Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe März/April 2003
Neue Kraft fürs Leben
Wenn aus Angsthasen Osterhasen werden
Die Auferstehung Jesu schenkt uns den Glauben, dass Gott mit uns ist.
So ging es schon denen, die vor 2000 Jahren dem Auferstandenen begegnet
sind, so geht es auch heute, wenn wir uns auf das Geschenk des Glaubens
einlassen. Gedanken im salesianischen Geist von P. Josef Lienhard OSFS.
Die Jünger waren wie Kinder ohne Vater. Da erschien Jesus unter
ihnen, um sie in ihrer Betrübnis zu trösten. Franz von
Sales (vgl. DASal 9,328)
„Sehen Sie, man kann nicht mehr leben von Eisschränken, von
Politik, von Bilanzen und Kreuzworträtseln. Man kann es nicht mehr.
Man kann nicht mehr leben ohne Poesie, ohne Farbe, ohne Liebe.“
(Antoine de Saint-Exupèry)
Sehnsucht nach Heil
War das jemals anders? Die Juden haben sich gegenseitig Schalom (Frieden)
gewünscht, weil sie wussten, dass ohne Schalom Leben nicht möglich
ist. Das hebräische Wort schalom bedeutet ursprünglich „heil,
unversehrt, gesund, glücklich sein“ und meint die psycho-physische
Harmonie des Menschen, sein Wohlbefinden.
Und diese Sehnsucht nach ganzheitlichem Heil lebte tief in den Frauen
und Männern, die durch den Karfreitagsschock gegangen sind. Jesus
tritt in den Kreis der niedergeschlagenen und tief verletzten Frauen und
Männer und begrüßte sie mit „Der Friede sei mit
euch“.
Sie hatten sich versteckt, fühlten sich betrogen und steckten in
einer tiefen Lebenskrise. Jesus war für sie nicht nur tot, sondern
der Makel seiner Todesart hat sie noch tiefer in die Depression flüchten
lassen. Die Angst hat sie gelähmt. Franz von Sales drückt das
so aus: „Die Jünger waren wie Kinder ohne Vater. Da erschien
Jesus unter ihnen, um sie in ihrer Betrübnis zu trösten, und
sagte zu ihnen: ‚Friede sei mit euch.‘ Er wollte ihnen gleichsam
sagen: ‚Warum seid ihr so furchtsam und betrübt?‘“
(vgl. DASal 9,328f)
Im Mund des Auferstandenen heißt das: Schluss mit der Angst! Wort
und Zeichen des Herrn machen die Jünger froh und reißen sie
aus ihrer Todes- und Zukunftsangst.
Langsam, aber sicher
Ich gehe davon aus, dass nicht per Knopfdruck die Angst verschwunden war.
Wir kennen die Emmausgeschichte, wo Jesus sehr einfühlsam und geduldig
die Jünger wieder auf die richtige Spur brachte. Sie haben das nicht
aus eigener Kraft geschafft. Es wurde ihnen durch Jesus geschenkt.
In jedem Menschenleben gibt es solche Momente, in denen es in unserem
Leben nach jahrelangem Suchen und tiefster Finsternis hell geworden ist.
Ich habe viele Erfahrungen durchlitten, wo es rabenschwarz in meinem Innern
war. Ich erinnere mich an eine ganz schwere Zeit im Alter von 17 Jahren.
Der Stationsarzt der Klinik hatte mir eröffnet, dass ich nur noch
zwei Jahre zu leben habe. Das war die Hölle, denn ich glaubte nicht
mehr an Gott. Ich habe ihn verflucht, wie ihn sicherlich nicht viele verflucht
haben.
Nur weil ich einer Frau, die ich sehr mochte, keine Abfuhr erteilen wollte,
ging ich mit zur Kirche. Hinter der Orgel habe ich mich versteckt, weil
ich absolut mit Gott nichts zu tun haben wollte! Die gute Frau, um deretwillen
ich mitkam, sang zu meinem Entsetzen das Lied „So nimm denn meine
Hände.“ Jede Orgelpfeife hätte ich einzeln zerschlagen
können, weil ich so viel Wut im Bauch hatte. Aber ich lief nicht
weg und bekam die dritte Strophe mit: „Wenn ich auch gleich nichts
fühle von deiner Macht, Du führst mich doch zum Ziele auch durch
die Nacht“. Und plötzlich – ohne mein Zutun – schoss
es mir durch den Kopf und das Herz: Wenn Er mit dir geht durch Nacht und
Tod, dann kannst du zu deinem Tod Ja sagen. Und das habe ich gemacht.
Es war nicht mein Verdienst. Es war ein Geschenk des Himmels, das mir
die Angst nahm. Und ich habe gelernt, dass Fluchen auch Beten sein kann,
wenn einem kein Gebet mehr über die Lippen kommt. So war es. Ich
kann es auch im Nachhinein nicht fromm kaschieren.
So verstehe ich die Jünger sehr gut. Und auch Thomas, dem man leider
den Beinamen des Ungläubigen gab. Simone Weil schreibt auch rückblickend:
„Christus selbst ist hernieder gestiegen und hat mich ergriffen.
Gott hört nicht auf, uns das Geheimnis seines Sohnes ins Herz zu
sprechen“. So eine Erfahrung muss auch Paulus gemacht haben, wenn
er bekennt: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte,
weder Gegenwärtiges noch zukünftiges, weder Gewalten der Höhe
oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von
der Liebe Gottes, in Christus Jesus, unserem Herrn.“(Röm 8,38)
Was uns aufrichtet
„Der Friede sei mit euch,“ ist deshalb nichts anderes als
ein definitives, überwältigendes Ja Gottes. Dieses Ja ist mächtiger
als aller Widerstand unseres Neins. Trauen wir es diesem Herrn zu, dass
er auch uns Ahnungslose, Müde, Skeptiker, Besserwisser und in den
Machbarkeitswahn Verliebte zum Ja „verführen“ kann?
Wenn Kinder gefallen sind und sich verletzt haben, rennen sie zu Papa
oder Mama. Meist bläst dann ein Elternteil auf die Wunde und die
Tränen des Kinder versiegen. Warum sollte Gott seine Therapiekunst
nicht einsetzen und uns in der Vermittlung des Friedens das schenken,
was uns wieder aufhilft?
„Ich will nichts geschenkt bekommen,“ reden wir uns manchmal
ein. Sich lieben lassen ist mitunter schwerer als zu lieben.
Mir sagt diese tröstliche Botschaft des Auferstandenen: Ich brauche
nicht im Dreck der Schuld und in der Angst sitzenbleiben. Seine Nähe
gibt Vertrauen. Wie gebrochen ich auch immer bin, er heilt mit einem einzigen
Wort meine Brüche: „Der Friede sei mit Dir“. Und dann
verstumme ich. Das verschlägt mir die Sprache. Und ich laufe ihm
in die Arme. Wohin sonst?
Wenn aus einem Angsthasen ein Osterhase wird, hat Ostern gewirkt.
P. Josef Lienhard ist Oblate des hl. Franz
von Sales und Pfarrer in Übach-Palenberg, Nordrhein-Westfalen
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