PREDIGT zum 7. Ostersonntag - LJ C

"Sehnsucht nach Einheit" (Joh 17,20-26)

Liebe Schwestern und Brüder,

es gibt immer wieder verborgene Talente, die es zu entdecken gilt. Mit einem solchen Talent möchte ich euch heute einmal bekannt machen. Es ist Carolin Rixner, sie schreibt sehr schöne Geschichten. Eine davon, passt wunderbar zum heutigen Evangelium, daher möchte ich sie jetzt erzählen.

Bei dieser Geschichte geht es um den Flug eines Schmetterlings. Er ist gerade seinem Puppendasein entschlüpft und entdeckt sich auf einer wunderschönen, stillen, friedlichen Wiese. Aber der Schmetterling ist natürlich neugierig und er macht sich auf Entdeckungsreise. Er kommt in eine Stadt und plötzlich ist alles anders: Lärm und Gestank, Geschrei, Gehupe, Unruhe. Der Schmetterling will gerade vor all dem fliehen, da entdeckt er auf einem Balkon eine Blume und lässt sich hoch erfreut darauf nieder. Aber seine Freude dauert nicht lange. In der Wohnung, zu der die Balkon gehört, wird ein Tür wütend zugeschlagen. Gleich darauf schreit eine Frau: „Du weißt ja nicht einmal mehr, wie ich aussehe! Du bist ja nie zu Hause! Immer nur Arbeit! Wahrscheinlich macht deine hübsche Sekretärin mit dir Überstunden. Was weiß ich, was ihr treibt!“ Der Mann schreit zurück: „Du siehst doch Gespenster! Du bist ja paranoid! Wer bringt denn das Geld nach Hause, von dem wir leben? Wer rackert sich denn ab, damit du dir Klamotten kaufen kannst?!“ Nun ist wieder ihre Stimme zu hören: „Ich habe meinen Job nur wegen dir aufgegeben! Und jetzt?! Jetzt muss ich mir so was von dir anhören ....!“ Der junge Schmetterling war schon wieder fürchterlich erschrocken. „Ich muss meine Wiese wieder finden“, sagt er und hält verzweifelt Ausschau nach diesem ruhigen friedlichen Ort.

Die Geschichte endet damit, dass der Schmetterling seine Wiese schließlich wiederfindet und beschließt, diesen Ort der Ruhe und des Friedens nie wieder zu verlassen. Zwietracht und Streit gehört zu unserer Wirklichkeit. In der Familie wird gestritten, unter Nachbarn, im Kloster, in der Kirche, in der Politik, in der ganzen Welt. Nur allzu oft eskaliert dieser Streit zur Katastrophe, zum ausgewachsenen Krieg, wo die Fetzen fliegen, Bomben explodieren, Gewalt und Tod regieren. Es gibt auch den lautlosen Krieg, den Krieg ohne Worte, den kalten Krieg des eisigen Schweigens.

Die Sehnsucht nach Frieden und Ruhe – wie sie unsere Geschichte vom Schmetterling so schön zum Ausdruck bringt – gehört aber genauso zu unserer Wirklichkeit. Streit belastet das Leben und nimmt einem die letzten Energien, Frieden baut das Leben auf, schenkt Kraft und Stärke. Dass Streit, Zwietracht, Krieg unter uns trotz all unserer Sehnsucht nach Frieden und Einheit nicht aus dieser Welt zu verbannen ist, ist ein Beweis dafür, dass wir Menschen noch nicht an unser Ziel angekommen sind, nach dem wir uns sehnen, auf das wir zustreben.

Wenn Jesus im heutigen Evangelium inständig darum bittet, dass seine Jünger eins sind, wie er selbst mit seinem Vater im Himmel eins ist, dann spricht er damit genau diese Sehnsucht des Menschen nach Einheit und Frieden aus. Jesus bittet um die Einheit unter den Menschen, weil er weiß, dass damit aller Streit und aller Krieg ein Ende hat und die Menschen ihr Ziel erreichen.

Zu einem gewissen Teil liegt die Erhörung dieses Gebetes auch an uns selbst. Eine ganze Menge an Streit und Zwietracht ist selbstgemacht und vollkommen unnötig, gründet auf reiner Dummheit und sinnloser Rechthaberei. Und genau da müssten wir Christen anfangen, uns bei der Nase zu nehmen und zu sagen: um der Einheit willen, um des Friedens willen, lasse ich mich auf solche Streitigkeiten nicht ein.

Das geht manchesmal wirklich einfacher als man vielleicht denkt. Zum hl. Franz von Sales kam zum Beispiel einmal ein Mann, der wegen seines aufbrausenden und streitsüchtigen Temperaments stadtbekannt war. Dieser Mann fragte den Heiligen, was er denn dagegen tun könnte. Und Franz von Sales antwortet: Also als ersten Schritt fangen sie einmal damit an, die Türen nicht mehr so laut zuzuschlagen. Wenn sie das können, dann kommen sie wieder.“

Jesus bittet den Vater um die Einheit. Mit ein bisschen Nachdenken, können wir Jesus bei der Erfüllung dieser Bitte sehr leicht helfen. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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