Fest des hl. Franz von Sales
im Salesianum 2010
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PREDIGT VON PROVINZIAL P. THOMAS VANEK OSFS:

Salesianisches Persönlichkeitsprofil

In der Sakristei unserer Provinzialatskirche in Wien hängt ein großer goldener Bilderrahmen – so ca. 2x1 Meter. Das außergewöhnliche an diesem Bilderrahmen ist, dass er kein Bild umrahmt. Er hängt da an der Wand und weist bloß auf ein Bild hin, das man aber nicht sehen kann. Oben auf dem Rahmen steht nämlich auf lateinisch geschrieben: Heiliger Franz von Sales, bitte für uns!

Nun – ich bin jetzt ein halbes Jahr in Wien im Provinzialat und der Rahmen hängt unverändert da und zeigt nichts anderes als die weiße Wand. Vor zwei Wochen hab ich mir dann einmal vor einer Messe die Frage nicht mehr verhalten können: Wo ist denn der Franz von Sales, der in diesen Rahmen gehört? Worauf ein Mitbruder antwortete: der wird gerade restauriert. Worauf ich es mir nicht verkneifen konnte: das dauert aber schon ziemlich lange…
Der Franz von Sales wird gerade restauriert. – mich hat dieser mehrdeutige Satz immer wieder beschäftigt und ich meine, man sollte ihn einmal genauer überdenken. Ist unser Franz von Sales wirklich restaurierungsbedürftig? Ist seine Lehre, sind seine Aussagen abgegriffen, abgenutzt, altmodisch – unzeitgemäß, sodass sie auf den heutigen Stand gebracht werden müssten? Ich denke, es gibt da sicher einiges anzuführen, das heute nicht mehr passt, denn auch er war ein Kind seiner Zeit. Vor 400 Jahren war die Welt anders: wusste man nicht so viel wie heute, es gab keine Globalisierung, kein Internet (World wide web) und keine Weltwirtschaftskrise.
Anders allerdings – nämlich zeitunabhängig – ist Franz von Sales als Mensch, als Christ, als Seelsorger, als Freund, als Begleiter. Da sind 400 Jahre unbedeutend, denn wie er sein Leben als Christ gelebt hat, wie er den Menschen gesehen hat und seine Gottesbeziehung entwickelt hat, das bleibt über die Jahre seiner Lebenszeit hinaus gültig ist und frisch. Nicht ohne Grund sagt man ja, die salesianische Spiritualität findet man im letzten Konzil der Kirche – im 2. Vatikanum – wieder. Und wir wissen ja, dieses Konzil hat der Kirche die Türen zur Welt hin geöffnet, zum Menschen hin, zur Begegnung mit dem Göttlichen in allem, was sich nach diesem Gott sehnt. Es ist das Konzil des allgemeinen Priestertums, das Konzil der Kirche, die sich als pilgerndes Volk Gottes versteht und in ihrer Liturgie jeden einlädt, sich aktiv einzubringen. Auch wenn Franz von Sales im Kirchenbild des Trienter Konzils lebte und sich auch daran hielt, wuchs seine Spiritualität weit über den Zeitgeist hinaus, sie atmet den Geist der Freiheit, weil er Gott als einen liebenden und nicht verwerfenden Gott selbst erfahren hatte. Weil er einen Gott gefunden hat, der das Leben der Menschen nicht einschränken, sondern befreien will, damit er mit den Menschen seine Göttlichkeit teilen kann.

Wenn ich noch einmal zu dem Bilderrahmen in unserer Sakristei zurückkommen darf, so könnte man vielleicht diesen Bilderrahmen, solange der Franz von Sales noch beim Restaurator ist, zwischenzeitlich mit einem salesianischen Persönlichkeitsprofil ausfüllen. Ich möchte das jetzt noch kurz versuchen. Persönlichkeitsprofile sind heute ja IN. Wie würde so ein salesianisches Persönlichkeitsprofil aussehen? Welcher Persönlichkeitstyp müsste in diesen Bilderrahmen hinein?

Ein salesianischer Menschentyp fürchtet Gott nicht, sondern liebt ihn. Ich glaube, in den 2 Jahrtausenden des Christentums haben mehr Menschen Gott gefürchtet als geliebt. Warum? Weil es einfacher ist, Gott zu fürchten als ihn zu lieben. Wo Angst ist, da ist auch Kontrolle. Da kann man mit Gott handeln, ihn berechnen. Liebe aber macht weit und frei, nimmt den anderen ernst und gesteht ihm Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu. Liebe löst aus den Abhängigkeiten einer Marionette und befreit zum Dasein. Wie sagt der hl. Johannes: Furcht gibt es in der Liebe nicht.

Ein salesianischer Menschentyp liebt die Welt, die Natur, die Menschen und achtet sie. Er verschließt die Augen aber nicht vor dem Unvollkommenen, dem Defizitären, dem Negativen. Er lässt den unheilvollen Kräften aber keinen Raum, weil er dem Guten, das Gott in seine ganze Schöpfung hineingelegt hat, mehr traut als dem Bösen.
Ein salesianischer Menschentyp strebt danach, immer mehr Mensch zu werden. Dadurch wird er immer mehr Gottes Ebenbild. Und Gott, der ja selbst das Menschsein gewählt hat, kann sich so in ihm immer mehr verwirklichen. Das hat Konsequenzen. Daher ist ein salesianischer Mensch einer, der sich besser kennt als die anderen. Er freut sich über seine Fähigkeiten, Talente und Vorzüge, er kennt aber auch seine Schattenseiten, seine Abgründe und Fehler, ja auch seine Sünden. Aber er lehnt sie nicht ab – so viele es auch sein mögen, er kämpft nicht gegen sie wie gegen Windmühlen sondern nimmt sie an, integriert sie und hält sie Gott hin. Und er überlässt es Gott, sie zu wandeln und zu erlösen.
Ein salesianischer Menschentyp begegnet jedem Menschen und der Welt mit einer positiven Grundeinstellung. Er geht davon aus, dass in allem und in jedem etwas Gutes steckt, das sich entwickeln will. Demnach nimmt der salesianische Mensch jeden Menschen ernst, verurteilt ihn nicht, sondern versucht ihn in seiner Ganzheit wahrzunehmen, im Kontext  seiner Lebensgeschichte, im Umfeld seiner Beziehungen und seiner Bedürfnisse, auch mit seinen Behinderungen und Fehlern. Dabei helfen Milde, Toleranz und Freundlichkeit mehr als die harten Bandagen einer menschenverachtenden Strenge.

Ein salesianischer Menschentyp, glaubt an seinen eigenen Wert. Den muss er sich nicht selbst erarbeiten und beweisen, den bekommt er von Gott, seinem Schöpfer, der ihn von Ewigkeit her – also schon immer liebt. Als Geliebter darf er Gott lieben, und wird ihn lieben. Denn Gott lockt den Menschen, wirbt um ihn, will ihn aufmerksam machen auf das Göttliche, das überall hervorquillt.

Ein salesianischer Menschentyp lebt aus dieser Erfahrung und begleitet andere Menschen dahin, diese Erfahrung zu machen. Das tut er mit Geduld, mit Wertschätzung, mit Gelassenheit und in Gleichmütigkeit. Und er hat einen guten Schuss Humor, denn wer über etwas lachen kann, steht immer ein Stück weit über den Dingen und lässt sich von ihnen nicht vereinnahmen.

Schließlich entdeckt ein salesianischer Mensch immer mehr die Zusammenhänge der Wirklichkeit. (Das ist der Zugang zur salesianischen Mystik.) Der liebende Mensch sieht, dass das ganze Universum auf Einheit angelegt ist. Es gibt nur in unserem Egoismus das Zerteilen der Welt in Mein und Dein, in Richtig und Falsch, in Wertvoll und Wertlos, in Freund und Feind, in Recht und Schlecht. Der mit Gott verbundene Mensch missbraucht Gott nicht und versucht ihn nicht zu seinem Vorteil zu manipulieren, besitzen zu wollen. Er lässt Gott frei, und lässt sich selbst los, damit er frei wird zur Liebe, zur Hingabe, ganz aufzugehen im Du.
Daher ist der salesianische Mensch sein Leben lang auf der Suche, weil er sich mit niemand geringerem als Gott zufrieden gibt.

Ich hoffe, Sie meinen jetzt nicht, das salesianische Persönlichkeitsprofil passt nur zu einem Supertyp, zu einem Extremtyp, oder zu einem Leistungstyp – der salesianische Mensch ist der, den das Evangelium fasziniert.

Vielleicht soll es noch lange dauern, bis der restaurierte Franz von Sales wieder in seinen Bilderrahmen kommt. Denn solange er noch nicht drin ist, muss ich selbst diesen Rahmen füllen – mit meinem salesianischen Persönlichkeitsprofil – und das finde ich eigentlich viel interessanter als auf ein altes restauriertes Bild zu schauen. Amen

Bericht von der Feier: >>>hier...

Weitere Fotos von der Feier: >>>hier...

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