Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben
Zweiter Teil
     
 

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14. Kapitel
Die heilige Messe.

1. Ich habe dir noch nichts gesagt von der Sonne der geistlichen Übungen: vom hochheiligen und erhabenen Messopfer, dem Mittelpunkt der christlichen Religion, dem Herz der Frömmigkeit, der Seele der Andacht; ein unfassbares Geheimnis, das den Abgrund der göttlichen Liebe umfasst, durch das Gott sich wirklich mit uns vereinigt und uns seine Gnaden und Gaben in herrlicher Fülle spendet.
2. Dem Gebet in Vereinigung mit diesem göttlichen Opfer wohnt eine unsagbare Kraft inne. Die Seele ist dann überreich an himmlischen Gnaden; sie stützt sich auf ihren Vielgeliebten (Hld 8,5), der sie so sehr mit geistlichen Wohlgerüchen und Freuden erfüllt, dass sie einer Rauchsäule von wohlriechendem Holz gleicht, bestreut mit Myrrhe, Weihrauch, Aloe und anderen duftenden Körnern, wie es im Hohelied (3,6) heißt.
3. Bemühe dich also ganz besonders, jeden Tag der heiligen Messe beizuwohnen, um mit dem Priester das Opfer deines Erlösers Gott dem Vater für dich und die ganze Kirche darzubringen. Stets sind die Engel in großer Zahl dabei gegenwärtig, sagte der hl. Johannes Chrysostomus, um dieses heilige Geheimnis zu ehren; da wir uns mit ihnen in der gleichen Absicht einfinden, können wir durch den segensreichen Einfluss der Gemeinschaft mit ihnen nur viel gewinnen. Die Chöre der triumphierenden und streitenden Kirche vereinigen sich in dieser göttlichen Handlung mit dem Herrn, um mit ihm, durch ihn und in ihm das Herz Gottes des Vaters zu erfreuen und seine Barmherzigkeit uns zuzuwenden. Welches Glück für eine Seele, durch ihr frommes Gebet an einem so kostbaren und begehrenswerten Geheimnis mitzuwirken!
4. Ist es dir ganz unmöglich, an der Feier dieses hochheiligen Opfers in Wirklichkeit teilzunehmen, so schicke wenigstens dein Herz hin, nimm im Geiste teil. Finde dich also im Geist zur bestimmten Morgenstunde dabei ein, wenn dir die wirkliche Teilnahme nicht möglich ist. Vereinige deine Meinung mit der aller Christen; erwecke da, wo du bist, dieselben Akte des Herzens, als wohntest du wirklich der heiligen Messe in einer Kirche bei.
5. Um nun wirklich oder geistig das heilige Messopfer in der rechten Weise mitzufeiern, beachte folgendes: 1) Bereite dich mit dem Priester vor, ehe er an den Altar tritt; denke an Gottes Gegenwart, bekenne deine Unwürdigkeit, bitte um Vergebung deiner Sünden. – 2) Vom Bußakt bis zum Evangelium betrachte ganz allgemein die Menschwerdung und das Erdenleben unseres Herrn. – 3) Vom Evangelium bis nach dem Credo betrachte die Predigt des Herrn. Bekenne, dass du im Glauben, im Gehorsam gegen sein heiliges Wort, in Verbundenheit mit der heiligen katholischen Kirche leben und sterben willst. – 4) Vom Credo bis zum Vater unser wende dein Herz den Geheimnissen des Leidens und Sterbens unseres Erlösers zu; sie sind tatsächlich und wesentlich in diesem heiligen Opfer dargestellt, das du mit dem Priester und dem übrigen Volk Gott dem Vater zu seiner Ehre und zu deinem Heil darbringst. – 5) Vom Vater unser bis zur Kommunion bemühe dich, dein Herz zu heiligen Wünschen zu entflammen; sehne dich innig danach, für immer mit unserem Heiland in ewiger Liebe verbunden und vereinigt zu sein. – 6) Von der Kommunion bis zum Schluss der heiligen Messe danke der göttlichen Majestät für ihre Menschwerdung, ihr Leben, Leiden und Sterben sowie für die Liebe, die sie uns im heiligen Opfer bezeigt. Beschwöre den Heiland bei diesem Opfer, dir, deinen Verwandten und Freunden und der ganzen Kirche immer gnädig zu sein. Demütige dich von ganzem Herzen und empfange andächtig den göttlichen Segen, den der Herr dir durch seinen Priester spendet.
Willst du aber während der heiligen Messe deine tägliche Betrachtung halten, dann ist es nicht notwendig, dass du dich von ihr abwendest, um diese besonderen Übungen zu verrichten; es genügt, wenn du zu Beginn der heiligen Messe die Meinung hast, dieses heilige Opfer durch die Übung deiner Betrachtung und deines innerlichen Gebetes Gott darzubringen und ihn dadurch anzubeten, da ja in der Betrachtung alle oben erwähnten Akte ausdrücklich oder einschlussweise enthalten sind.

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