Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
März / April

Liebe Leserinnen und Leser!
P. Josef Lienhart OSFS

Was habe ich mich nicht geärgert, wenn unter einem Schulaufsatz mit roter Tinte stand: „Thema verfehlt“. Zwei schlimme Wörter.
Und dabei hatte ich mich ehrlich bemüht, etwas Sinnvolles zu Papier zu bringen. Und dann auch noch das niederschmetternde Ergebnis, das durch eine ungenügende Note, die den Jahresdurchschnitt verhagelte, „belohnt“ wurde.

Hat eine solche Schulerfahrung eine Bedeutung für das Leben? Kann ich das Leben verfehlen? Im Zorn blicken viele auf ihr Leben zurück. Und mit Angst schauen viele in die Zukunft. „Verzeiht mir“, hat mir ein Freund in einem Abschiedsbrief geschrieben, in dem er mir die Gründe darlegte, warum er nicht mehr leben wollte. Und im Schlusssatz schrieb er: „Ich komme von Gott, ich gehe zu Gott. Und ich freue mich drauf.“
Das Leben ist kein Sommerspaziergang. Das Wandern ist nicht immer „des Müllers Lust“. Es lässt sich nicht am Reißbrett entwerfen. Es kommt vieles anders als geplant.

Jetzt an der Schwelle zum Pensionsalter sehe ich vieles anders als früher. Ich hatte mal geglaubt, dass es immer aufwärts geht. Mühsam musste ich lernen, dass es nicht nur Höhen und Tiefen im Leben gibt, sondern auch Irrwege, Umwege, Brüche und Zusammenbrüche. Aber auch Einbrüche, mit denen ich nicht gerechnet habe. Ich musste lernen, dass nicht das Fallen das Schlimmste ist, sondern das Liegenbleiben. Viele Bilder vom Menschen, von Gott und von mir mussten einstürzen. Ich durfte in die Tiefen des eigenen Herzens schauen und in viele Abgründe von Menschen, die sich mir anvertraut haben.

Wie viel hatte P. Alfred Delp schon sehr früh begriffen, als er schrieb: „Gott geht alle Wege mit“. Das heißt doch, dass er auch alle Irrwege, Umwege, Seitenwege, Fluchtwege und Wege im Nebel und Sturm mitgeht! Und das ist Gottvertrauen pur! Das gehört in meinen Rucksack, den ich immer mit mir herumtrage. Das ist christliche Lebensqualität.

Der geistliche Schriftsteller Henri Nouwen schrieb beim Gedanken vor Rembrandts Bild vom „Verlorenen Sohn“: „Ich bin weggegangen und gehe immer wieder weg. Aber der Vater hält Ausschau nach mir mit ausgestreckten Armen, um mich wieder aufzunehmen und mir wieder ins Ohr zu flüstern: Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, du gefällst mir“!

Und mit dieser Zusage darf ich leben, auch wenn ich meine das Leben verfehlt zu haben. Gott ist imstande aus Armleuchtern Kronleuchter zu machen. Menschen können mir eine „Sechs“ geben. Wie gut zu wissen, dass Gott sich nicht an diese Notengebung halten muss und wird! Deshalb wünsche ich Ihnen guten Mut!

Herzlichst grüßt Sie Ihr
P. Josef Lienhard, Provinzial der Deutschen Provinz der Oblaten des hl. Franz von Sales

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