Zum 3. Fastensonntag

(Fragment) Chambéry, 22. März 1615 (OEA VIII,166-168; DASal 9,164)

Über das Gebet vor den Schwestern der Heimsuchung

Wie Eusebius berichtet, schrieb der Jude Philo ein Buch über das kontemplative Leben oder das Leben der Bittenden; er nennt sie auch therapeutes (d. h. Ärzte, Heilende) oder Anbeter. Siehe Dionysius (Hier. Eccl.); er nennt hier auch die Mönche Anbeter. Daher sind Mönche, Anbeter, Bittende dasselbe. Beter, Gebet.

Über die Notwendigkeit des Gebetes will ich nicht sprechen. Lk18,1: Man muß immer beten und nicht nachlassen. Lk 21,36: Wacht also und betet allzeit. 1 Thess 5,17: Betet ohne Unterlaß. Der Herr lehrte sie beten (Mt 6,9; Lk 11,1). Zwei Gruppen von Häretikern: die Euchiten und Messalianer, die behaupten, alles werde durch das Gebet bewirkt, sonst sei nichts erforderlich; die Pelagianer verneinten die Notwendigkeit des Gebetes. Johannes Wiclef.

Was ist das Gebet? Das Wort kann man auf zweifache Weise verstehen. (1.) Im engeren Sinn als Bittgebet; dann ist es eine Bitte, die man an Gott richtet, um das, was wir von ihm wünschen. Wir bitten auf dreifache Weise, wie im Inventarium virtutum ausgeführt. – 2. Allgemein, wie der hl. Bonaventura: „Das Gebet enthält alle Akte des kontemplativen Lebens.“ Der hl. Gregor von Nyssa sagt: „Es ist der Umgang mit Gott.“ Der hl. Chrysostomus: „Es ist ein Zwiegespräch mit Gott.“ Johannes von Damaskus: „Die Erhebung des Geistes zu Gott.“ Augustinus: „Der Aufstieg des Geistes von den irdischen zu den himmlischen Dingen.“ Hieronymus an Eustochium: „Wenn du betest, sprichst du mit dem Bräutigam; wenn du (die Heilige Schrift) liest, spricht er zu dir“ (De custodia Virginitatis). Bernhard: „Das Wort, das Beispiel, das Gebet; das Größte aber unter ihnen (1 Kor 13,13) ist das Gebet.“ Dieses Gebet ist die mystische Theologie (vgl. Tr 6,1 u. 2). Beachtet folgende Akte: Denken, Studium, Meditation, Kontemplation. Das Denken gleicht den Mücken, das Studium den Maikäfern, die Meditation den Bienen, die Kontemplation der Bienenkönigin. Die beiden ersten haben nichts mit unserem Gegenstand zu tun; das dritte und vierte betrifft das Gebet, doch zwischen ihnen steht das Bittgebet.

Das Ziel des Gebetes ist die Vereinigung mit Gott, denn Gott bedarf im übrigen des Gebetes nicht. Es ist die Umgestaltung, denn das bleibt im Himmel.


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