Zum Fest Christi Himmelfahrt

(Entwurf:) Thonon, 24. Mai 1607 (OEA VIII,20-25; DASal 9,131-133)

Nachdem Jesus mit ihnen gesprochen hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und sitzt zur Rechten Gottes (Mk 16,19).

Als Elija entrückt wurde, bat ihn Elischa, daß ihm sein Geist doppelt zuteil werde. Elija sagte zu ihm: Du verlangst etwas Großes; gleichwohl, wenn du mich auffahren siehst, wird es geschehen: wenn du nichts siehst, wird es nicht geschehen (2 Kön 2,9f). Ebenso sicher wird uns, meine Zuhörer, wenn wir Christus auffahren sehen, der überreiche Schatz seiner Gaben zuteil werden. Sehen wir ihn also mit den Augen des Geistes in den Himmel auffahren. Damit aber die Augen nicht geblendet werden und erblinden, laßt uns von Gott die Gnade erbitten, daß er sich zeige, durch die Fürsprache derjenigen, durch die er uns sichtbar wurde.

Schön früher, als Christus seinen Jüngern verheißen hat, daß er ihnen sein Fleisch, sich selbst als das lebendige Brot vom Himmel geben werde, schien ihnen das hart. Deshalb sagten sie: Wie kann das geschehen? Und: Diese Rede ist hart. Und sie murrten. Christus aber wußte ... Ihr nehmt daran Anstoß? Wenn ihr aber den Menschensohn dahin auffahren sehen werdet, wo er zuvor war? (Joh 6,53-63). Er sah nämlich voraus, daß von der Himmelfahrt Christi viele eine Ablehnung des Sakramentes der Eucharistie ableiten werden, wie es alle Sakramentarier unserer Zeit tun. Vor allem will ich daher ihre Dornen ausreißen und dann Blumen pflanzen.

Die Häretiker suchen gewöhnlich die Extreme. Die Kirche, sagt Tertullian, ist wie Christus in allem stets inmitten von Räubern gekreuzigt. Was z. B. die Heilige Schrift betrifft, wollen Schwenckfeld, Quintinus und Chapinus nichts vom Wort wissen, sondern nur von der Inspiration; die meisten anderen glauben der Kirche nichts und berufen sich auf die Eingebung des Heiligen Geistes. In der heiligsten Dreifaltigkeit lassen Servetus und Paulus von Samosata keine Unterscheidung der Personen zu. Valentinus Gentilis behauptet eine dreifache Wesenheit. In Christus will Nestorius zwei Personen sehen, Eutyches nur eine Natur. Was die Verehrung der seligsten Jungfrau betrifft, wollen die Collyridianer sie durch Opfer anbeten, Copronymus hält sie keiner Verehrung für würdig. Bezüglich der Buße hält Novatus keine für ausreichend, Pelagius jede. Um auf unseren Gegenstand zu kommen, behaupten in unserer Zeit bezüglich des Geheimnisses der Eucharistie die Ubiquisten, daß Christus überall sei; andere sagen, er sei nirgends in dieser Welt zu finden, sondern nur außerhalb der Welt im Himmel; die einen sagen, er sei nicht aufgefahren, die anderen, er sei nicht auf Erden geblieben.

Die katholische Kirche dagegen geht mitten durch sie hindurch (Lk 4,30), geht den Mittelweg und sagt weder, er sei überall, noch er sei nirgends in der Welt; sie lehrt vielmehr, daß er im Sakrament des Altares gegenwärtig ist, wo er es sein wollte. Warum? Weil er, der beides konnte, das eine wie das andere gesagt hat. Er hat nicht etwas gesagt und es nicht gewollt. Wenn die Häretiker unserer Zeit zwei Wahrheiten in der Heiligen Schrift finden, von denen sie nicht begreifen, wie sie gleichzeitig bestehen können, pflegen sie oft immer eine durch die andere zu verwerfen, obwohl zwischen ihnen kein Gegensatz besteht. Ein Beispiel: Der Glaube rechtfertigt (Röm 4 u. 5; Gal 3); also, sagen sie, rechtfertigen die Werke nicht, obwohl es die Heilige Schrift ganz klar von beiden sagt. Die Kirche lehrt nach Jakobus (Kap 2): der Glaube und die Werke. Man muß am geschriebenen Wort Gottes festhalten; also, sagen sie, muß man die Überlieferung verwerfen. Die Kirche sagt: Haltet fest an der Überlieferung, die ihr empfangen habt, sei es durch die Predigt oder durch unseren Brief (2 Thess 2,14). Man muß seine Schuld vor Gott bekennen; also nicht vor den Dienern Christi. Die Kirche sagt aber: sowohl vor Gott als auch vor seinen Dienern. Und so ist es fast immer wie hier: Es ist ein Glaubensartikel: „aufgefahren in den Himmel“; also, sagen sie, ist er in der Eucharistie nicht gegenwärtig. Die Kirche dagegen sagt: Er ist im Himmel und in der Eucharistie gegenwärtig. Der ganze Beweis für die Tatsächlichkeit ist die Allmacht dessen, der es bewirkt.

An dieser Klippe pflegt der menschliche Verstand sehr oft zu scheitern. Als Abraham hört, daß er als Greis einen Sohn als Erben bekommen soll, versteht er das so, daß Elizier gemeint sei (Gen 15,2f). Gott hat einen Nachkommen verheißen (13,6); darunter versteht Abraham den Sohn des Elieser. Gott kündigt einen Sohn von Sara an; da lacht Abraham: Glaubst du, ein Hundertjähriger ...? (17,16f). Möge nur Ismael am Leben bleiben (17,18). Auch Sara lacht (18,2). Gott ist größer als unser Herz (1 Joh 3,20). Nachher glaubte Abraham gegen alle Hoffnung (Röm 4,18), als er Isaak opferte, über dessen Nachkommenschaft ihm eine so große Verheißung zuteil geworden war.

Niemand zweifelt mehr, daß Christus seine Himmelfahrt durch Zeugen bestätigt hat; seine Gegenwart in der Eucharistie wollen wir nun kurz aus der Heiligen Schrift beweisen. Er verheißt, er bewirkt, er lehrt sie. Er belehrt den hl. Paulus: Denn ich habe vom Herrn empfan- gen ... In der Nacht, da er verraten wurde ..., nahm er das Brot (1 Kor11,23). Er verwandelte in seinen Leib, was früher Brot war; wie das Wasser in Wein (Joh 2,9), wie die Rippe Adams in Eva (Gen 2,7.21f). Manna? Was ist das? Das ist das Brot, das der Herr als Speise gegeben hat (Ex 16,15). Die Israeliten glaubten; sie sagten nicht: es hat nicht die Gestalt des Brotes, sondern von Koriander oder von Rauhreif; vielmehr sammelten es alle. Nun aber sagt Christus: Das ist mein Leib (1 Kor 11, 24); was zweifelst du? Ohne Zweifel ist es der Leib Christi. Das Manna fiel in der Nacht, damit die Israeliten nicht sahen, wie es geschah, sondern an das Geschehene glaubten. Glaub an die Tatsache, ohne zu forschen, wie es geschah.

Ferner berief sich auch Chrysostomus vor 1300 Jahren auf dieses Wunder (De Sacerdotibus III, § 4): „O Wunder“, sagt er, „o Güte Gottes! Der mit dem Vater in der Höhe thront, wird gleichzeitig von allen in Händen gehalten und überläßt sich selbst allen, die ihn aufnehmen und umfangen wollen.“ Und (Homil. 2 ad Antioch. § 9): „Elija hinterläßt seinem Schüler den Mantel (2 Kön 2,13), der Sohn Gottes hinterläßt bei der Himmelfahrt seinen Leib. Aber Elija hat sich entblößt; Christus dagegen hat uns seinen Leib verborgen hinterlassen und besitzt ihn zugleich selbst.“

Schließlich widerspricht die Himmelfahrt nicht nur nicht dem Glaubensartikel von der Eucharistie, sondern bekräftigt ihn. Denn seht doch, welcher Leib: nicht mehr fleischlich sondern vergeistigt, der die Himmel durchdringt (1 Kor 15,44).

Nun denn, es ist etwas überaus Beglückendes, in rechter Weise sowohl das eine wie das andere zu glauben. Da aber heute das Fest des zweiten ist, nämlich der Himmelfahrt, wollen wir darüber ein wenig betrachten. Nachdem der Erlöser am Kreuz erhöht wurde, ist es gewiß sehr angebracht, daß er in der Herrlichkeit erhöht wurde. Darin liegt das letzte und vollendende Geheimnis der Erlösung: Er liebkose mich mit dem Kuß seines Mundes ... Mein Vielgeliebter, flieh dem Reh und dem jungen Hirsch gleich auf die Balsamberge (Hld 1,1; 8,14). Aber warum nimmt er uns nicht mit? Der Magnet zieht das Eisen an, wenn nicht ein Diamant, Fett oder Knoblauch zwischen ihnen liegt und es verhindert. Phil 1,23: Nach beiden Seiten zieht es mich hin ...


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