PREDIGT zum Gedenktag von Johanna Franziska von Chantal - 12. Dezember

(Lk 13,10-17)

Liebe Schwestern und Brüder,

Löschen! Es gibt Situationen im Leben, wo man sich genau das wünscht. Etwas soll ungeschehen gemacht werden; man möchte die Zeit zurückdrehen und alles anders machen, um noch einmal und neu und besser anfangen zu können. Lebensüberdruss nennt man das, Lebensmüdigkeit, Depression, Finsternis, böse Traurigkeit.

Jemand, der an Gott glaubt, fragt in solchen Situation natürlich auch Gott: Wo war Gott in allem? Wie konnte er das zulassen? Wo ist er denn, der „liebe“ Gott, jetzt, wo ich ihn so notwendig brauche? Gibt es ihn überhaupt? Glaube ich an den richtigen Gott oder wär’s nicht besser, an einen bösen Gott zu glauben, an den gleichgültigen Tyrannen, der sich nicht darum schert, was hier auf der Welt und in meinem Leben geschieht.

„Dort saß eine Frau, die seit 18 Jahren krank war, weil sie von einem Krankheitsgeist geplagt wurde. Ihr Rücken war verkrümmt. Sie konnte nicht mehr aufrecht gehen.“ So haben wirs im Evangelium gehört. Solche verkrümmte Menschen sind auf dieser Welt gar nicht so selten. Der verkrümmte Mensch, der unter der Last des Lebens zusammengesunken ist und nicht mehr weiß, wie er aufrecht gehen soll – körperlich genauso wie seelisch.

Wir feiern heute den Gedenktag der hl. Johanna Franziska von Chantal, die Freundin des hl. Franz von Sales, die in ihrem Leben ebenfalls eine Menge durchmachen musste: Ihre Mutter starb, als sie gerade mal ein Jahr alt war. In der Kindheit wurde sie herumgeschoben und erlebt nicht die Liebe, die ein Mensch gerade beim Heranwachsen braucht. Dann mit 20 Jahren geschieht ein Wunder: Sie wird einem Mann vermählt, in den sie sich verliebt und der sich in sie verliebt. Endlich fühlt sie sich wirklich geborgen und angenommen und ihr Traum von Familie und Zuhause beginnt Wirklichkeit zu werden. Ihre beiden ersten Kinder sterben gleich nach der Geburt, vier Kinder – ein Sohn und drei Töchter – kommen gesund auf die Welt. Kurz nach der Geburt des jüngsten Kindes beschließt der Ehemann, seinen Dienst am französischen Königshof aufzugeben, um ganz für die Familie dasein zu können. Dies geschieht auch. Der Traum der Johanna Franziska vom großen Familienglück schien perfekt, da kommt es zur Katastrophe: Ihr Ehemann kommt bei einem Jagdunfall ums Leben. Damit bricht für Johanna Franziska eine Welt zusammen. Die verkrümmte Frau wird in ihrem Leben Wirklichkeit.

Löschen, noch einmal Anfangen, und wo ist Gott in allem? Bin ich verflucht? Gibt es überhaupt einen Gott?

Im März 1604 kommt es dann zur Begegnung mit dem Bischof Franz von Sales. Es ist wie die Begegnung zwischen Jesus und der Frau im Evangelium. Da ist jemand da, der mir zuhört, der mich in meinem Leiden ernst nimmt, der mir sagt: alles wird gut, nur nicht den Mut verlieren – gehen sie nur Schritt für Schritt voran. Sie können wieder aufrecht gehen, Sie sind von ihrem Leiden erlöst. Du darfst so sein, wie du bist. Du darfst dich angenommen fühlen, trotz deiner Ecken und Kanten, trotz deiner Leiden und Dunkelheiten, und nicht nur von mir, sondern vor allem von Gott, der dich liebt und möchte, dass du glücklich wirst, auch wenn es momentan nicht gerade danach aussieht. Und mit Johanna Franziska geschieht das, was uns der Profet Jesaja in der heutigen Lesung verkündet hat:

Die Wüste beginnt zu blühen, die Hände werden stark, die Knie fest, Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein. Inmitten der Finsternis beginnt ein Licht zu leuchten.

Stellvertretend für uns alle werde ich jetzt eine Kerze am Altar anzünden, damit es ein wenig heller wird, so wie es im Leben der verkrümmten Frau und im Leben von Johanna Franziska von Chantal schließlich nach Jahren des Leidens heller geworden ist. Genau das wäre auch das tiefste Geheimnis der Advents- und Weihnachtszeit, in die der Gedenktag von Johanna Franziska von Chantal fällt: Gott wird Mensch, damit es ein wenig heller wird ... geht hin und handelt genauso. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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