Salesianische
Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 6 - November/Dezember 2000
Katharina
Grabner-Hayden
Gottvertrauen
ist die
Spontaneität des Geistes
Es
gibt Menschen, die zeitlebens wie Maschinen funktionieren. Sie arbeiten,
lassen sich organisieren, ordnen sich ungefragt Systemen und Zwängen
unter, die sie trotz wissentlicher Nichtbilligung akzeptieren.
Es gibt Menschen, die wehmütig
glauben, sie könnten dem Leistungsdruck durch persönliches
Aussteigen in eine andere Wirklichkeit entfliehen.
Es gibt aber auch Menschen mitten
unter uns, die trotz der grauen Alltäglichkeit träumen können,
Visionen haben und positive Kraft ausstrahlen.
Der Grund für diese unterschiedlichen
Ausprägungen mag wohl schwer zu ergründen sein. Zu komplex
sind dabei die physischen, psychischen und sozialen Entwicklungsphasen
der Menschen.
So flexibel man im beruflichen Alltagsgeschehen und im Streben nach
Macht und Anerkennung ist, so undifferenziert und träge nimmt manch
einer seine Umwelt wahr.
Jugendlicher Idealismus und Illusionen weichen dem satten Empfinden,
"etwas" erreicht zu haben, das sich im Wohlstand oder liebgewonnenen
Traditionen materialisiert. Diese gilt es dann gegen die letzten Funken
von Sinnstiftung vehement zu verteidigen. In Kirche und Staat bauen
wir uns Bastionen aus Desinteresse und Ignoranz um nicht aus dem wohligen
Nest der Bequemlichkeit zu fallen.
Da gibt es aber auch jene, die nicht verstehen und akzeptieren können,
die bewegen, motivieren, lieben bis zur persönlichen Selbstaufgabe.
Sie sitzen nicht an den Schaltstellen in Politik oder Wirtschaft, nicht
auf den Stühlen barocker Kirchen. Namenlose Idealisten, Weltverbesserer,
Illusionisten, die sich nicht anpassen wollen. Als Nestbeschmutzer und
Fanatiker übergeht man sie laut, um nicht in der Stille geistiger
Unbeweglichkeit zu ersticken.
Gottvertrauen ist die Spontaneität des
Geistes.
Geistig wach zu bleiben hat etwas
mit der Beziehung zu Gott zu tun. Vertrauen heißt vom bequemen
Materialismus loslassen zu können und die Gewissheit zu haben,
von ihm nicht fallen gelassen zu werden. Hat etwas mit der Hinwendung
und kritischen Auseinandersetzung, mit Veränderungswillen und Handlungsmöglichkeiten
zu tun.
Gottvertrauen heißt Lebensbejahung und das Streben nach Harmonie
mit sich, mit den Mitmenschen und mit Gott.
Solange wir Gottvertrauen haben, ist unser Blick nicht nur auf uns selbst
gerichtet und dies ist ein großes Geschenk. Nur diese Spontaneität,
diese Bewegung im Geist macht es uns möglich, dauerhafte Beziehungen
einzugehen.
Dieses Vertrauen schafft Räume zu anderen Ebenen, aus denen wir
Kraft schöpfen können, um nicht in unserer Alltäglichkeit
unterzugehen.
Diesen Text widme ich einer bereits
verstorbenen Freundin, einem Menschen, der die Furchen eines schrecklichen
Krieges, von Menschenverachtung und Hass mit großem Gottvertrauen
glätten konnte, einer Frau, die immer zum Leben ja sagen konnte,
weil sie Träume und Visionen und trotz unseres großen Altersunterschieds
von 60 Jahren "kein Problem mit dem neuen Denken" hatte, weil
sie durch ihr Gottvertrauen geistig lebendig geblieben war.
Katharina Grabner-Hayden ist
Betriebswirtin und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Höbenbach,
Niederösterreich
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