„Die Oblaten des hl. Franz von Sales“

(Joh 10,1-10)

Liebe Schwestern und Brüder,

vergleicht man das biblischre Reden von Gott mit der Philosophie, dann fällt auf, dass in der Bibel von Gott ganz anders gesprochen wird, viel handfester und praktischer. Erst gestern habe ich eine Stelle bei Jesaja gefunden, in der Gott als Maurer bezeichnet wird, der die Ruinen dieser Welt wieder bewohnbar macht. Und im heutigen Evangelium sagt Jesus: „Ich bin der gute Hirt, der die Seinen mit Namen ruft“ - „Ich bin die Tür. Und wenn du durch diese Tür gehst, dann ist das deine Rettung.“ Die Bibel verwendet für Gott Bilder, mit denen man etwas anfangen kann.

Und das Bild des Hirten und der Tür passt auch wunderbar zum offiziellen kirchlichen Thema des heutigen Sonntages: dem Weltgebetstag der geistlichen Berufe. Alle Katholiken der ganzen Welt sind heute aufgerufen, um Priester- und Ordensnachwuchs zu beten.

In unserer Kirche gibt es viele Möglichkeiten, diesem Ruf zu folgen. Ich möchte diesen Sonntag einmal benutzen, um Euch jenen Weg vorzustellen, den ich gehe, den Weg meiner Ordensgemeinschaft, den Oblaten des hl. Franz von Sales. Wir sind ja im Verhältnis zu anderen Orden eine ganz kleine Gemeinschaft. Auf der ganzen Welt gibt es ungefähr 600 Oblaten, und zwar in Deutschland, Österreich, Schweiz, Holland, Frankreich, Italien, in den Vereinigten Staaten, Brasilien, Ecuador, Namibia, Südafrika, Benin, Indien und Philippinen. Wenn ich mich irgendwo als Oblate vorstelle, dann ist die Antwort meist: Ah, sie sind Salesianer, das sind doch die vom hl. Don Bosco! Nein, sage ich dann, die Don Bosco Salesianer sind mit ihren 18 000 Mitgliedern nur unsere großen Brüder. Ich bin Oblate des hl. Franz von Sales.

Und wer ist das? werde ich dann gefragt, was machts ihr so, was ist Eure Aufgabe? Und dann erzähle ich ihnen meistens folgende Begebenheit:

Eine Vertretung der Oblaten wurde 1961 von Papst Johannes XXIII. empfangen. Und der Papst fragte damals auch nach unseren Aufgaben. Dann sagte ein Mitbruder: „Ja, also, wir haben Schulen, Pfarreien, wir sind in der Mission, wir haben den Franz-Sales-Verlag, wo wir die Schriften des hl. Franz von Sales veröffentlichen, wir haben eine Zeitschrift, das Licht, und auf verschiedensten anderen Seelsorgsgebieten sind wir auch tätig.“ Erstaunlicherweise beeindruckte das den Papst überhaupt nicht. Da meldete sich ein anderer und sagte: „Unsere Aufgabe ist es, im Geist des hl. Franz von Sales zu leben und zu wirken.“ Plötzlich erhellte sich das Gesicht des Papstes und er sagte: „Das ist gut! Das ist sehr gut!“

Wenn uns also jemand fragt, was das besondere an unserer Ordensgemeinschaft ist, dann lautet die kürzeste Antwort: „Wir Oblaten sind eine Ordensgemeinschaft von Priestern, Diakonen und Brüdern, die versuchen den Geist des hl. Franz von Sales zu leben und zu verwirklichen. Franz von Sales - sein Name, seine Spiritualität, sein Leben und sein Werk sind Name, Spiritualität, Leben und Werk für uns Oblaten.“

Und was heißt das nun konkret? Wer oder was war denn dieser hl. Franz von Sales, der von 1567 bis 1622 lebte und Bischof von Genf war?

Es gibt da so einige Schlagworte, die sowohl für Franz von Sales gelten, als auch für uns, die wir versuchen, das in unserem Leben als Ordensgemeinschaft umzusetzen.

Da ist zunächst einmal das „Weltoffene Christsein“. Wir kapseln uns von der Welt nicht ab, sondern leben in der Welt. Wir verschanzen uns nicht hinter einer riesigen Klostermauer. Wer von Euch schon einmal im Rosental war, der sieht, wenn man hinaufgeht, so ein kleines Mäuerchen. Dieses Mäuerchen hätte - so wie es vom damaligen Oberen geplant war - eigentlich viel höher ausfallen sollen. Glücklicherweise haben die Mitbrüder früh genug begriffen, dass eine riesen Mauer vollkommen unsalesianisch ist. Und so gibt es kein einziges Kloster von uns, das eine Klostermauer hat, weil die Weltoffenheit für uns wichtig ist.

Dann versuchen wir eine „frohe Gottesliebe“ zu vermitteln. Gott ist für uns nicht ein strafender Gott, der verurteilt, zu Gericht sitzt, sondern der die Menschen liebt. Die Fröhlichkeit, die Freude, der Optimismus, die Lebensbejahung sollten eigentlich Grundeigenschaften für jeden Oblaten sein.

Natürlich geht so etwas nicht von heute auf Morgen. Bei uns heißt es ja auch, dass man frühestens nach 30 Jahren Ordensleben ein guter Oblate sein kann. Der Weg dazu ist aber wieder bezeichnend für uns, es ist der „Weg der kleinen Schritte“. Schritt für Schritt sollen wir in der Nachfolge Jesu vorangehen. Wir sollen nicht laufen, aber auch nicht stehen bleiben, sondern Schritt für Schritt weitergehen.

Eine weitere Besonderheit leitet sich aus einem Wort des hl. Franz von Sales ab: „Alles aus Liebe, und nichts aus Zwang.“ Diese Besonderheit nennen wir „Geist der Freiheit“. Gerade beim Gelübde des Gehorsams sollen wir diesen „Geist der Freiheit“ leben. Wir haben keinen Kadavergehorsam: „Friß oder stirb“, sondern den Gehorsam im Geist der Freiheit: „Alles aus Liebe tun, und nichts aus Zwang.“

Das Leitwort des hl. Franz von Sales ist auch unser Leitwort: „Vivat Jesus - Es lebe Jesus.“ Und das bedeutet für uns nichts anderes als so zu leben wie Jesus Christus, der Gott und Mensch zugleich war, der in seinem Leben keinen Unterschied zwischen Gottes- und Nächstenliebe machte. Es heißt für uns: Verbundenheit mit Gott und ein gütiges Herz für die Menschen gehören zusammen.

Alle Christen sind berufen, Jesus Christus, dem Hirten zu folgen, durch diese Tür hidurchzugehen. All die Schlagworte des hl. Franz von Sales wollen wir nicht nur für uns behalten, sondern allen Christen, mit denen wir Kontakt haben, auch vermitteln. Weltoffenes Christsein, Frohe Gottesliebe, Weg der kleinen Schritte, Geist der Freiheit, Verbundenheit mit Gott und ein Gütiges Herz für die Menschen ist der salesianische Weg, den alle Christen, jeder von uns, gehen darf. Ein Weg, von dem Jesus im heutigen Evangelium sagt: Wer diesen Weg geht, wird das Leben haben und es in Fülle haben.“ Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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