Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Januar / Februar 2011

 

Lernprozess Loslassen

Im Gespräch:
P. Gottfried Prinz OSFS

LICHT 2011 will Themen ins Gespräch bringen. Daher suchte die LICHT-Redaktion das Gespräch mit Menschen, die ganz nah und konkret an diesen Themen dran sind. Das Ergebnis dieser Interviews wird hier veröffentlicht.

Pater Gottfried Prinz, Jahrgang 1924, ist seit mehr als 60 Jahren Ordensmann bei den Oblaten des heiligen Franz von Sales und lebt heute im Salesianum Eichstätt. Sein Lebensweg war immer wieder gezeichnet vom Loslassen und Neuanfang. Im Interview mit LICHT macht er deutlich, dass gerade dieses Loslassen für ihn ein wichtiger Lernprozess war.

LICHT: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Loslassen?
P. Gottfried Prinz: Mein Leben ist stark gezeichnet von Loslassen und Abberufungen, die mich teilweise überrascht haben und mir nicht immer leicht gefallen sind. Ursprünglich hatte ich nach dem Ordenseintritt den Wunsch, in die Afrikamission zu gehen. Dem wurde aber nicht entsprochen. Die Provinzleitung fand mein Anliegen zwar interessant, aber gleichzeitig sagte man mir: „Wir brauchen dich jetzt woanders.“ So wurde ich erst Erzieher und dann Leiter des Scholastikates, also Ausbildungsleiter unserer Theologiestudenten. Mit unseren Missionaren kam ich allerdings auch in Kontakt, weil ich die Missionsprokura geleitet habe. Die geheime Sehnsucht aber blieb immer noch, „an der Front“ Seelsorger zu sein. Mehr und mehr kam im Lauf der Zeit der Wunsch auf, hierzulande, also in Österreich oder Süddeutschland, in die Pfarrseelsorge einzusteigen. Als vor fünfzig Jahren auf dem Pöstlingberg bei Linz ein Seelsorger gesucht wurde, hätte ich gern diese Aufgabe übernommen, aber die Provinzleitung entschied sich für einen anderen Mitbruder. Überraschend bat man mich dann aber, die Kaplansstelle in der Pfarrei St. Valentin (Niederösterreich) zu übernehmen, wo ich ein halbes Jahr blieb. Doch dann durfte ich 1961 in Wien eine geplante Pfarrei am südlichen Stadtrand übernehmen und aufbauen, die ich bewusst unter das Patronat des heiligen Franz von Sales stellte.
Einundzwanzig Jahre war ich da und fühlte mich sehr wohl. Doch dann bat mich im Jahr 1982 die Provinzleitung die Schriftleitung unserer Ordenszeitschrift „LICHT“ zu übernehmen. Das war eine schwere Herausforderung, hing doch mein Herz an unserer Wiener Pfarrgemeinde.
Aber auch als ich LICHT-Chefredakteur und später Verlagsleiter in unserem Franz-Sales-Verlag wurde, gab es immer wieder Zeiten des Loslassens, die für mich schwer waren. So der tragische Unfalltod unseres Verlagleiters P. Karl Sebald Ende 1985 und die Veräußerung unserer Produktionsbetriebe – Druckerei, Setzerei und Buchbinderei. Dies tat besonders weh, weil wir von vertrauten Mitarbeitern Abschied nehmen mussten.

LICHT: Gerade auch im Alter muss man oft aufgrund schwindender Kräfte Dinge loslassen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
P. Gottfried Prinz: Nach Vollendung des 70. Lebensjahres war es mir ein Anliegen, die Verlagsleitung in jüngere Hände zu legen. Ich habe innerlich gespürt, dass es an der Zeit war, die Leitung zu verjüngen.
Mit 83 Jahren bin ich dann als Sekretär der Arbeitsgemeinschaft für Salesianische Studien zurückgetreten, eine Aufgabe die ich mehr als fünfzehn Jahre wahrgenommen habe. Im Oktober 2010, mit 86 Jahren, habe ich auch die redaktionelle Leitung der Übersetzung der Chantal-Korrespondenz in jüngere Hände gegeben. Die Übersetzung der mehr als 5000 Seiten war zum größten Teil abgeschlossen und auch korrigiert, doch ich habe gezögert, den Auftrag abzugeben, weil dieses Projekt mir immer noch zu unfertig erschien. Andererseits habe ich gemerkt, dass meine Kräfte nachlassen und deshalb um der Sache willen die Entscheidung getroffen, loszulassen und habe jetzt das ehrliche Vertrauen, dass das Anliegen zu einem guten Ende kommt.

LICHT: Das Loslassen ist Ihnen oft schwer gefallen. Wie sind Sie mit diesen Gefühlen umgegangen?
P. Gottfried Prinz: Mit meinem Ordenseintritt habe ich nach reiflicher Überlegung und ganz und gar freiwillig ein bewusstes „Ja“ zum Gelübde des Gehorsams gesagt. Das schloss eine Bereitschaft zur Flexibilität und zur Verfügbarkeit mit ein.
Im Lauf der Jahre konnte ich mich auch innerlich mit dem Loslassen anfreunden, was ich vor allem gemerkt habe, als ich die liebgewonnene Pfarrei in Wien aufgegeben habe und als Schriftleiter des LICHT nach Eichstätt gekommen bin.

LICHT: Wie konnte Ihnen auf dem Weg des Loslassens die Salesianische Spiritualität helfen?
P. Gottfried Prinz: Für mich als salesianisch geprägten Menschen war immer das Vertrauen auf die Vorsehung Gottes wichtig. Das heißt: Wir sind Werkzeuge in Gottes Hand, in seinem Plan und seiner Vorsehung. Wir brauchen uns nicht überfordern, sondern können uns von Gott leiten lassen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gottes Geist bei uns ist. Er macht uns Mut, im rechten Augenblick, aufgrund unserer Einsicht, aber auch im Vertrauen auf die göttliche Führung, den richtigen Weg zu gehen.
Wir können deshalb wagen, eine Aufgabe loszulassen, weil wir wissen, dass wir nicht die Meister des Heils sind, sondern ein Werkzeug in Gottes Hand. Ich darf die Grenzen, aber auch den Wert beachten und beobachten, die mir als Werkzeug gesetzt sind. Gottes Wirken ist nicht von uns, seinen Werkzeugen, abhängig. Trotzdem sollen wir nicht untätig sein, denn Gott fordert uns auch heraus, gute Früchte zu tragen.

LICHT: Das Jesuswort „Wer sein Leben verliert, wird es retten“, legt nahe, dass Loslassen auch bedeuten kann, dass man etwas Neues gewinnt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
P. Gottfried Prinz: Den Satz Jesu kann ich klar bestätigen. Wenn ich irgendeine Aufgabe aufgegeben habe, bin ich nicht im Selbstwertempfinden gesunken. Im Gegenteil: Ich habe erfahren, dass ich in der neuen Situation, auch in einer eingeschränkten Aufgabenstellung, nie zu kurz gekommen bin. Ich habe mich nie als wertlos erlebt. Ich habe vielmehr gewonnen an Wertschätzung – durch andere und von Gott.

Die Fragen stellte Raymund Fobes

Ihre Meinung          zurück          nächster Artikel