Zum 1. Fastensonntag

Annecy, 11. März 1601 (OEA VII,367-372; DASal 9,97-100)

Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden (Mt 4,1).

Das ist wohl die Beschreibung des größten und denkwürdigsten Zweikampfes, den es je gab: Die Parteien auf beiden Seiten sind sehr stark, entschlossen und mutig bis zum äußersten; die Waffen sind gefährlich, die Feindschaft unversöhnlich; das Ende kann nur der Sieg sein, denn es gibt keine Einigung, die diesen Kampf beenden könnte. Die Parteien sind Gott und der Teufel, die Waffen sind das Wort Gottes, die Feindschaft beruht auf einer Rebellion. Diese Beschreibung gibt uns die Kirche heute, um uns Mut zu gleicher Ausführung zu machen, denn wir müssen unserem Feldherrn folgen, der heute kämpft, und unser Leben auf Erden ist nur ein ständiger Kampf (Ijob 7,1). Besonders in der Fastenzeit, in der wir uns um die Buße bemühen, müssen wir auf härtere und häufigere Angriffe gefaßt sein als zu jeder anderen Zeit. Sie ist die Zeit unserer geistlichen Ernte; das läßt die feindlichen Streitkräfte zu Felde ziehen, um uns daran zu hindern. Man muß ernsthaft kämpfen: das Beispiel Unseres Herrn steht vor unseren Augen, der Feind ist nicht unüberwindlich; wenn wir unserem Meister zu folgen versuchen, wird der Sieg ohne Zweifel unser sein. Ich will den Inhalt des Evangeliums behandeln. Möge der Heilige Geist, der Unserem Herrn bei diesem Kampf beistand, mir beistehen, um euch recht zu belehren, und euch, um mir gut zuzuhören. Darum müssen wir ihn durch die Fürsprache Unserer lieben Frau bitten. Ave Maria.

Es gibt drei Arten von Gütern für den Menschen auf dieser Welt: das Nützliche, das Angenehme und das Ehrenhafte, und wir werden zu allem Unterfangen und zu allem Tun durch eines dieser drei Mittel angeregt: entweder durch den Nutzen oder durch das Vergnügen oder durch die Ehrbarkeit. Es gibt aber nichts, was unserem Willen ganz angemessen wäre, als die Ehrbarkeit; denn wenn der Wille nach der Ehrbarkeit strebt, soviel er will, wird er stets nur gut und lobenswert sein; wenn er sich aber über ein bestimmtes Maß und über eine Grenze hinaus der Nützlichkeit und dem Vergnügen hingibt, wird er dadurch schlecht. Wenn die Nützlichkeit zu groß ist, verwandelt sie sich in Habsucht. Der Wunsch nach Vergnügungen kann sich im Geist und im Leib finden; das leibliche heißt Wollust, das geistige Ruhm und Hochmut. Das sind die drei großen Übel in dieser Welt; denn wie der hl. Johannes in seinem ersten Brief (2,16) sagt, ist alles in der Welt entweder Begierlichkeit des Fleisches oder Begehrlichkeit der Augen oder Hochmut des Lebens. Das heißt, wir müssen uns vor drei Dingen hüten: vor Wollust, Geiz und Hochmut; denn wir können das Maß überschreiten, indem wir zu sehr nach äußeren Gütern und Bequemlichkeiten für den Leib und zu viel Ehre für den Geist erstreben. Entsprechend diesen drei Arten des Lasters unternimmt Satan heute drei heftige Angriffe gegen den großen Feldherrn; denn was das Vergnügen des Leibes betrifft, sagt er ihm: Wenn du der Sohn Gottes bist ...; was den Hochmut betrifft: Stürze dich hinab ...; was die Habsucht betrifft: Das alles will ich dir geben (Mt 4,3.6.9).

Aber gut angegriffen, gut abgewehrt. Doch betrachten wir, dem Bericht des Evangeliums folgend, ein wenig die Zeit und die Umstände. Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden.

''Dann wurde Jesus vom Geist geführt in die Wüste um versucht zu werden.''

Nach der Taufe, um zu zeigen, daß die Christen zum Kampf berufen sind. Bevor er zu predigen begann, um zu zeigen, daß das Leben des Predigers Versuchungen unterworfen ist. Er stieg auf den Berg, um zu zeigen, daß die Versuchungen dem Menschen überallhin folgen. Er wird vom Heiligen Geist geführt genannt, damit wir tiefer von dieser Versuchung denken. Damit der böse Geist, der in der Schlange siegte, vom Heiligen Geist im Herrn besiegt werde. Der rechte Ort für den Kampf. Damit jener, der im Garten siegte, in der Einöde besiegt werde. Damit er mit den Augen, den Ohren und mit allen Sinnen des Leibes faste. Damit er mit der Kasteiung des Leibes als Vorbild für uns den Entzug der vergänglichen Dinge und die Flucht vor eitlem Ruhm verbinde. Damit wir wissen, daß niemand vor dem Kampf gefeit ist. Damit wir zuversichtlich auf den Sieg hof- fen. Damit er uns lehre, wie wir siegen, und wir belehrt werden, daß wir durch seinen Beistand geschützt sind.

Er fastete vierzig Tage und vierzig Nächte. Ich frage: warum das? 1.Um das Fasten durch sein Beispiel zu heiligen. 2. Um das Fasten als geistliche Waffenrüstung zu zeigen. 3. Um zu zeigen, daß das Fasten das geeignete Mittel ist, geistliche Dinge zu empfangen. 4. Um durch Mäßigkeit zu heilen, was Adam durch Gier zerstört hat. 1. Folgen wir also seinem Beispiel. 1 Kor 4,16: Ahmt mich nach, wie ich Christus. – 2. Ergreifen wir die Waffen des Fastens; die Stadt des Teufels muß durch Hunger eingenommen werden. Diese Art von Dämonen wird nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben (Mt 17,20; Mk9,28). – 3. Nützen wir (die Zeit) zum Gebet. Dan 10,12: Von dem Tag an, da du ein Herz faßtest, dich im Angesicht Gottes zu kasteien, sind deine Worte erhört worden. Vorher (10,2f) hatte er gesagt: Drei Wochen habe ich getrauert, das köstliche Brot nicht gegessen, Fleisch und Wein kam nicht in meinen Mund. – 4. Als Heilmittel gegen die Sünden. Jona (3,7-10): Sie fasteten vor dem Herrn, und Gott sah ihre Werke.

Da hungerte ihn. Und der Versucher sagte zu ihm: Wenn du der Sohn Gottes bist, sag, daß die Steine.

Einerseits zeigte er die göttliche Macht, wie ehedem nicht; andererseits die menschliche Natur, da ihn dann hungerte. Der Versucher, der den ersten Adam besiegte, um über den zweiten zu siegen. Der Versucher zum Bösen, damit aus dem guten Werk ein böses werde. Der Ankläger der Brüder, um auch den Vater anzuklagen. Um zu wissen, ob er es ist; wenn nicht, um ihn zum Hochmut zu verleiten. Gott wirkt durch das Wort. Er konnte das, der bewirkte, daß sich der Stab des Mose in eine Schlange verwandelte (Ex 4,3). Zur Begierde: „Es fehlt ihm das Ergötzen der Bäume, es fehlt ihm Eva als Trösterin, es fehlt ihm die köstliche Lockung der Äpfel. Da er keine Speise fand, um sie dem Hungrigen anzubieten, verlangt er, die Steine in Brot zu verwandeln“ (Ambr., Sermo 35).

Er antwortete ihm und sagte: Es steht geschrieben, nicht vom Brot allein ... Ex 8,3 über das Manna. Die Heilige Schrift hilft gegen Versuchungen. Die Vorsehung Gottes. Dann führte er ihn in die Heilige Stadt, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sagte: Stürze dich hinab; es steht geschrieben ... Wie läßt Christus sich vom bösen Geist führen? Was Wunder, wenn wir auf so verschiedene und sonderbare Weise vom Teufel geplagt werden?


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