianische Pädagogik ist also von Grund auf eine „Herzenspädagogik“. Das heißt: Sie beginnt mit dem Herzen des Menschen. Sie zielt auf das Innerste im Menschen, um ihn von dort aus zu erziehen und zu formen. Nicht das Äußere gibt den Ausschlag für das pädagogische Handeln, sondern die Seele des Einzelnen. Wer sich dieser „Herzenspädagogik“ bewusst ist, der wird selbst die ihm anvertrauten Menschen aus seinem eigenen Herzen heraus betrachten.

Mit den Worten des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944) gesprochen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche bleibt für das Auge unsichtbar.“33
Der salesianische Pädagoge, der sich der wesentlichen Bedeutung des Herzens oder der Seele des Menschen bewusst ist, sieht also mit dem Herzen, und versucht, seinem Herzen gemäß zu handeln.

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6.  These 5: Salesianische Pädagogik sieht zuerst das Positive, das Gute im Menschen

Gottesliebe und Nächstenliebe bilden für Franz von Sales eine Einheit, weil Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen hat. Im „Theotimus“ bringt er diese Einheit von Gottes- und Nächstenliebe auf den Punkt:
„So wie Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, hat er auch eine Liebe zu den Menschen geboten, nach dem Bild und Gleichnis jener Liebe, die seiner Gottheit gebührt ... Warum lieben wir uns selbst in christlicher Liebe? Sicher, weil wir ein Bild und Gleichnis Gottes sind. Nachdem aber alle Menschen diese gleiche Würde besitzen, lieben wir sie auch wie uns selbst, nämlich als heilige, lebendige Abbilder Gottes. Denn als solche, Theotimus, gehören wir Gott an und zwar durch eine so enge Verbundenheit mit ihm und in einer so liebenswerten Abhängigkeit von ihm, dass es uns keinerlei Schwierigkeiten macht, ihn unseren Vater und uns seine Kinder zu nennen (1 Joh 3,1 f). Als solche sind wir fähig, mit der Wesenheit Gottes durch den beseligenden Besitz ihrer über alles erhabenen Güte und Seligkeit vereinigt zu werden. Als solche empfangen wir seine Gnade und wird unser Geist seinem überaus heiligen Geist beigesellt und erhalten wir sozusagen Anteil an der göttlichen Natur (2 Petr 1,4) ... So bringt also dieselbe heilige Liebe, aus der die Akte der Gottesliebe hervorgehen, in gleichem Maße Akte der Nächstenliebe hervor ... So wissen wir auch, dass ein und dieselbe heilige Liebe die Gottesliebe wie die Nächstenliebe in sich schließt. Sie hebt unseren Geist hinauf zur Vereinigung mit Gott, um uns dann wieder zum liebreichen Verkehr mit dem Nächsten zurückzuführen, jedoch so, dass wir den Nächsten als Abbild und Gleichnis Gottes lieben, der dazu geschaffen ist, mit der göttlichen Güte in Verbindung zu stehen, um teilzuhaben an Gottes Gnade und um sich des Besitzes seiner Glorie zu erfreuen. Theotimus, den Nächsten mit heiliger Liebe lieben, heißt Gott im Menschen oder den Menschen in Gott lieben; es heißt, Gott aus Liebe zu ihm selbst und das Geschöpf aus Liebe zu Gott lieben.“34
Die praktischen pädagogischen Konsequenzen daraus zieht Franz von Sales in einem Gespräch mit seinen Schwestern von der Heimsuchung: „Der Orden [und auch jeder Pädagoge] feiert keine Triumphe, wenn er sanfte Gemüter und stille Seelen zu erziehen bekommt; aber temperamentvolle Seelen den Tugendweg zu führen, das ist eine Aufgabe, die ihn freut. Wenn solche Seelen nämlich treu bleiben, dann überflügeln sie die anderen, nachdem sie in heißen Kämpfen eroberten, was jene mühelos besitzen.“35
Was Franz von Sales hier seinen Schwestern von der Heimsuchung Mariens rät, gilt natürlich auch für die Erziehung im Allgemeinen. Die wahre Herausforderung sind nicht die einfachen, sanften, stillen Gemüter, sondern die schwierigen Seelen. Und die Arbeit mit diesen ist eine Aufgabe, die Freude macht.
Aufgrund seines positiven Menschenbildes gibt es für Franz von Sales keine wertlosen, unfähigen, dummen, nichtsnutzigen Menschen, die abzuschreiben sind, weil es keinen Wert hat, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Gerade „gebrechliche“ – sowohl an Leib als auch an der Seele – Personen sollten Zugang zu seiner Schwesterngemeinschaft der Heimsuchung bekommen, die anderswo aufgrund anderer, strengerer Ordensregeln keine Möglichkeit für einen solchen Weg erhielten. Das bringt er unmissverständlich in den Satzungen über den „Geist der Heimsuchung“ zum Ausdruck:
„Viele Mädchen und Frauen verlangen auf göttliche Eingebung sehr oft nach dem Ordensleben, die entweder wegen ihrer schwachen natürlichen Konstitution, oder weil sie schon durch das Alter geschwächt sind, oder schließlich, weil sie sich nicht zur Übung harter äußerer Strengheiten angezogen fühlen, doch nicht in Orden eintreten können, wo man zu großen körperlichen Bußübungen verpflichtet ist, wie man in den meisten reformierten Kongregationen hierzulande sieht ... Damit nun solche Seelen hierzulande künftig eine sichere Zuflucht haben, wurde diese Kongregation in der Weise errichtet, dass keine große Strenge die Schwachen und Kränklichen davon abhalten kann, in sie einzutreten, um sich hier der Vollkommenheit der göttlichen Liebe zu widmen.“36
Gleiches gilt für die zeitweilige Aufnahme von Frauen und Mädchen in schwierigen Lebenssituationen oder solche, die nicht nur im Gebet, sondern auch in Lesen, Schreiben oder Singen erzogen und gebildet werden sollen. Sein Vorbild ist dabei die Frauenkongregation der heiligen Franziska Romana (1384-1440), die wie Johanna Franziska von Chantal Witwe war und sich als Witwe für kranke, arme und vernachlässigte Frauen in Rom einsetzte. Franz hatte diese Frauengemeinschaft bei seinem Besuch in Rom 1599 kennengelernt und war davon so beeindruckt, dass diese seine Heimsuchungsidee beeinflusste.37
So wie diese römischen Schwestern sollen auch die Schwestern der Heimsuchung ihre Aufgabe verstehen. An Johanna Franziska von Chantal schreibt er: „In Italien lässt man ganz allgemein Mädchen hineinkommen, deren sittliche Reinheit man irgendwie für gefährdet hält; auch die schlecht Verheirateten, wenn sie in Gefahr stehen, von ihren Gatten schwer misshandelt zu werden; ferner die Mädchen, die man nicht nur Frömmigkeit, sondern auch Lesen, Schreiben und Singen lehren will.“38
Ebenso sollen sich auch die Schwestern der Heimsuchung verhalten.
In einem anderen Brief lobt er Johanna Franziska von Chantal, dass in ihrem Kloster auch Lahme, Bucklige und Einäugige Aufnahme finden: „Es freut mich auch sehr, dass Sie die Lahmen, Buckligen, Einäugigen, ja sogar die Blinden lieben, vorausgesetzt, dass diese in ihrer Absicht gerade sein wollen. Denn sie werden im Himmel gewiss schön und vollkommen sein. Und wenn man nicht ablässt, den Schwestern mit körperlichen Gebrechen Liebe zu erweisen, wird Gott entgegen menschlicher Klugheit viele, selbst in den Augen der Welt schöne und angenehme herkommen lassen.“39
Auch bei diesem Zitat wird deutlich, dass es Franz von Sales weniger um das Äußere, sondern um die innere Einstellung geht. Wenn die „Absicht“ gerade ist, kann man äußerlich ruhig krumm sein.
Die Sorge um die Schwachen legt der Heilige im Übrigen allen „Hirten der Kirche“ ans Herz. In seinen „Weisungen für die Beichtväter“40 schreibt er: „Die Sorge der Hirten gilt nicht den starken Seelen, sondern den Schwachen und Gebrechlichen; denn die Starken tun von sich aus genug, aber die Schwachen muss man tragen.“41
Jeder Mensch hat für ihn als Geschöpf Gottes einen guten Kern, den es gerade dann zu entdecken gilt, wenn die äußere Schale etwas rauer oder spröder ist.

Der salesianische Pädagoge setzt all dies in die Praxis um, indem er schwierigen Kindern gegenüber besondere Aufmerksamkeit widmet, ja in dem er jenen Menschen Wege zu Bildung und Erziehung eröffnet, denen diese Wege im sonstigen Umfeld versperrt bleiben. Dies geschieht deshalb, weil der salesianische Pädagoge vor allem den guten Kern des Menschen als von Gott geliebtes Geschöpf sieht ... egal wie verwahrlost, schwierig, schlimm dieser ist.

Johannes Bosco (1815-1888) wird diese Sichtweise in sein pädagogisches Konzept der „Pädagogik der Vorsorge“42 umsetzen und damit zum herausragenden Kinder- und Jugendseelsorger des 2. Jahrtausends werden. Ziel Don Boscos war es, sich um die Jugendlichen anzunehmen, „die nicht schlecht sind, aber schlecht werden, weil sich niemand um sie kümmert.“

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7.  These 6: Salesianische Pädagogik entdeckt die Spuren Gottes im Alltag

Salesianisch“ bedeutet in seinem Wesen: Leben in der Gegenwart des liebenden Gottes]]. Franz von Sales ist felsenfest davon überzeugt, dass nichts auf dieser Welt, ausgenommen die Sünde, außerhalb der Gegenwart Gottes geschieht.43
Gott ist da bei allem, was wir tun, überall, wo wir sind. In der „Philothea“ schreibt Franz von Sales: „Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre. Wohin die Vögel auch fliegen, sie finden ihr Element, die Luft, in der sie sich bewegen; so finden auch wir, wohin immer wir gehen mögen, Gott überall gegenwärtig.“44
Diese göttliche Gegenwart ist jedoch keine überprüfende oder gar angstmachende Gegenwart, die Gegenwart eines Polizistengottes, der alle Übertretungen ahndet, um sie bestrafen zu können, sondern die geborgene Gegenwart jenes Gottes, der die Liebe ist. So wie das Kleinkind sich an die Brust seiner Mutter schmiegt und sich darin geborgen fühlt, so dürfen auch wir uns bei all unserem Tun in Gott geborgen wissen. Auch dafür hat Franz von Sales herrliche Bilder und Beschreibungen bereit: „Solange ein Kind noch ganz klein ist, ist es ganz Einfachheit, es hat nur eine einzige Erkenntnis: die Mutter; nur ein Verlangen: die Brust der Mutter. An diese Brust gelegt und gebettet, ist es wunschlos. Die vollkommen einfache Seele hat auch nur eine Liebe: Gott. Und diese Liebe hat wiederum nur ein Verlangen: Ruhen an der Brust des himmlischen Vaters, dort als wahrhaft liebendes Kind wohnen, dem guten Vater alles Sorgen um das eigene Wohl überlassen.“45
Das hat natürlich Konsequenzen für unser konkretes Leben im Alltag und für das Handeln des Pädagogen.
Nichts, was wir tun, außer der Sünde, liegt außerhalb von Gott. Das heißt: Alle unsere Tätigkeiten geschehen in der Geborgenheit Gottes. Es gibt also Tun, das sich außerhalb Gottes abspielt. Für Franz von Sales gibt es im Grunde kein a-religiöses Handeln. Einzig das Sündigen, das mich von Gott trennt und damit von seiner liebenden Gegenwart ausschließt, geschieht ohne Gott. Alles andere Tun aber ist Gottesdienst im wörtlichen Sinne: Dienst in, für und mit Gott. Ob Essen oder Trinken, Spiel, Arbeit, Gebet, Mitfeier der Messe ... alles ist Handeln in Gott, überall trete ich mit Gott in Beziehung, ist also Gebet, Anbetung als Sein in Gottes Gegenwart.
Das „Geistliche Direktorium“, das der heilige Franz von Sales für die Schwestern der Heimsuchung verfasste, hat kein anderes Ziel, als den Schwestern jede Minute des Tages deutlich zu machen, dass sie in der liebenden Gegenwart Gottes leben. Am Anfang dieses geistlichen Tagesplanes schreibt Franz von Sales: „Die Schwestern, die vorankommen und auf dem Weg Unseres Herrn Fortschritte machen wollen, müssen am Beginn aller ihrer Handlungen, der äußeren wie der inneren, ihn um seine Gnade bitten und seiner göttlichen Güte alles aufopfern, was sie Gutes tun werden. So werden sie sich vorbereiten, in Frieden und Ruhe des Geistes alle Mühe und Abtötung, die ihnen dabei begegnen, als von der väterlichen Hand Gottes und unseres gütigen Erlösers kommend zu ertragen. Seine heilige Absicht ist, sie auf diese Weise Verdienste erwerben zu lassen, um sie dann mit der Fülle seiner Liebe zu belohnen. Sie sollen das auch bei kleinen Dingen, und bei solchen, die ihnen von geringer Bedeutung scheinen, nicht unterlassen; ja selbst wenn ihnen etwas aufgetragen wird, was ihnen sehr angenehm ist und ganz ihrem Willen und Bedürfnis entspricht, wie zu trinken, zu essen, sich auszuruhen und zu erholen, und ähnliches, damit dem Rat des Apostels entsprechend alles, was sie tun, im Namen Gottes und um seines Wohlgefallens willen geschehe.“46
Alles, was die Schwestern tun, jede Kleinigkeit, geschieht im Namen Gottes und in seiner Gegenwart.

Der salesianische Pädagoge ist sich dieser allumfassenden göttlichen Gegenwart bewusst. Er wird also all sein Tun als ein Tun in Gottes Gegenwart verstehen. Er wird besonders darauf achten, die Spuren Gottes im Alltag zusammen mit den ihm anvertrauten Kindern zu entdecken. Ob Lernen oder Spielen, Erziehen oder Feste feiern, Unterrichten oder die Vorbereitung darauf, alles wird er als ein Tun in Gott betrachten.

Eine zutiefst salesianische Übung wird dadurch zur Grundübung des salesianischen Pädagogen: das Versetzen in Gottes Gegenwart am Beginn einer jeden Tätigkeit. Die Vorbereitung und Durchführung einer Unterrichtsstunde, das Korrigieren der Schulaufgaben, das Spielen und Feiern mit den Kindern, der Elternsprechtag, der Wandertag, der Schikurs – einfach alles wird der salesianische Pädagoge in dem Bewusstsein tun, dass Gott mit dabei ist. Das Gebet am Beginn des Unterrichts oder während des Tages ist für ihn daher nichts Nebensächliches, sondern gehört wesentlich zu seinem Arbeiten dazu.
Weiter unten in These 12 wird dieser Gedanke noch einmal aufgegriffen und mit einer weiteren praktischen Konsequenz für die Pädagogik ergänzt werden.

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8.  These 7: Salesianische Pädagogik geht den Weg der kleinen Schritte

Im modernen Management gibt es die Grundregel, dass man seine großen Ziele in viele kleinere Teilziele bis hin zu ganz kleinen Planungsschritten zergliedern soll, ohne jedoch das große Ziel aus den Augen zu verlieren.47
Diese moderne Managementmethode entspricht ganz der pädagogischen Methode des heiligen Franz von Sales. Das große Ziel ist klar: die Vollkommenheit in Gott. Auf dem Weg dort hin aber sind viele kleine Schritte notwendig. Und genau auf diese kleinen Schritte kommt es an – jeden Tag. Schritt für Schritt soll der Mensch den Weg der Vollkommenheit gehen. In einem Brief an Frau von Limojon beschreibt Franz von Sales diese Methode besonders anschaulich:
„Ich habe einst ein Bildwerk gesehen, an dem der Meister zehn Jahre lang gearbeitet hat, bevor es vollendet war, und er hat nie aufgehört, mit Meißel und Stichel kleinweise alles von ihm wegzunehmen, was die richtige Proportion störte. Nein, es ist zweifellos nicht möglich, an einem Tag dahin zu kommen, wonach Sie streben: Sie müssen erst einmal diesen Punkt erreichen, morgen einen anderen. Nur Schritt für Schritt können wir Herr über uns selbst werden, was keine kleine Eroberung ist.“48
Nur „Schritt für Schritt“ ist ein Ziel, das wir ins Auge gefasst haben, zu erreichen. Deshalb braucht auch niemand mutlos werden, wenn ein geplantes Vorhaben nicht sofort vollendet ist. Das gilt selbstverständlich auch für die Ziele der Erziehung. Auch da braucht es ein stetiges Wachsen und Reifen, auch da gibt es Rückschritte, Pausen und ein gutes Vorankommen. Diese Unregelmäßigkeiten im Fortschritt sind kein Grund zur Entmutigung. Grund zur Vorsicht gibt es bei Franz von Sales nur, wenn das Ziel aus den Augen verloren wird, so wie er es seinen Schwestern der Heimsuchung deutlich macht, die sich als Ziel vorgenommen haben, ganz dem Himmel zu dienen, und deshalb die Welt verlassen haben: „Ihr habt die Welt verlassen und besteigt Schritt für Schritt den heiligen Berg der Vollkommenheit; schaut nicht zurück, seht den Himmel vor Euren Augen, der Euch erwartet.“49
Folgender Abschnitt aus der „Philothea“ könnte durchaus als Impulstext für ein modernes Managementseminar verwendet werden, das den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Zielfindung und Tagesplanung, Zeitmanagement und Arbeitsorganisationsstrategien beibringen möchte. Das „Schritt für Schritt“ auf dem Weg zum gesetzten Ziel soll nämlich, wie dieser Abschnitt verdeutlicht, mit Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt und ohne Unruhe und Hast geschehen:
„Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, die unsere Arbeit auszeichnen sollen, sind wohl zu unterscheiden von Unruhe, Ängstlichkeit und Übereilung. Die Engel kümmern sich um unser Heil und erfüllen diese Aufgabe mit Sorgfalt, aber ohne Unruhe, Aufregung und Hast. Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt sind Eigenschaften ihrer Liebe! Aufregung und Überhastung aber wären mit der Seligkeit der Engel nicht vereinbar. Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt stören den Frieden und die Ruhe der Seele nicht, wohl aber Ängstlichkeit, Hast und aufgeregte Geschäftigkeit. Sei sorgfältig und gewissenhaft in allen Obliegenheiten. Gott hat sie dir anvertraut und will, dass du große Sorgfalt darauf verwendest. Vermeide aber dabei jede Ängstlichkeit und Aufregung, d. h. verrichte sie ohne Unruhe, ohne ängstliche Besorgnis oder hitzigen Eifer. Verrichte deine Arbeit niemals hastig, denn jede aufgeregte Hast trübt Vernunft und Urteil; damit hindert sie uns, eine Sache gut zu machen, auf die wir solch blinden Eifer verwenden ... Nie ward gut getan, was mit Hast und Ungestüm verrichtet wurde. ‚Eile mit Weile’, sagt das Sprichwort. ‚Wer eilt’, sagt Salomo, ‚läuft Gefahr anzustoßen’ (Spr 19,2). Wir arbeiten rasch genug, wenn wir gut arbeiten. Die Hummeln machen mehr Lärm und gebärden sich geschäftiger als die Bienen, aber sie erzeugen weder Wachs noch Honig. So arbeitet weder viel noch gut, wer sich überhastet. Die Fliegen sind eine Plage nicht wegen ihrer Stärke, sondern wegen ihrer Menge; deswegen verwirren uns große Aufgaben weniger als eine große Zahl kleiner Geschäfte. Nimm sie alle in Ruhe hin, wie sie kommen. Bemühe dich, sie der Reihe nach zu erledigen, eins nach dem anderen. Wolltest du sie alle auf einmal ohne rechte Ordnung bewältigen, dann übernimmst du dich, ermüdest deinen Geist und wirst unter der Last erliegen, ohne etwas erreicht zu haben.“50
Was für die äußeren Aufgaben gilt, wendet Franz von Sales auch auf den inneren Fortschritt an, auf den Aufbau und die Umsetzung der Werte, auf das Streben und Leben der Tugenden. Auch hier empfiehlt Franz von Sales, sich neben dem großen Ziel der Liebe, der Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe, vor allem auf den Weg der „kleinen Tugenden“51 zu machen, die für den Weg zur Vollendung von unschätzbarem Wert sind, weil sie eben viel öfter und auch viel leichter, also in kleinen Schritten, zu üben sind als die großen. Konkret ausgedrückt finden wir dies wieder in seinem Brief an Frau von Soulfour:
„Üben wir gewisse, unserer eigenen Kleinheit entsprechende kleine Tugenden. Lassen wir uns nicht in Dinge ein, die über unser Vermögen gehen. Diese kleinen Tugenden werden mehr im Herabsteigen als im Emporsteigen geübt und sind daher der Kraft unserer Beine angepasst: Geduld haben, den Nächsten ertragen, Hilfsbereitschaft, Demut, ein freundlicher Mut, Liebenswürdigkeit, Duldsamkeit unserer eigenen Unvollkommenheit gegenüber, solche kleine Tugenden also. Ich sage damit nicht, dass man im Gebet nicht emporsteigen soll, aber Schritt für Schritt. Ich empfehle Ihnen die heilige Einfachheit. Schauen Sie auf den Weg vor sich und nicht auf die in weiter Ferne drohenden Gefahren, wie Sie mir geschrieben haben. Es scheinen Ihnen ganze Armeen zu sein; es sind doch nur zugestutzte Weiden. Während Sie auf sie schauen, könnten Sie leicht einen Fehltritt tun. Wir wollen nur die feste und allgemeine Absicht haben, Gott von ganzem Herzen und mit unserem ganzen Leben zu dienen.“52
Franz von Sales legt großen Wert auf die Übung der kleinen Tugenden wie Geduld, Herzlichkeit, Demut, Sanftmut, Gleichmut, Ausdauer und viele andere mehr. Diese kleinen Tugenden sind ihm die liebsten, weil es viele Gelegenheiten gibt, sie zu üben, und weil sie von jedem Menschen geübt werden können. Außerdem kann sich der Mensch, der sie übt, nicht sehr viel darauf einbilden. Sie fördern nicht den Stolz, sondern die Demut, aus der wiederum eine Menge anderer nützliche Tugenden hervorgehen.
An Johanna Franziska von Chantal schreibt er: „Gehen wir indes weiter, meine liebe Tochter, durch diese niedrigen Täler der bescheidenen und kleinen Tugenden. Wir werden Rosen unter Dornen sehen, Nächstenliebe, die inmitten von inneren und äußeren Kümmernissen hervorleuchtet; Lilien der Reinheit, Veilchen der Selbstüberwindung, und was weiß ich noch. Ich liebe vor allem diese drei kleinen Tugenden: die Güte des Herzens, den Geist der Armut und die Einfachheit des Lebens; und diese niedrigen Übungen: Kranke besuchen, Armen dienen, Betrübte trösten und ähnliche; alles aber ohne Ungestüm in wahrer Freiheit. Nein, unsere Arme sind noch nicht lang genug, um die Zedern des Libanon zu erreichen; begnügen wir uns mit dem Schilfrohr der Täler.“53

Salesianische Pädagogik ist also eine Pädagogik der kleinen Schritte, eine Pädagogik der kleinen Tugenden, eine Pädagogik des Alltags. Der salesianische Pädagoge sieht auf die Kleinigkeiten und bemüht sich, die Kinder auf diese Kleinigkeiten aufmerksam zu machen und sie anzuspornen, diese kleinen Schritte zu gehen, natürlich nicht ohne das große Ziel, die Vollkommenheit in Gott, aus dem Auge zu verlieren.

Das berühmte Bild aus der „Philothea“ vom Kind, das sich mit der einen Hand am Vater festhält und mit der anderen am Wegrand Blumen pflückt, könnte auch zum Bild des salesianischen Pädagogen werden, der Begleiter, der das Kind Schritt für Schritt ins Leben führt, es an der Hand festhält, damit es nicht fällt, ohne es jedoch am Erdbeerpflücken zu hindern:
„Stütze dich in allen Arbeiten völlig auf die Vorsehung Gottes; nur sie gibt deinen Plänen das Gelingen. Trage ruhigen Gemütes deinen Teil dazu bei und sei überzeugt, wenn du dein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt hast, wirst du den besten Erfolg haben, mag er nun deinem menschlichen Ermessen gut oder schlecht erscheinen. Mache es wie die kleinen Kinder: Mit der einen Hand halten sie sich am Vater fest, mit der anderen pflücken sie Erdbeeren und Brombeeren am Wegrain. So sammle und gebrauche auch du die irdischen Güter mit der einen Hand, mit der anderen halte dich an der Hand des himmlischen Vaters fest. Schau immer wieder zu ihm auf, ob ihm dein Tun und dein Wandel recht ist. Hüte dich vor allem, seine Hand loszulassen und dich seiner Obhut zu entziehen, in der Meinung, du könntest dann mehr zusammenraffen. Hält er dich nicht mehr, dann wirst du keinen Schritt tun, ohne hinzufallen.“54
Es gibt eine schöne Anekdote aus dem Leben des heiligen Franz von Sales, die in origineller Weise deutlich macht, wie er diese „Pädagogik der kleinen Schritte“ konkret in die Tat umsetzte. Eines Tages kam ein Offizier zu ihm, der als cholerischer, jähzorniger und aufbrausender Mann bekannt war. Er wollte von seinem Bischof wissen, was er tun solle, um als Soldat und Offizier in dieser Welt ein guter Christ zu werden. Offenbar hatte der Offizier die „Philothea“ gelesen, wo ja behauptet wird, dass es ein „Irrtum, ja sogar eine Irrlehre“ sei, „die Frömmigkeit aus der Kaserne ... zu verbannen“.55
Die Antwort des Bischofs war verblüffend. „Beginnen Sie damit“, meinte Franz von Sales, „in Zukunft die Türen leise zu schließen.“56
Jeder Weg, auch zu den größten Zielen, beginnt mit dem ersten Schritt ... und dieser erste Schritt kann manches Mal sehr einfach sein.
Im „kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry wird diese Methode sehr schön beschrieben, wo der Prinz und der Fuchs einander „zähmen“ oder „vertraut machen“. Sie haben ein großes Ziel vor Augen: eine einzigartige Freundschaft. Dieses Ziel aber erreichen Sie nur Schritt für Schritt und mit viel Geduld. Es braucht dazu feste Rituale und fixe Zeiten. Und jeden Tag kommen sie sich ein Stück näher, bis sie füreinander einzigartig sind.57
Bei dieser „Zähmung“ sollte der salesianische Pädagoge allerdings auch nicht die Verantwortung vergessen, die er damit eingeht: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“58

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9.  These 8: Salesianische Pädagogik glaubt an die Zukunft des Menschen

Angesichts der weltweiten politischen, ökologischen und ökonomischen Entwicklungen, angesichts von Krieg, Terror, Umweltverschmutzung, Ausbeutung und Armut ist es nicht leicht, an die Zukunft des Menschen zu glauben. Der „11. September 2001“59 ist mittlerweile zum symbolischen Sammelbegriff für das Grauen geworden, zu dem der Mensch am Beginn des 3. Jahrtausends fähig ist. Der heilige Franz von Sales besitzt jedoch ein zutiefst optimistisches und positives Menschenbild, weil er zutiefst an den guten Plan glaubt, den Gott für seine Schöpfung und damit auch für den Menschen ausgedacht hat. Die Zusammenfassung dieses Planes liefert er uns im „Theotimus“ mit folgenden Worten:
„Der Mensch ist Vollendung des Weltalls, der Geist Vollendung des Menschen, die Liebe Vollendung des Geistes und die göttliche Liebe Vollendung der Liebe. Daher ist die göttliche Liebe Ziel, Vollendung und Krönung des Weltalls.“60
Zum Verständnis dieser positiven Welt- und Menschensicht ist der letzte Satz von entscheidender Bedeutung: Ziel, Vollendung und Krönung der ganzen Schöpfung ist die göttliche Liebe. Sie ist auch das Fundament und die Ursache dafür, dass Gott die Welt und den Menschen überhaupt erschaffen hat. Der Optimismus des heiligen Franz von Sales ist kein Produkt weltfremder, träumerischer Gedankenspielereien, die das Böse und Schlechte in der Welt ignorieren. Der „11. September“ war zwar noch 400 Jahre entfernt, die Menschen seiner Zeit waren aber zur Genüge mit Krieg und Pestepidemien konfrontiert, um die negativen Seiten der Menschheit zu spüren. Der Optimismus des heiligen Franz von Sales gründet gerade deshalb bzw. trotz der Realität des Bösen auf Gott selbst, der unendlich gut ist, dessen Liebe unendlich groß ist, und dessen Plan der Schöpfung deshalb nichts anderes sein kann als ein Plan, in dem alles schließlich und endlich gut wird und zur Vollendung gelangt. Nicht der Mensch und seine technischen Fortschritte – wie dies im 20. Jahrhundert der Fall war und mit dem 11. September endgültig ad absurdum geführt wurde – sind die Ursache, die Franz von Sales zu seinem Optimismus führen, sondern Gott und seine Liebe. Der salesianische Glaube an die Zukunft des Menschen und das Vertrauen, dass alles, was geschieht, schließlich und endlich sein gutes Ende haben wird, gründet auf der unerschütterlichen Überzeugung, dass wir alle in Gottes Hand geborgen sind.
Nichts außer der Sünde geschieht ohne den Willen Gottes, und weil Gott die Liebe ist und es von Anbeginn der Welt Wille Gottes ist, dass der Mensch seine Vollendung findet, ist alles, was geschieht, außer der Sünde, gut. Franz von Sales beschreibt diesen positiven Schöpfungsplan des liebenden Gottes mit den Begriffen „Gottes Wohlgefallen“ und „Gottes Wohlwollen“ als die beiden „Haupttätigkeiten der Liebe“ Gottes.61
Es ist hier nicht der Platz, diese durchaus komplizierten theologischen Gedankengänge des heiligen Franz von Sales umfassend zu beschreiben. Kurz zusammengefasst könnte man jedoch sagen, dass Franz von Sales damit deutlich macht, dass Gott ausschließlich das Gute will. Gott will dem Menschen wohl und Gottes Wille ist immer Gottes Liebe. Er will das Wohl der Menschen. So hat es ihm in seinen unergründlichen Ratschlüssen gefallen. Die Antwort, die der Mensch auf dieses Wohlwollen und Wohlgefallen Gottes geben soll, ist nur logisch und konsequent: Der Mensch soll so leben, dass er mit seinem Leben und Handeln Gott gefällt. Dies soll er jedoch nicht deshalb tun, damit Gott glücklich ist, sondern um seines eigenen Nutzens willen. Handelt der Mensch nämlich dem Wohlgefallen und Wohlwollen Gottes entsprechend, dann kann ihm auf dem Weg zu seiner Vollendung nichts mehr geschehen, egal was das Leben, der Alltag, die Zukunft auch bringen mag.
Bildlich beschrieben finden wir dies in der „Philothea“ folgendermaßen: „Mag alles um uns herum dauernd sich ändern, wir müssen unveränderlich fest dabei bleiben, stets auf Gott hin zu schauen, zu streben und zu arbeiten. Mag das Schiff diesen oder jenen Kurs nehmen, mag es nach Westen oder Osten, nach Süden oder Norden streben, mag dieser oder jener Wind es treiben, die Kompassnadel wird doch stets nach Norden zeigen. Mag nicht nur um uns herum, sondern auch in uns alles drunter und drüber gehen, mag unsere Seele traurig oder vergnügt und fröhlich, verbittert und unruhig oder friedlich, im Licht oder in der Finsternis der Versuchung, mag sie ruhig und voll Freude oder voll Ekel sein, in Trockenheit oder Seligkeit, mag die Sonne sie versengen oder der Tau sie erfrischen: immer soll unser Herz, unser Geist und der höhere Wille gleich der Kompassnadel unablässig auf die Gottesliebe als ihr einziges und höchstes Gut schauen und ausgerichtet sein.“62
Die Gottesliebe, Gottes Wohlwollen und Wohlgefallen und nichts anderes ist der Grund des salesianischen Optimismus, darin findet das Leben seinen unerschütterlichen Halt, mag es auch drunter und drüber gehen. Was bedeutet dieses optimistische Menschen- und Weltbild für Erziehung und Pädagogik?
Zum einen das Wohlwollen des Erziehers für seine zu Erziehenden. Wenn schon Gott von der Vollendung des Menschen überzeugt ist, dann sollte dies auch der Erzieher sein, der mit seiner Erziehung am Verwirklichen des göttlichen Planes zur Vollendung des Menschen teilhat.

Der salesianische Pädagoge ist sich bewusst, dass er mit seiner Arbeit teilnimmt an der Vollendung des göttlichen Planes, der auf der Liebe Gottes gründet.

Zum anderen die Vermittlung, dass jeder Mensch in Gottes Hand geborgen ist und somit die Zukunft nicht zu fürchten braucht. Es geht also um eine positive Lebenseinstellung, die getragen ist vom Vertrauen in Gottes Liebe und Wohlwollen zu den Menschen.

Außerdem wird salesianische Pädagogik den Menschen darauf hinweisen, dass jeder Mensch seine persönliche Antwort auf dieses Wohlwollen Gottes geben soll, nicht damit es Gott besser geht, sondern weil es den Menschen selbst glücklich macht.

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10.  These 9: Salesianische Pädagogik ist eine Pädagogik der Liebe und Freiheit und nicht des Zwanges

Zu einem der berühmtesten Worte des heiligen Franz von Sales zählt jene Aussage, die er an Johanna Franziska von Chantal schrieb: „Dies soll die Grundregel unseres Gehorsams sein: Ich schreibe sie in großen Buchstaben: ALLES AUS LIEBE TUN UND NICHTS AUS ZWANG! MEHR DEN GEHORSAM LIEBEN, ALS DEN UNGEHORSAM FÜRCHTEN!“63
Hintergrund dieses Aussage war folgender:64 Johanna Franziska von Chantal war in einer schwierigen Lebensphase. Ihr Ehemann fand bei einem Jagdunfall den Tod und sie stand plötzlich mit vier Kindern allein da, zudem litt sie unter den Schikanen ihres Schwiegervaters und dessen Mätresse. Sie brauchte eine Stütze besonders für ihr seelisches und geistliches Leben. Von Freundinnen wurde ihr ein Priester empfohlen, der zur Bedingung seiner geistlichen Begleitung machte, dass sie ihm absoluten Gehorsam gelobte. Johanna beugte sich dieser Forderung, begann aber unter der Last dieses Gehorsams noch mehr zu leiden. 1604 schließlich traf sie den heiligen Franz von Sales. Beide fühlten sich spontan zueinander hingezogen und Franz von Sales erklärte sich bereit, Johannas geistlicher Begleiter zu werden. Ihm war dabei sofort klar, dass diese Begleitung weniger des absoluten Gehorsams bedarf, sondern der Liebe und Freiheit. In seinem ersten längeren Brief an Johanna, in dem er einige Grundsätze seiner Seeleführung darlegte, formulierte er deshalb auch diese Grundregel „Alles aus Liebe, nichts aus Zwang“ und fügte dann hinzu:
„Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit; nicht jenen, der den Gehorsam verneint, denn dies ist die Freiheit des Fleisches, sondern jenen, der Zwang, Skrupel und Hast ausschließt. Wenn Sie Gehorsam und Unterordnung sehr lieben, ist es mein Wunsch, - dies soll für Sie eine Art Gehorsam sein - dass Sie aus einem berechtigten Grund oder aus Nächstenliebe Ihre Übungen unterlassen und diese Unterlassung durch die Liebe ausgleichen.“65
Liebe und Freiheit sollen also in der Beziehung zwischen Franz von Sales und Johanna von Chantal und zu Gott vorherrschen und nicht Kadavergehorsam, Buchstabentreue oder skrupelhaftes Verhalten. In einem späteren Brief beschreibt Franz von Sales noch einmal, was er unter dieser „heiligen Freiheit“ versteht:
„Überall soll doch die heilige Freiheit und Geradheit herrschen. Wir wollen kein anderes Gesetz, kein anderes ‚Muss’ kennen als das der Liebe. Wenn diese uns vorschreibt, irgendeine Arbeit für die Unsrigen zu leisten, so darf sie doch nicht getadelt werden, als hätte sie Böses getan, oder mit einer Geldstrafe belegt werden, wie Sie es tun wollten. Wozu immer sie uns auffordert, ob es für einen Armen oder einen Reichen bestimmt ist, tut sie alles recht und alles ist in gleicher Weise unserem Herrn angenehm. Ich denke, dass Sie mich gut verstehen. Sie werden sehen, dass ich die Wahrheit sage und für eine gute Sache kämpfe, wenn ich die heilige und liebevolle Freiheit des Geistes verteidige, die ich - wie Sie wissen - besonders hochschätze, vorausgesetzt, dass sie die wahre Freiheit ist und sich fern von Zügellosigkeit und von Leichtfertigkeit hält, die ja nur eine Maske der Freiheit ist.“66
Also nicht Zügellosigkeit und Leichtfertigkeit bedeutet diese Freiheit, nicht „Tun und lassen können, was ich will“, sondern eine Freiheit, die sich allein unter das „Muss“ der Liebe beugt. „Liebe, und tu, was du willst“, formulierte der heilige Augustinus (354-430) dieses Zusammenspiel von Gesetz und Freiheit in griffigen Worten.67
Diese Freiheit in Liebe hat Franz von Sales immer verteidigt und all jene kritisiert, die diese Geistesfreiheit missachten. „Es ist immer hart für die Schwestern,“ schrieb er, „von Männern beherrscht zu werden, die die Gewohnheit haben, ihnen die heilige Geistesfreiheit zu nehmen.“68
Diese Geistesfreiheit verteidigte er nicht nur, weil er sich dem Geist des christlichen Humanismus verpflichtet fühlte69 , sondern weil er Gott selbst als einen Gott erfahren hat, der den Menschen diese Freiheit geschenkt hat. Wenn Gott schon den Menschen die Freiheit lässt, dann darf der Mensch den Menschen diese Freiheit nicht wegnehmen. Das Werben Gottes um den Menschen ist vielmehr das Vorbild für den Umgang der Menschen untereinander. Mit Liebe und mit Sanftmut versucht Gott den Menschen für seine Pläne zu gewinnen, nicht mit eisernen Fesseln. Ein Abschnitt aus dem „Theotimus“ macht dies deutlich:
„Gott zieht uns nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns liebevoll an sich durch zarte und heilige Einsprechungen ... Sieh, wie der himmlische Vater uns an sich zieht. Wenn er uns belehrt, lässt er uns Freude daran empfinden; er tut uns keinen Zwang an. Er wirft in unsere Herzen frohe und freudige geistliche Empfindungen, sozusagen als heilige Lockmittel, durch die er uns liebevoll anzieht, die Schönheit seiner Lehre aufzunehmen und zu verkosten. So wird also, liebster Theotimus, unsere Freiheit durch die Gnade keineswegs vergewaltigt oder zu etwas gezwungen. Wie allmächtig auch die Kraft der barmherzigen Hand Gottes ist, die die Seele mit so vielen Einsprechungen, Anregungen und Lockungen rührt, umhüllt und fesselt, der menschliche Wille bleibt doch stets vollkommen frei, ohne einem äußeren oder inneren Zwang zu unterliegen. Die Gnade erfasst ja unsere Herzen so sachte und zieht sie so liebevoll an sich, dass sie in keiner Weise die Freiheit des Willens trübt. Sie berührt machtvoll, zugleich aber so zart das, was unseren Geist bewegt, dass unsere Freiheit keinen Zwang erleidet. Die Gnade besitzt Kräfte, nicht um von unseren Herzen etwas zu erzwingen, sondern um sie liebevoll anzulocken. Ihr wohnt heilige Gewalt inne, uns nicht zu vergewaltigen, sondern unsere Freiheit zu einer liebenden zu gestalten. Sie wirkt kraftvoll, aber zugleich so milde, dass unser Wille unter ihrer so machtvollen Tätigkeit nicht erdrückt wird. Sie drängt uns, unterdrückt aber nicht unser freies Handeln, so dass wir, bei all ihrem kraftvollen Wirken, ihren Regungen zustimmen oder widerstehen können, wie es uns gefällt.“70
Die pädagogischen Konsequenzen dieser Geistesfreiheit liegen auf der Hand und werden gerade dann konkret, wenn wir in unseren Erziehungszielen auf Widerstand stoßen, also wenn das Kind ungehorsam ist, nicht tut, was wir wünschen. Es gibt von Franz von Sales einige Aussagen und Ratschläge, wie der Erzieher sich gerade in solchen Situationen verhalten soll. Ein sehr berühmtes Wort ist das vom Honig und vom Essig: „Man sei immer so sanft wie möglich und bedenke, dass man mit einem Löffel Honig mehr Fliegen herbeilockt als mit hundert Tonnen Essig.“71
Die heilige Johanna Franziska von Chantal hatte manches Mal – wie alle Eltern – Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder. Ihr rät Franz von Sales:
„Wir müssen soweit wie möglich gleich den Engeln an den Seelen wirken, nämlich durch liebevolle, gütige Anregungen und ohne Gewalt ... Man muss dabei [Erziehung der Mädchen] Maß halten. Mit dem Wort ‚liebevolle Beeinflussung’ habe ich alles gesagt.“72
Diese „liebevolle Beeinflussung“ als Erziehungsmethode schließt jedoch den „Tadel“ oder die „Mahnung“ bei begangenen Fehlern nicht aus, gibt ihm jedoch eine besondere Note:
„Wenn man ... mahnt, muss man aber doch, wie Sie wissen, Liebe und Sanftmut walten lassen; denn so erteilte Mahnungen wirken nachhaltiger; andernfalls könnte man diesen ein wenig schwachen Herzen schwer schaden.“73
Oder: „Achten Sie beim Tadeln der Fehler darauf, dass Sie in Ihrem Herzen den schwachen Menschen entschuldigen und den Fehler verkleinern; denn so wirken die Mahnungen am nachhaltigsten. Schließlich muss man dem Nächsten gegenüber Milde bis zum äußersten walten lassen, selbst bis zur Torheit, und darf niemals Vergeltung üben gegen die, welche schlechte Dienste leisten. Glauben Sie mir, wenn wir aus diesem Grund etwas verlieren, wird Gott uns wohl anderswo entschädigen. Wenn man aus einem guten Grund gezwungen ist, jemand ein Unrecht vorzuhalten, soll man gerade nur das sagen, was im vorliegenden Fall nötig ist, und über das Übrige möglichst schweigen. Lassen Sie niemals irgendein Gefühl des Zornes aufkommen, über was auch immer und unter welchem Vorwand und Anschein von Berechtigung auch immer, denn es ist immer eine Unvollkommenheit. Es ist besser, alles zu tun, was möglich ist, und alles mit Gelassenheit und Ruhe aufzunehmen. Das ist dann die hohe Vollkommenheit und fördert die Erbauung.“74
Geist der Freiheit bedeutet weder Zügellosigkeit noch das Ignorieren von Fehlern und Schwächen, vielmehr bedeutet dieser nach Meinung des heiligen Franz von Sales eine Erziehungsmethode, die letztendlich größeren und nachhaltigeren Erfolg bringt als Druck und Strafe.

Der salesianische Pädagoge wird also in seinen Erziehungsmethoden den Geist der Freiheit umsetzen und seine Mahnungen stets mit Sanftmut und Liebe verbinden.

In der „Philothea“ beschreibt Franz von Sales dies mit folgenden Worten und bezieht sich dabei nicht auf die Erziehung anderer, sondern auch auf die Selbsterziehung: „Glaube mir, ruhige und herzliche Ermahnungen des Vaters vermögen ein Kind viel eher zu bessern als Zorn und Wutausbrüche. So ist es auch bei uns. Haben wir einen Fehler begangen, dann mahnen wir unser Herz ruhig und liebevoll, mehr aus Mitleid als in leidenschaftlichem Unwillen; reden wir ihm zu, sich zu bessern, dann wird die Reue viel tiefer ins Herz eindringen und es nachhaltiger beeinflussen als eine verärgerte, zornige und stürmische Reue. Wäre mir z. B. viel daran gelegen, ja nicht durch Eitelkeit zu sündigen, und ich beginge trotzdem einen schweren Fehler dagegen, so würde ich mein Herz nicht etwa so tadeln: ‚Was bist du doch abscheulich und erbärmlich, dass du dich nach vielen Vorsätzen wieder der Eitelkeit ergeben hast! Stirb vor Scham! Erhebe mir nie mehr die Augen zum Himmel, du blindes, schamloses, verräterisches, gegen deinen Gott treuloses Herz ...’ Ich würde ihm vielmehr vernünftig und voll Mitleid zureden: ‚Mein armes Herz, jetzt bist du wieder in die Grube gefallen, die wir zu meiden so entschlossen waren. Lass uns wieder aufstehen und ein für allemal der Eitelkeit entsagen! Rufen wir die Barmherzigkeit Gottes an, vertrauen wir auf sie; sie wird uns helfen, in Zukunft tapferer zu sein. Kehren wir wieder auf den Weg der Demut zurück. Mut! Seien wir von jetzt an recht auf der Hut; mit Gottes Hilfe wird es gehen.’ Auf dieser Selbstermahnung würde ich dann einen festen, kräftigen Entschluss aufbauen, nicht mehr in den Fehler zu fallen und alle Mittel dagegen anzuwenden.“75

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11.  These 10: Salesianische Pädagogik geht von der Lebenswelt des Einzelnen aus, holt die Menschen dort ab, wo sie sind

Franz von Sales war ein Meister der Bildsprache. Er liebte es, schwierige theologische Gedankengänge durch Bilder zu erklären, weil er einfach erkannte, dass dies eine sehr gute Methode ist, seinen Zuhörern, Lesern oder Gesprächspartnern die unterschiedlichsten Themen näher zu bringen. Außerdem war er sich bewusst, dass Gleichnisse und Bilder auch die bevorzugte Methode Jesu waren, um seine Botschaft unter den Menschen verständlich zu machen. Franz von Sales holte mit diesen Bildern die Menschen dort ab, wo sie sich befanden, in ihrer Lebenswelt, und führte sie in einer für sie verständlichen Sprache zu dem, was er erklären wollte.
Wir besitzen ein Dokument des heiligen Franz von Sales, in dem er die Bedeutung der Verwendung von Bildern und Vergleichen zum besseren Verständnis darlegt. Es ist sein „Brief über die Predigt“76 , den er für Erzbischof André Frémyot (1573-1641), dem Bruder von Johanna Franziska von Chantal, verfasste. In diesem Brief finden sich folgende Passagen darüber, wie man am besten predigen soll, damit die Menschen auch wirklich verstehen, was man sagen will. Seine Anregungen können dabei durchaus auf jede Art von Lehre und Erziehung ausgeweitet werden. Franz von Sales stellt sich in seinen Ausführungen die Frage, ob der Prediger „profane Geschichten“, „Geschichten aus der Natur“, „Beispiele“ und „Vergleiche“ verwenden darf. Seine Antworten:
„... wie ist es mit profanen Geschichten? Sie sind gut, aber man muss sie gebrauchen, wie man es mit Pilzen macht: sehr wenig, nur um den Appetit anzuregen; und dann müssen sie gut zubereitet sein; ...“77
„... Und die Geschichten aus der Natur? Sehr gut, denn die Welt, die durch das Wort Gottes erschaffen ist, weckt in all ihren Teilen den Gedanken an dieses Wort; alle ihre Teile singen das Lob des Schöpfers. Sie ist ein Buch, das das Wort Gottes enthält, aber in einer Sprache, die nicht jeder versteht. Die sie durch die Betrachtung verstehen, tun sehr gut daran, sie zu verwenden ...“78
„... Die Beispiele haben eine erstaunliche Kraft und geben der Predigt eine besondere Würze; sie müssen nur passend sein, gut vorgetragen und noch besser angewendet werden. Man muss schöne und glanzvolle Geschichten wählen, sie klar und deutlich vortragen und sie lebensnah anwenden ...“79
„... Es bleibt ein Wort zu sagen über die Vergleiche. Sie haben eine unglaubliche Wirksamkeit, den Verstand zu erleuchten und den Willen zu bewegen. Man entnimmt sie menschlichen Handlungen und geht vom einen zum anderen über; so davon, was die Hirten tun, zu dem, was die Bischöfe und Seelsorger tun müssen, wie es Unser Herr gemacht hat in der Parabel vom verlorenen Schaf (Lk 15,4-7). Man gewinnt sie aus der Naturgeschichte, von Gräsern, Pflanzen und Tieren, aus der Philosophie und schließlich aus allem. Die Vergleiche mit alltäglichen Dingen, geschickt angewendet, sind ausgezeichnet, so wie es Unser Herr in der Parabel vom Samen (Mt 13,3-27) gemacht hat. Vergleiche aus der Naturgeschichte haben zweifachen Glanz, wenn die Geschichte und die Anwendung schön ist, wie jener der Heiligen Schrift (Ps 102,5) von der Erneuerung oder Verjüngung des Adlers mit unserer Buße.“80
Geschichten, Beispiele, Vergleiche sind also hilfreiche Mittel zum besseren Verständnis und geben dem Vortrag auch ein gewisses Maß an Spannung, das das Interesse weckt. Sehr salesianisch allerdings ist, dass Franz von Sales auch hier vor „Übertreibungen“81 warnt – Franz von Sales ist eben stets ein Mann der Mitte:
„Vor allem aber hüte sich der Prediger sehr, von falschen Wundern zu erzählen, lächerliche Geschichten wie bestimmte Visionen, die gewissen Autoren der unteren Ebene entnommen sind, unanständige Dinge, die unser Amt tadelnswert und verächtlich machen könnten.“82
Nicht nur in der Auswahl der verwendeten Materialien soll man also achtsam sein, sondern auch in der Art und Weise wie der Vortrag zu geschehen hat. Offenbar hat er hier einige seiner Prediger ganz konkret vor Augen und gibt uns damit einen Einblick, wie exaltiert zu seiner Zeit oft gepredigt wurde:
„Der Vortrag muss ungezwungen, vornehm, freimütig, natürlich, kraftvoll, heilig, würdevoll und etwas getragen sein. Doch was muss man tun, um den zu haben? Mit einem Wort, man muss mit frommem Eifer sprechen, einfach und unbefangen und mit Zuversicht; man muss von der Lehre überzeugt sein, die man vorträgt, und davon, wovon man überzeugen will. Die höchste Kunst besteht darin, keine Kunstgriffe zu haben. Unsere Worte müssen entflammt sein, nicht durch Schreie und maßlose Aktionen, sondern von innerem Feuer; sie müssen mehr von Herzen kommen als aus dem Mund. Man hat gut reden, aber das Herz spricht zum Herzen, die Zunge spricht nur zu den Ohren. Ich habe gesagt, der Vortrag muss ungezwungen sein, im Gegensatz zu einem bestimmten gekünstelten und gesuchten Vortrag von Pedanten. Ich habe gesagt: vornehm, im Gegensatz zum derben Vortrag mancher, die sich darauf verlegen, mit den Fäusten, den Füßen, mit dem Bauch gegen die Kanzel zu schlagen, die schreien und ein absonderliches Gebrüll veranstalten, und sehr oft an unpassender Stelle. Ich habe gesagt: freimütig, im Gegensatz zu jenen, die einen furchtsamen Vortrag haben, so als sprächen sie zu ihrem Vater, nicht zu ihren Schülern und Kindern. Ich habe gesagt: natürlich, im Gegensatz zu jeder Künstelei und Affektiertheit. Ich habe gesagt: kraftvoll, im Gegensatz zu einem bestimmten leblosen, matten und wirkungslosen Vortrag. Ich habe gesagt: heilig, um die höfische und weltliche Gefallsucht auszuschließen. Ich habe gesagt: würdevoll, im Gegensatz zu bestimmten Leuten, die den Zuhörern so viele Bücklinge machen, so viele Verbeugungen, und dann so viele kleine Mätzchen, indem sie ihre Hände vorzeigen, ihr Chorhemd, und ähnliche unschickliche Aktionen. Ich habe gesagt: etwas getragen, um einen bestimmten hastigen, kurz abgehackten Vortrag auszuschließen, der mehr das Auge ergötzt als an das Herz rührt. Ebenso sage ich von der Sprache, dass sie klar, deutlich und natürlich sein soll, ohne Zurschaustellung griechischer, hebräischer, modischer und höfischer Worte. Der Aufbau soll natürlich sein, ohne Vorrede, ohne Ausschmückung.“83
Was für die Predigt gilt, gilt mit Einschränkungen auch für die Erziehung im allgemeinen. Jeder Unterricht nützt nichts, wenn die Kinder nichts verstehen oder wenn über die Köpfe der Kinder hinweg geredet wird. Daher lehnte Franz von Sales auch alles ab, was „zu hoch“ ist, auch wenn das Mittel „wohl schön“ ist, wie er in einem Brief schreibt: „Ich habe das Lied erhalten, das wohl schön, aber für den Katechismusunterricht zu hoch ist.“84
Der Mensch soll vielmehr dort abgeholt werden, wo er steht, und mit Hilfe von Bildern und Vergleichen aus seiner Lebenswelt weitergeführt werden. Auch dürfte eine zu große Theatralik und Affektiertheit im Unterricht dem Lehren eher hinderlich als förderlich sein.
Neben seinem „Brief über die Predigt“ verfasste Franz von Sales auch „Bestimmungen für die Katechese“85 , die er als Bischof für seine Diözese anordnete. Auch in diesen Bestimmungen wird deutlich, dass Franz von Sales sehr darauf achtet, Mittel und Weg zu finden, damit der Unterricht für die Kinder auch verstehbar wird. Zum Beispiel ordnet Franz von Sales an, dass den Kindern nicht nur Vorträge gehalten werden, die sie dann auswendig zu lernen haben, sondern dass zwischen dem Katecheten und den Kindern ein Gespräch geführt wird, um sie „verständiger und aufmerksamer zu machen“. Dazu gehört auch die Einteilung nach Altersgruppen und eine Zusammenfassung am Ende der Stunde:
„Nachdem diese Kinder das Kreuzzeichen gemacht und die Worte laut gesprochen haben, werden sie den Abschnitt des Katechismus aufsagen, der ihnen angegeben wurde; die einen werden die Fragen stellen, die anderen darauf antworten. Manchmal wird er sie einhalten lassen und sie fragen, was er will, um sie auf diese Weise verständiger und aufmerksamer zu machen. Er wird indessen darauf achten, dass das Gespräch von Dingen handelt, die bereits gesagt wurden. Deshalb werden alle Kinder derselben Ordnung und Klasse am gleichen Platz sitzen, damit er ohne Zeitverlust jedes fragen kann, wie es sich trifft. Und ausgehend von dem, was gesagt wurde, wird er einen kleinen Vortrag halten und eine Zusammenfassung geben, damit alle diese Lehre ihrem Geist besser einprägen können.“86
Franz von Sales gibt noch weitere Anordnungen zur Durchführung des Unterrichts, manche davon entsprechen durchaus modernen pädagogischen Methoden. Den Lehrern etwa spricht er die „volle Freiheit im Unterricht“87 zu und wünscht, dass sie „für gewöhnlich“ nur kleine Gruppen von „vier bis sechs Kindern haben“88 , also kein Frontalunterricht, sondern Kleingruppenunterricht. Auch Belohnungen für die Kinder soll es geben, damit sich die Kinder „immer besser betragen“: „Der Prior wird Belohnungen verteilen an jene, die eifrig und bescheiden waren, wie fromme Bildchen, Rosenkränze, Medaillen und ähnliche Dinge; denn auf diese Weise wird er erreichen, dass sie sich immer besser betragen.“89
Am ungewöhnlichsten dürfte jene Anordnung sein, dass sich die Katecheten zu einer Art Feedbackrunde besuchen sollen: „Ebenso werden alle anderen einander durch irgendeinen der Ihren besuchen, damit ein aufrichtiger Austausch aller Früchte und des geistlichen Nutzens zur größeren Ehre Gottes geschieht.“90

Der salesianische Pädagoge ist also ständig auf der Suche nach Materialien, die bildlich und textlich griffig die Sachverhalte so erklären, dass der Rezipient die ihm zu vermittelnden Sachverhalte auch tatsächlich verstehen kann. Außerdem wird er auf die Art und Weise seines Lehrens besonderes Augenmerk legen, um jene Form zu finden, die am erfolgreichsten ist. Der Rezipient – egal ob Kind oder Erwachsener – und sein Verstehen stehen im Mittelpunkt der salesianischen Pädagogik. Jede Methode, die dem besseren Verstehen hilfreich ist, soll angewendet werden.

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12.  These 11: Salesianische Pädagogik legt Wert auf Bildung

„Die Wissenschaft ist für einen Priester das achte Sakrament der Hierarchie der Kirche.“91 In dieser Aussage des heiligen Franz von Sales, in der er seine Priester „beschwörend“ zum Studium mahnt, kommt pointiert zum Ausdruck, welchen Stellenwert für ihn Bildung im Sinne von Wissensvermittlung bedeutete. Für ihn war Unwissenheit sogar mehr zu fürchten als Bosheit: „Diejenigen von euch, die sich Beschäftigungen widmen, die sie am Studium hindern, machen es wie jene, die entgegen der groben Natur ihres Magens leichte Speisen essen wollen. Daher kommt es, dass er allmählich schwach wird. Ich kann euch in Wahrheit sagen, dass kein großer Unterschied ist zwischen der Unwissenheit und der Bosheit; trotzdem ist die Unwissenheit mehr zu fürchten, weil sie einem nicht nur selbst schadet, sondern bis zur Verachtung des geistlichen Standes führt.“92
Der hohe Stellenwert, den Franz von Sales der Bildung beimisst, hatte zwei Gründe: Zum einen war ihm sehr früh klar, dass eine der Hauptursachen für die Reformation und die dadurch entstandene Abspaltung von der katholischen Kirche in der mangelnden Ausbildung des katholischen Klerus und die damit verursachte mangelnde Bildung des Volkes lag: „Daher hat unser erbärmliches Genf uns überrumpelt, als es merkte, dass wir infolge unseres Müßiggangs nicht auf der Hut waren und uns damit begnügten, einfach unser Brevier zu beten, ohne daran zu denken, gelehrter zu werden.“93
Wer keine Ahnung von einem Sachverhalt hat, der lässt sich leichter etwas darüber erzählen und kann nicht beurteilen, ob das, was man ihm erzählt, der Wahrheit entspricht oder nicht. Wie soll also ein einfacher Christ beurteilen können, was von der Lehre wahr oder falsch ist, wenn er selbst keine Ahnung von dieser Lehre hat, und vor allem,94 wenn ihm nicht einmal die für ihn zuständigen Seelsorger aufgrund mangelnder Bildung erklären können, was richtig und was falsch ist. Eine salesianische Pädagogik beschränkt sich daher nicht auf Wertevermittlung, sondern muss auch Wissensvermittlung zum Ziel haben.
Er selbst hat daher als Bischof besonderen Wert darauf gelegt, dass seine Priester eine gute Ausbildung erhalten: „Da mich die göttliche Vorsehung ungeachtet meiner Unfähigkeit zu eurem Bischof bestellt hat, fordere ich euch auf, alles Gute zu studieren, damit ihr gelehrt und durch guten Lebenswandel untadelig und fähig seid, allen Antwort zu geben, die euch über Dinge des Glaubens fragen.“95
Franz von Sales hat niemanden zum Priester geweiht, der nicht ein theologisches Examen zu seiner Zufriedenheit abgelegt hat.96
Daran änderte sich auch nichts, als adelige Herrschaften von ihm verlangten, irgendwelche Söhne oder Verwandte zum Priester zu weihen, damit diese durch die Pfarrpfründe versorgt wären.
„Diese unbeugsame Haltung trug dem Bischof natürlich nicht selten heftigen Groll und hartnäckige Feindschaft ein,“ schreibt Etienne-Jean Lajeunie. „Schon bei seiner ersten Weihehandlung erntete er Grobheiten von einem Bewerber aus berühmtem Adelsgeschlecht.“ Dennoch ließ sich Franz von Sales von seiner eingeschlagenen Linie nicht abbringen. Wer zum Priester geweiht werden wollte, musste das entsprechende theologische Wissen vorweisen können. Sein Plan eines Priesterseminars in seiner Diözese, das für die notwendige Ausbildung sorgen sollte, konnte er leider aus Geldmangel nicht verwirklichen, ein angestrebtes Ziel von ihm war es allerdings.97
Ein anderer Grund für den hohen Stellenwert der Wissenschaft findet sich in der Zeit des Humanismus des 16. Jahrhunderts, eine Zeit, in der die Philosophen des Altertums neu entdeckt wurden und sich die Wissenschaften selbst unter der Bevölkerung gegenüber der Theologie emanzipierten.98
Der Fall Galileo Galilei (1564-1642) stand zu dieser Zeit in Rom gerade auf der Tagesordnung99 , in dem es ein Wissenschaftler wagte, der Ansicht der Kirche in naturwissenschaftlichen Fragen zu widersprechen. Auch hier zeigte sich, dass die Kirche einen Fehler machte, weil sie sich zu wenig mit den Wissenschaften auseinandersetzte und einfach die Menschen zwang, wider besseren Wissens zu glauben, was die Kirche verlangte.100
Franz von Sales gründete darum zusammen mit seinem langjährigen Freund und Senatspräsidenten von Savoyen, Antoine Favre (1557-1624), die „Académie florimontane“101 , in der angesehene Gelehrte und Wissenschaftler zusammenkommen sollten, um dem Geist des Humanismus in christlicher Weise zu entsprechen.

Für den salesianischen Pädagogen ist also Wissensvermittlung keine Nebensache, sondern ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Werteerziehung. Bildung gehört zu einem ganzheitlichen Menschsein dazu. Für Franz von Sales war klar: Damit ein Mensch wirklich zwischen gut und böse, wahr oder falsch unterscheiden kann, braucht er ein entsprechendes Wissen.

Dies versuchte er selbst durch seine Predigten, Katechismusunterricht, Briefe und sonstigen Schriften auf theologischem Gebiet102 und durch die „Académie florimontane“ auf dem allgemeinwissenschaftlichen Gebiet in seiner Diözese zu verwirklichen.
Er selbst hat wenigstens zwei Stunden täglich dem Studium gewidmet. In seiner „bischöflichen Lebensregel“, die er sich vor seiner Bischofsweihe gab, heißt es über das Studium: „Er [Franz von Sales] wird es in dieser Weise machen, dass er jeden Tag etwas lernen kann, was indessen nützlich und seinem Beruf dienlich ist. Gewöhnlich wird er für das Studium die zwei Stunden zwischen 7 und 9 Uhr morgens zur Verfügung haben.“103 Was er seinen Priestern vorschrieb, praktizierte er also auch selbst.
Wer sich Franz von Sales als Vorbild nimmt, der wird dementsprechend die persönliche Fortbildung als wichtiges Element seines Berufes schätzen und in die Tat umsetzen.

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13.  These 12: Salesianische Pädagogik ist eine betende Pädagogik

Das Gebet spielte im Leben des heiligen Franz von Sales natürlich eine wesentliche Rolle.104 Für ihn war es die selbstverständliche Folge seiner Gottesbeziehung. Wenn ich an einen Gott glaube, der mich liebt, dann werde ich mit ihm entsprechend kommunizieren. Diese Kommunikation zwischen dem geliebten Gott und dem liebenden Menschen ist das Gebet. Der ganze Tag soll nach ihm vom Gebet begleitet sein. Neben den ganz normalen Gebetszeiten am Morgen, zu Mittag, am Abend, beim Gottesdienst empfiehlt Franz von Sales, sich immer wieder durch Stoßgebete oder „Herzensgebete“, wie er es nennt, an Gott zu wenden:
„Erhebe dich also oft zu Gott durch kurze, feurige Herzensgebete. Bewundere seine Schönheit, bitte ihn um Hilfe, ... bete seine Güte an, befrage ihn oft über dein Seelenheil, schenke ihm deine Seele von neuem, richte deine Augen auf seine Liebe. Reiche ihm die Hand, wie ein Kind dem Vater, dass er dich führe; lege ihn auf dein Herz, wie einen Blumenstrauß; richte ihn in deiner Seele auf wie eine Standarte und halte dein Herz in Bewegung, so gut du nur kannst, damit du ihm die Liebe zu Gott einflößen und eine lebhafte, zärtliche Liebe zum göttlichen Bräutigam in ihm zu wecken vermagst.“105
Gerade in seinen Aussagen über das Gebet zeigt sich die tiefe mystische Ader des Heiligen. Alles in seinem Leben soll Gebet werden, da Gott immer gegenwärtig ist, und die Liebe stets nach Vereinigung strebt und nach Kommunikation und Kontakt verlangt.
Im Zusammenhang mit der salesianischen Pädagogik hat dies nicht nur die Konsequenz, den Kindern eine solch lebendige Gottesbeziehung deutlich zu machen, damit sie Gottes Spuren im Alltag entdecken und entsprechend darauf Antwort geben können (Siehe These 6), sondern dass es für den salesianischen Pädagogen zur Selbstverständlichkeit wird, seine Arbeit und seine ihm anvertrauten Kinder in sein eigenes Beten hineinzunehmen. Der salesianische Pädadoge betet für seine Kinder und dafür, dass er mit Gottes Hilfe seine verantwortliche Aufgabe gut erfüllt.
Franz von Sales war nicht nur von der Kraft des Gebetes überzeugt, sondern auch davon, dass nur derjenige, der in ständigem Gespräch mit Gott steht, auch wirklich in seinen Aufgaben erfolgreich sein kann. Das Gebet behindert den Menschen nicht bei seiner Aufgabe, im Gegenteil es bringt diese zu Vollendung, da der Beter sein Leben ganz in Gottes Hand legt.
Wörtlich schreibt Franz von Sales in der „Philothea“: „Wenn unser Geist ständig vertraulich und innig mit Gott verkehrt, dann wird er ganz vom Duft göttlicher Vollkommenheit durchdrungen werden. Diese Übung ist bestimmt nicht schwer. Man kann sie in alle Arbeiten und Beschäftigungen einflechten, ohne diesen irgendwie zu schaden; denn wie bei der geistlichen Einsamkeit wendet man sich bei diesen Stoßgebeten nur kurz von seiner Arbeit ab; sie wird dadurch nicht gestört, sondern vielmehr gefördert. Der Wanderer bleibt wohl einen Augenblick stehen, wenn er einen Schluck Wein nimmt, um Herz und Mund zu erfrischen; dadurch unterbricht er aber keineswegs seine Reise, sondern holt sich nur Kraft, um rascher und besser ausschreiten zu können.“106
In der Vorbereitung auf den Tag, jener halben Stunde am Morgen also, in der ich mich bewusst zurückziehe, um mit Gott den Tag zu besprechen, rät er daher zu überlegen, welchen Menschen ich an diesem Tag höchstwahrscheinlich begegnen werde und er empfiehlt für diese Menschen zu beten, dass die Begegnungen des Tages gut verlaufen:
„1. Bete Gott an und danke ihm für die Gnade, dass er dich in der vergangenen Nacht erhalten hat ... 2. Denke daran, dass der gegenwärtige Tag dir gegeben wurde, damit du durch ihn die Ewigkeit gewinnest. Nimm dir fest vor, den Tag dafür gut zu nützen. 3. Überlege im Voraus, welche Arbeiten, Geschäfte und Gelegenheiten dir an diesem Tag begegnen werden, Gott zu dienen, welche Versuchungen wohl kommen können, ihn durch Zorn, Eitelkeit oder andere Verfehlungen zu beleidigen. Bereite dich durch einen heiligen Entschluss vor, die sich bietenden Möglichkeiten, Gott zu dienen und in der Frömmigkeit voranzukommen, gut zu nützen; nimm dir vor, alles zu vermeiden, zu bekämpfen und zu überwinden, was mit deinem Seelenheil und Gottes Ehre nicht vereinbar ist. Es genügt aber nicht, diesen Entschluss zu fassen; man muss auch die Mittel vorbereiten, ihn zu verwirklichen. Sehe ich z.B., dass ich mit einem leidenschaftlichen, zornmütigen Menschen zu tun haben werde, dann will ich mir nicht nur vornehmen, alles zu vermeiden, was ihn reizen könnte, sondern ich werde auch meine Worte überlegen, um ihm zuvorzukommen, oder auch nachdenken, wen ich beiziehen könnte, um ihn zu besänftigen ... Das Gleiche gilt auch für andere Gelegenheiten und Möglichkeiten ... Rufe auch Unsere liebe Frau an, deinen Schutzengel und die Heiligen, damit sie dir dabei helfen. Alle diese geistlichen Affekte sollen aber kurz und lebendig vollzogen werden; nach Möglichkeit, bevor du aus deinem Zimmer gehst, damit durch diese Übung alles von Gottes Segen befruchtet sei, was du tagsüber tust. Ich bitte dich, sie niemals zu unterlassen.“107
Konkret wird also der salesianische Pädagoge am Beginn des Tages darüber nachdenken, was er an diesem Tag vorhat, wem er begegnen wird, welche Schülerinnen oder Schüler er besonderes Augenmerk schenken muss ... und er wird für diese beten. Sehr salesianisch ist dabei die Zuhilfenahme der Schutzengel, von deren Existenz der heilige Franz von Sales felsenfest überzeugt ist.108
So rät Franz von Sales: „Mit den Engeln musst du ganz vertraut werden. Betrachte sie oft, wie sie deinem Leben unsichtbar zur Seite stehen. Liebe und verehre den Schutzengel deines Bistums, die Schutzengel der Menschen, mit denen du zusammenlebst, besonders aber deinen eigenen. Bete oft zu ihnen, preise sie, nimm ihren Beistand in Anspruch in deinen geistlichen und zeitlichen Anliegen, damit sie nach deinen Wünschen mit dir wirken.“109
Dann erzählt er die Geschichte des Jesuiten und Heiligen Petrus Faber (1506-1546), der sich die Schutzengel zu Hilfe nahm, um gerade mit schwierigen Situationen – in diesem Fall Häretikern - fertig zu werden:
„Der große Petrus Faber, der erste Priester, Prediger und Lektor der Theologie der Gesellschaft Jesu, der erste Gefährte des hl. Ignatius, kam einmal von Deutschland her, wo er zur Ehre Gottes Großes geleistet hatte, durch sein Heimatbistum und erzählte, dass er auf der Reise durch häretische Orte immer die Schutzengel jeder Pfarrgemeinde begrüßte und dadurch viel Trost empfing. Er habe förmlich gefühlt, wie sie ihm halfen, ihn gegen die Anschläge der Häretiker zu schützen und viele Seelen für die Heilslehre empfänglich und gelehrig zu stimmen.“110
Am Abend wird der salesianische Pädagoge dann noch einmal vor Gott hintreten und über den vergangenen Tag nachdenken:
„1. Danke Gott, dass er dich diesen Tag erhalten hat. 2. Prüfe dein Verhalten während des ganzen Tages. Um dies leichter zu können, überlege, wo und bei wem du warst, womit du dich beschäftigt hast. 3. Glaubst du etwas Gutes getan zu haben, so danke Gott. Hast du aber in Gedanken, Worten oder Werken gesündigt, dann bitte die göttliche Majestät um Verzeihung und nimm dir vor, es bei der nächsten Gelegenheit zu beichten und dich gründlich zu bessern. 4. Dann empfiehl der göttlichen Vorsehung deinen Leib und deine Seele, die Kirche, die Eltern und Freunde. Bete zu Unserer lieben Frau, zum Schutzengel und zu den Heiligen, dass sie über dich und für dich wachen mögen. Bitte Gott um seinen Segen und begib dich zur Ruhe, die uns nach seinem Willen notwendig ist. Diese Übung darf man nie vergessen, ebenso wenig wie die Morgenübung. Durch die eine öffnen wir die Augen unserer Seele der Sonne der Gerechtigkeit, durch die andere schließen wir sie vor der Finsternis der Hölle.“111

Eine salesianische Pädagogik wird ohne eine persönliche Gottesbeziehung, die sich auch im Gebet ausdrückt, wenn überhaupt nur sehr schwer realisierbar sein. Alle oben genannten Thesen haben ja diesen persönlichen Gott der Liebe, zu dem Franz von Sales in seiner Krise von Paris gefunden hat, zur Grundlage. Eine salesianische Pädagogik ist eine zutiefst betende Pädagogik, eine Pädagogik, die um den persönlichen Gott weiß, in dessen liebender Gegenwart all unser Handeln geborgen ist, und die auch die zu erziehenden Menschen dieser liebenden Obhut im Gebet anvertraut.

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14.  Schluss: Kindsein mit den Kindern

In zwölf Thesen habe ich versucht, einen Überblick über die Lehre des heiligen Franz von Sales und seine mögliche Bedeutung für das pädagogische Handeln zu geben. Ob sich diese Thesen für die praktische Erziehungsarbeit als brauchbar erweisen, kann ich nicht beurteilen, da ich selbst keinen pädagogischen Beruf ausübe. Ich hoffe jedoch, mit meinen Thesen soviel Interesse geweckt zu haben, dass sich Lehrer und Erzieher vor allem in Bildungseinrichtungen salesianischer Ordensgemeinschaften damit auseinandersetzen.
Zum Schluss möchte ich zwei Worte des heiligen Franz von Sales zitieren, die noch einmal helfen können, das Interesse für eine salesianische Pädagogik zu wecken. Das eine Zitat handelt vom Ziel des Predigers, und ich denke, Franz von Sales hat nichts dagegen, wenn es auf das Ziel aller Pädagogen ausgeweitet wird. Er schreibt:
„Was ist also das Ziel des Predigers [Pädagogen], wenn er predigt [erzieht]? Sein Ziel und seine Absicht muss sein, das zu tun, was zu tun Unser Herr in diese Welt gekommen ist; darüber hat er selbst (Joh 10,10) gesagt: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in überreichem Maß haben.“112
Es geht also um das Leben, und nicht nur um irgendein Leben, sondern das Leben in überreichem Maß oder das Leben in Fülle, wie heute in der Einheitsübersetzung der Bibel formuliert ist. Alles, was Franz von Sales anordnete und praktizierte, diente diesem Ziel: den Menschen das Leben in Fülle zu ermöglichen, es sollte auch das Ziel eines jeden pädagogischen Handelns sein.
Das zweite Zitat präsentiert den Franz von Sales von seiner ganz persönlichen Seite. Es stammt aus einem Brief, den er an Johanna Franziska von Chantal geschrieben hat. Ihr allein gegenüber wagte er ja, sein Innerstes zu öffnen. Ihr schrieb er seine Sorgen und Probleme, seine Ängste und auch seine ganz wenigen Glaubensnöte. Allerdings berichtete er natürlich auch von so mancher Freude und Fröhlichkeit, die er erleben durfte. Folgendes Zitat berichtet nun von einem Erlebnis, das Franz von Sales mit den Kindern hatte, während er ihnen Katechismusunterricht erteilte. Es schildert uns den liebenswürdigen Heiligen in seiner Bestform:
„Was soll ich Ihnen nun sagen?“, schreibt er an Johanna Franziska von Chantal, „Ich komme gerade vom Katechismusunterricht, wo wir heute mit unseren Kindern ein wenig übermütig waren und damit die Anwesenden zum Lachen brachten, indem wir uns über Masken und Bälle lustig machten. Denn ich war recht gut aufgelegt und eine große Zuhörerschaft ermutigte mich durch ihren Beifall, auch weiterhin Kind mit den Kindern zu sein. Man sagt, das stünde mir gut an, und das glaube ich auch.“113
„Kind mit den Kindern sein“ ... Vielleicht ist dies das Urgeheimnis, das Franz von Sales in seiner pädagogischen Seelsorge so erfolgreich machte, sein völliges Eingehen auf die Menschen, mit denen er es zu tun hatte. Und wir können uns gut vorstellen, wie diese Kinder sich um ihn scharten, mit ihm lachten, aber auch bereit waren, das zu lernen und anzunehmen, was er ihnen im Katechismusunterricht beibrachte.
Natürlich war sich Franz von Sales auch der Probleme bewusst, die einem Pädagogen begegnen können. Hierin aber vertraute er ganz dem göttlichen Beistand. Gott möge uns „väterlich-mütterliche Gefühle [schenken], damit es uns nicht anwidert, diesen Kindern bei all ihren Kindereien beizustehen.“114 Diesem Wunsch ist nichts mehr hinzuzufügen.


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15.  Anmerkungen

1 In den Satzungen der Oblaten des hl. Franz von Sales heißt es zum Beispiel: „Seit ihren Anfängen haben die Oblaten gearbeitet in der christlichen Erziehung der Jugend; Pater Brisson [der Ordensgründer] sagte zu den Oblaten: Die Schule ‚ist eine Verpflichtung eurer Berufung; die christliche Unterweisung der Jugend steht am Beginn unserer Satzungen.’“ (Unsere Sendung. Satzungen der Oblaten des hl. Franz von Sales, Eichstätt 1991, Nr. 13, S. 20). Im Vierten Teil dieser Satzungen findet sich ein eigener Abschnitt über „Die Erziehung der Jugend“ (Ebd. Nr. 192-198, S. 89-92). zurück

2 Der hl. Johannes Bosco (1815-1888) gründete 1846 die Don Bosco Salesianer; Louis Brisson (1817-1908) gründete zusammen mit der hl. Leonie Aviat (1844-1914) 1866 die Oblatinnen des hl. Franz von Sales und mit Maria Salesia Chappuis (1793-1875) 1875 die Oblaten des hl. Franz von Sales; Pierre Marie Mermier (1790-1862) gründete 1838 die Missionare des hl. Franz von Sales. zurück

3 Band 1 der Deutschen Ausgabe der Werke des hl. Franz von Sales, 12 Bände, Eichstätt 1959-1983. Im Folgenden zitiert: DASal Bandnummer, Seitenzahl. zurück

4 Vgl. DASal 1,25. zurück

5 Zum Beispiel: Erich Hehberger, Voraussetzungen und Prinzipien der religiösen Bildung bei Franz von Sales, Eichstätt 1972. Oder auch folgende Beiträge, die im Jahrbuch für salesianische Studien (JBSalStud), hg. v. der Arbeitsgemeinschaft für salesianische Studien, in Eichstätt erschienen sind: Angela Hämel-Stier, Franz von Sales und die Jugend, in: JBSalStud 6 (1968), S. 96-115; Viviane Mellinghoff-Bourgerie, Das religionspädagogische Konzept François de Sales im Kontext der humanistischen Pädagogik, in: JBSalStud 24 (1991), S. 4-42; Louis Comte, Eine Pädagogik, die in der Liebe wurzelt. Erziehung und Unterweisung bei Franz von Sales, in: JBSalStud 12 (1974), S. 61-72. zurück

6 Angela Hämel-Stier, Franz von Sales und die Jugend, in: JBSalStud 6 (1968), S. 103. zurück

7 Vgl. zur Krise von Paris die Ausführungen von Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, Leben – Lehre – Werk, Eichstätt, 21980, 2. Kapitel: Seelenkämpfe in Paris, S. 41-59, besonders S. 56ff. zurück

8 DASal 11,329. zurück

9 Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 58. zurück

10 Die deutsche Fassung des kirchenamtlichen Dekrets „Urbis et Orbis“, in dem Franz von Sales zum Kirchenlehrer erklärt wurde, ist veröffentlicht in: JBSalStud 14 (1977) S. 127-130. Eine jüngste Veröffentlichung findet sich auch in: Internationale Kommission für salesianische Studien (Hg.), Salesianisch Leiten, Eichstätt 2002, S. 34-37. zurück

11 DASal 3 und 4. zurück

12 Zur Entstehung der „Abhandlung über die Gottesliebe“ vgl. die Ausführungen von Franz Reisinger in: DASal 4,319-322. zurück

13 Vgl. zum Thema „Leid“: Herbert Winklehner, Die Frage nach dem Leid im Kontext salesianischer Antworten, JBSalStud 27 (1994) S. 80-132. zurück

14 DASal 3,225. zurück

15 DASal 3,222. zurück

16 DASal 3,225. zurück

17 Vgl. DASal 4,168. zurück

18 DASal 1,257. zurück

19 DASal 4,254. zurück

20 DASal 1,38. zurück

21 DASal 1,38. zurück

22 DASal 12,152-163. zurück

23 DASal 12,12-18. zurück

24 DASal 12,402-415. zurück

25 Vgl. DASal 1,37f. zurück

26 Vgl. DASal 1,107-110. zurück

27 Vgl. Reinhold Stecher, Man erzieht durch das, was man ist. Wertverankerung als Ziel der Lehrberufe, in: Ordensnachrichten 41 (2002) Heft 2, S. 27-34. zurück

28 Reinholf Stecher, Man erzieht durch das, was man ist, S. 34. zurück

29 Vgl. dazu Irene Beck, Franz von Sales und C. G. Jung. Aktuelle psychologische Aspekte der salesianischen Theologie, JBSalStud 7 (1969) S. 5-16; Johannes Haas, Anna Terruwe – Franz von Sales. Ansätze für einen fruchtbaren Dialog, JBSalStud 26 (1993) S. 129-158. zurück

30 Vgl. dazu Ludwig Königbauer, Das Menschenbild bei Franz von Sales, Regensburg 1955, S. 68-88; DASal 3,79-82; oder Anton Nobis, Das Gebet in der Lehre und Seelsorge des hl. Franz von Sales, in JBSalStud 6 (1968) S. 35-48, besonders S. 45f. zurück

31 DASal 1,163f. zurück

32 DASal 1,164. zurück

33 Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, Düsseldorf 1981, S. 52. zurück

34 DASal 4,198f. zurück

35 DASal 2,310. zurück

36 DASal 12,342. zurück

37 Vgl. DASal 5,178; DASal 8,81 (Kommentar von Franz Reisinger: „Noch ein anderes Heiligtum zieht ihn an: das Kloster der hl. Franziska Romana, deren Leben und Klosterregel ihn bei der Gründung der Heimsuchung inspirieren werden.“). zurück

38 DASal 5,361. zurück

39 DASal 5,358. zurück

40 DASal 12,74-87. zurück

41 DASal 12,75. zurück

42 Vgl. Johannes Bosco, Die Pädagogik der Vorsorge in der Jugenderziehung, in: JBSalStud 6 (1968) S. 142-148. zurück

43 Vgl. DASal 4,120. zurück

44 DASal 1,73. zurück

45 DASal 2,183f. zurück

46 DASal 12,403f. zurück

47 Vgl. etwa die Methode des Schmidt-Collegs in Bayreuth: Josef Schmidt, Hilmar Wollner, Zeitsouveränität. Der Weg zur modernen Zeit- und Lebensplanung, Josef Schmidt Verlag, 31993. zurück

48 DASal 6,43. zurück

49 DASal 2,286. zurück

50 DASal 1,134f. zurück

51 Vgl. zu den „kleinen Tugenden“: Hans Angleitner, Die „kleinen Tugenden“ bei Franz von Sales nach Philothea, Theotimus und Briefen, in: JBSalStud 16 (1980) S. 89-147. zurück

52 DASal 6,41. zurück

53 DASal 5,96. zurück

54 DASal 1,135. zurück

55 DASal 1,38. zurück

56 Vgl. Markus Bräuer, Machen Sie nicht soviel Krach! in: MINI’97, Taschenkalender für Ministrantinnen & Ministranten und junge Christen, hg. v. den Oblaten des hl. Franz von Sales, Eichstätt 1996, S. 128-131. zurück

57 Vgl. Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, Düsseldorf 1981, S. 49-52. zurück

58 Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, Düsseldorf 1981, S. 53. zurück

59 Am 11. September 2001 traf ein bis dahin beispielloser Terroranschlag die Vereinigten Staaten von Amerika. Zwei Passagierflugzeuge wurden von Terroristen in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York gesteuert, ein Flugzeug traf das Pentagon in Washington und ein weiteres Passagierflugzeug, das wahrscheinlich auf das Weiße Haus stürzen sollte, wurde von den Passagieren zum Absturz gebracht, als diese begriffen, welchen Plan die Flugzeugentführer verfolgten. Vgl. Paul Auster (Hg.), Dienstag, 11. September 2001, Reinbek 2001. zurück

60 DASal 4,168. zurück

61 Im V. Buch des „Theotimus“ beschäftigt sich Franz von Sales ausführlich mit dem Wohlgefallen und dem Wohlwollen Gottes, die er die beiden Haupttätigkeiten der göttlichen Liebe nennt (Vgl. DASal 3,234-269). zurück

62 DASal 1,230. zurück

63 DASal 5,58. zurück

64 Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 485-488. zurück

65 DASal 5,58. zurück

66 DASal 5,114f. zurück

67 Augustinus, VI. Predigt zum 1. Johannesbrief. zurück

68 DASal 5,348f. zurück

69 Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 618f. zurück

70 DASal 3,129f. zurück

71 Zitiert nach: Jean Pierre Camus, Vom Geist der Heiligkeit, Mainz 1956, S. 18. zurück

72 DASal 5,59f. zurück

73 DASal 5,255. zurück

74 DASal 5,403. zurück

75 DASal 1,133. zurück

76 DASal 12,29-49. zurück

77 DASal 12,34. zurück

78 DASal 12,34. zurück

79 DASal 12,39. zurück

80 DASal 12,40. zurück

81 Vgl. DASal 1,184. zurück

82 DASal 12,35. zurück

83 DASal 12,46f. zurück

84 DASal 5,136. zurück

85 DASal 12,71-73. In der Einführung zu diesem Text heißt es: „In den Synodal-Konstitutionen 1603 wurden die Pfarrer zum Katechismus-Unterricht verpflichtet, der vom Konzil von Trient zwar vorgeschrieben, aber noch nicht durchgeführt war. Darüber hinaus gründete Franz von Sales eine eigene Bruderschaft von Laien, mit einem Prior und verschiedenen Ämtern, bestellte einen Priester als Diözesanbeauftragten für die Katechese und führte ein ‚Fest des Katechismus‘ ein, das er am 11. Januar 1604 zum erstenmal feierte. In Annecy hat er selbst zwei Jahre die Katechese mit großem Erfolg gehalten“ (Ebd. S. 71). zurück

86 DASal 12,73. zurück

87 DASal 12,72. zurück

88 DASal 12,72. zurück

89 DASal 12,73. zurück

90 DASal 12,73. zurück

91 DASal 12,104. zurück

92 DASal 12,104. zurück

93 DASal 12,104. zurück

94 Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 337. zurück

95 DASal 12,105. zurück

96 Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 336f. Gleiches galt natürlich auch für die Besetzung von Pfarrstellen. Niemand wurde von Franz von Sales als Pfarrer eingestellt, der „auf notorische Weise unwürdig war, und niemand, mochte er sich auch noch so hoher Protektion erfreuen, gelangte ohne Konkurs zu einem Amt“ (Ebd. S. 337). zurück

97 Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 387f. Vgl. auch: Johannes van Duijnhoven, Die Sorge für den Seelsorger. Bemühungen des hl. Franz von Sales um die Ausbildung und Fortbildung der Priester, in: JBSalStud 3 (1965) S. 33-47. zurück

98 Vgl. Helmut Hatzfeld, Christlicher, heidnischer und frommer Humanismus im Frankreich des 16. Jahrhunderts, in JBSalStud 25 (1992) S. 45-65. zurück

99 Galileis Eintreten für Kopernikus veranlasste die Index-Kongregation 1616 ein Dekret zu erlassen, welches verbot, das kopernikanische System als Wahrheit – nicht als bloße Hypothese – zu verbreiten. Da Galilei nicht einlenkte, wurde ihm der Prozess gemacht und er selbst 1633 zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt, die später in Hausarrest umgewandelt wurde. Vgl. dazu: Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 392. zurück

100 Franz von Sales war zwar nicht mit dem Fall Galilei befasst, allerdings mit dem Fall „Baranzano“, der ähnlich wie Galilei das heliozentrische Weltbild des Kopernikus vertrat und ebenso heftig kritisiert wurde. „In dieser Sache“, so schreibt Lajeunie, „stellt sich Franz von Sales mutig hinter Baranzano“, und schließt mit den Worten: „Wir sind jedenfalls glücklich, den hl. Franz von Sales in diesem erregenden Streit auf der richtigen Seite der theologischen Barrikade zu finden.“ (Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 392f). zurück

101 Vgl. Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales, S. 388f. zurück

102 Vgl. Franz Wehrl, Franz von Sales zwischen den Fronten, Eichstätt 2000, S. 313-315. zurück

103 DASal 12,15. zurück

104 Eine ausführliche Darstellung über die Bedeutung des Gebetes bei Franz von Sales findet sich bei Anton Nobis, Das Gebet in Lehre und Seelsorge des hl. Franz von Sales, Teil 1: in JBSalStud 6 (1968) S. 19-55; Teil 2: in JBSalStud 7 (1969) S. 19-73; Teil 3: in JBSalStud 8 (1970) S. 21-122. Vgl. auch die „Einführung“ von Gottfried Prinz in: Franz von Sales, Du bist der Gott meines Herzens. Gebete, Eichstätt 1998, S. 7-21. zurück

105 DASal 1,86. zurück

106 DASal 1,86. zurück

107 DASal 1,82. zurück

108 Vgl. Anton Nobis, Das Gebet in der Lehre und Seelsorge des hl. Franz von Sales, in: JBSalStud 8 (1970) S. 39f. zurück

109 DASal 1,93. zurück

110 DASal 1,93. zurück

111 DASal 1,83. zurück

112 DASal 12,31f. zurück

113 DASal 5,139. zurück

114 DASal 5,303. zurück


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