„Franz von Sales - Patron der Journalisten“

Liebe Schwestern und Brüder,

Patrone haben in unserer Kirche eine lange und gute Tradition. Namenspatrone, Schutzheilige, Nothelfer stehen bereit, wenn’s brennt, stehen als Fürsprecher bei Gott zur Verfügung, sind Helfer in allen möglichen Nöten und Anliegen. Der hl. Antonius hilft, wenn wir etwas verloren haben und wieder finden wollen. Der hl. Christopherus gewährt Schutz im Straßenverkehr. Jeder Berufsgruppe steht ein himmlischer Ansprechpartner zur Verfügung. Nun gibt es auch für die Journalisten und Medienschaffenden einen solchen Schutzpatron: Franz von Sales (siehe dazu auch: Patron der Journalisten und Schriftsteller). Seit 1923 hat dieser Heilige, der von 1567 bis 1622 lebte, diese ehrenvolle Aufgabe inne. Doch, so könnte man fragen: Wozu? In welcher Not, in welchem journalistischen Anliegen soll dieser Heilige helfen? Ist die Berufsgruppe der Journalisten auf einen solchen Heiligen überhaupt angewiesen? Wird er überhaupt gebraucht?

Offensichtlich nicht, denn es nimmt kaum jemand Notiz von ihm. Und kaum jemand weiß, warum denn gerade Franz von Sales den Journalisten als Patron zur Seite gestellt wurde. Offensichtlich aber brauchen Journalisten doch Hilfe, auch himmlische Hilfe, wenn man in diesen Beruf einmal konkret hineinschaut.

Ich habe hier eine Ausgabe von SAGE & SCHREIBE, der Zeitschrift für Medienberufe in Deutschland. Journalisten schreiben über ihren Beruf, eine Zeitschrift WIR über UNS sozusagen. In dieser Ausgabe findet sich der Beitrag eines Journalisten, der so ehrlich und brisant zu sein scheint, dass der Autor, ein Lokalredakteur aus Baden-Württemberg mit 12jähriger Berufserfahrung, aus Angst um seinen Arbeitsplatz lieber anonym bleiben will. Es geht dabei um die Bestechungsversuche durch Firmen-, Organisationen oder Parteien, die von den Journalisten gerne angenommen werden. Dafür wird dann eben nicht darüber nachgedacht, dass kommunale Bauprojekte immer an ein und dieselbe Baufirma vergeben werden, dass es offenkundige Mängel in der Umwelt- und Entsorgungspolitk gibt, oder dass gewisse politische Entscheidungen einfach nicht hinterfragt werden. Dann geht der anonyme Autor auf das journalistische Konzept seiner Zeitung ein, das er mit den Worten beschreibt: Wir wollen gefällig sein und niemanden stören. Positive Nachrichten und erbauliche Geschichten aus dem Alltag sind wichtig. Politik und Wirtschaft interessieren nicht, jedenfalls dann nicht, wenn irgendwo Arbeitsstellen abgebaut oder Missmanagement betrieben wird.

Sein Fazit: „Über die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit des Journalisten steht nichts in unserem Konzept. Auch nichts über die Pflicht zur präzisen Information oder zur kritischen Kommentierung. Die Bestimmungen, die das Landespressegesetz über die Aufgabe der Presse enthält, würde unsere Verlagsleitung vermutlich für linke Kampfparolen halten, wenn sie ohne Quellenangabe zitiert würden.“ Und vielleicht auch die Aussagen des heiligen Franz von Sales, könnte ich heute, wo wir sein Fest feiern, hinzufügen.

Franz von Sales jedenfalls steht für Wahrheit, Objektivität, zeitgerechte Orientierung am Rezipienten, Achtung vor der Personenwürde, Unbestechlichkeit, Glaubwürdigkeit, Genauigkeit in der Recherche und für einen guten sprachlichen Stil. Er steht somit für einen Journalismus, der auch vom deutschen Presserat erträumt wird, und den sich - falls man den unterschiedlichsten Meinungsumfragen Glauben schenken will - auch die meisten Menschen von Heute wünschen.

Es existiert also offensichtlich gerade im Journalismus ein großes Theorie-Praxis-Problem. Der Journalist wird in der Wirklichkeit den Ansprüchen nicht gerecht, die er sich selbst und viele an ihn stellen.

Niemand ist gezwungen, die Hilfe eines Patrons in Anspruch zu nehmen. Trotzdem glaube ich, dass es manches Mal ganz nützlich sein kann, es zu tun. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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