PREDIGT zum 9. Sonntag i. Jk. - LJ C

"Gottvertrauen" (Lk 7,1-10)

Liebe Schwestern und Brüder,

„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Wie oft haben wir dieses Gebet schon gebetet! Es ist fixer Bestandteil der Eucharistiefeier – unmittelbar bevor wir die heilige Kommunion empfangen dürfen.

Das heutige Evangelium schildert uns den historischen Hintergrund dieses Gebetes: Ein heidnischer Hauptmann bittet Jesus um die Heilung seines todkranken Dieners und sein Vertrauen in die Heilkraft Jesu ist so groß, dass er meint, es wäre überhaupt nicht notwendig, in sein Haus zu kommen. Jesu Wort allein genügt vollkommen. Außerdem sei er nicht würdig, dass Jesus sein Haus betrete, da er kein Jude ist. Und einem Juden war es ja verboten, ein nicht-jüdisches Haus zu betreten, um nicht unrein zu werden. Jesus würdigt den großen Glauben des Hauptmannes mit den Worten: „Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.“

Wir feiern heute diese Heilige Messe zusammen mit den Reliquien der heiligen Johanna Franziska von Chantal und des heiligen Franz von Sales. Über das Leben dieser beiden Heiligen werde ich Ihnen ausführlicher heute Nachmittag in einem Vortrag erzählen. Das würde jetzt in der Predigt einfach zu lange dauern. Einen wesentlichen Aspekt ihrer beider Frömmigkeit, die wir heute „salesianische Spiritualität“ nennen, möchte ich allerdings doch erwähnen, weil er so gut zum heutigen Evangelium passt – und von dem ich meine, dass er auch für uns heute bedeutsam ist: es ist das Gottvertrauen.

Ich beschäftige mich jetzt schon 30 Jahre lang mit diesen beiden Heiligen. Fast jeden Tag habe ich mit ihnen zu tun, fast jeden Tag begegne ich diesem oder jenem Wort von ihnen – und es ist wirklich faszinierend, wie sehr sie trotz all ihrer Sorgen, Probleme, Nöte, Schicksalsschläge, Krankheiten darauf vertrauten, dass Gott sie nicht im Stich lassen wird. Aus den vielen, vielen Geschichten, die es von den beiden dazu gibt, möchte ich nur eine herausgreifen. Es war der Januar des Jahres 1612. Die beiden Heiligen haben gerade ihr gemeinsames Werk gegründet, den Orden der Heimsuchung Mariens – heute „Salesianerinnen“ genannt. Die Ordensgemeinschaft hat gerade zu wachsen angefangen, als Johanna Franziska von Chantal schwer erkrankte. Die Ärzte hatten keine Hoffnung mehr, dass Johanna wieder gesund werden würde, und teilten dies Franz von Sales mit. Für den Bischof war diese Nachricht ein richtiger Schock. Ihm war klar: Wenn Johanna Franziska stirbt, dann stirbt auch ihr gemeinsames Werk. Die Ordensgemeinschaft war noch viel zu jung, um ohne die Gründerin Johanna Franziska auskommen zu können. Und wie reagierte Franz von Sales in dieser äußerst schwierigen Situation? Er reagierte genauso wie unser Hauptmann aus dem heutigen Evangelium: er legte alles in Gottes Hände. „Wenn der erhabene Architekt unseres gemeinsamen Bauwerkes“ – so können wir in einem seiner Briefe lesen – „das Fundament zu sich holen will, dann wird er schon wissen, was mit dem Rest des Gebäudes geschehen soll.“ Also: Wenn es Gottes Wille ist, dass Johanna Franziska stirbt, dann wird Gott schon wissen, wie es mit der neu gegründeten Ordensgemeinschaft weitergehen soll – und wenn es sein Wille ist, dass diese Gemeinschaft wieder endet, bevor sie richtig begonnen hat, dann ist es auch gut. Hauptsache es geschieht das, was Gott will.

Es gibt eine ganze Reihe von solchen Episoden aus dem Leben dieser beiden Heiligen – und nicht alle gehen gut aus. Johanna lebte nach ihrer schweren Erkrankung noch dreißig Jahre weiter und die Heimsuchungsschwestern gibt es heute noch. Aber in anderen Fällen gab es kein so gutes Ende. Aber immer waren sich die beiden Heiligen sicher: Gott hat alles im Griff, er weiß, was er will – mit ihm wird alles gut, auch wenn es jetzt gerade nicht danach aussieht. „Du darfst alles verlieren“, sagt Franz von Sales, „nur nicht den Lebensmut und das Vertrauen, dass Gott dich trägt.“ Sehr oft, wenn ich in den Biografien dieser beiden Heiligen lese, kann ich – so wie Jesus im heutigen Evangelium - über diesen Glauben und dieses Gottvertrauen nur staunen. Was machte die beiden Heiligen so sicher? Es war ihre Überzeugung, dass Gott die Liebe ist – und wenn Gott die Liebe ist, dann ist alles, was durch ihn geschieht, gut. Wenn wir heute ihre Reliquien unter uns haben, dann meine ich, dass sie uns genau das beibringen wollen: Leute, macht euch bewusst, Gott ist die Liebe – wer auf ihn vertraut wird nicht verloren gehen, selbst wenn es in deinem Leben drunter und drüber gehen sollte.

In der berühmten Philothea des heiligen Franz von Sales können wir genau das nachlesen. Dort schreibt er: „Mag nicht nur um uns herum, sondern auch in uns alles drunter und drüber gehen, mag unsere Seele traurig oder vergnügt und fröhlich, verbittert und unruhig oder friedlich, im Licht oder in der Finsternis der Versuchung, mag sie ruhig und voll Freude oder voll Ekel sein, in Trockenheit oder Seligkeit, mag die Sonne sie versengen oder der Tau sie erfrischen: immer soll unser Herz, unser Geist und der höhere Wille … unablässig auf die Gottesliebe als ihr einziges und höchstes Gut schauen und ausgerichtet sein. Dann wird uns nichts von unserem Ziel abbringen, für das Gott uns bestimmt hat.“

„Herr ich bin nicht würdig, das du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Wenn wir heute diese Worte in der Gegenwart der Reliquien der heiligen Johanna Franziska von Chantal und des heiligen Franz von Sales beten, dann bitten wir sie auch um Hilfe darum, dass es uns gelingt, in diesem Gottvertrauen, das sie durch ihr Leben getragen hat, zu wachsen und gefestigt zu werden. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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