PREDIGT zum 31. Sonntag i. Jk. - LJ C

"Sehnsucht nach Gott" (Lk 19,1-10)

Liebe Schwestern und Brüder,

alles beginnt mit der Sehnsucht ... so behauptet jedenfalls die jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs. Wenn diese Aussage stimmt, dann gilt dies auch für den Glauben an Gott. Und vieles spricht dafür, dass Gott tatsächlich in jeden Menschen von Anfang an eine Ursehnsucht nach ihn eingepflanzt hat. Jedenfalls gehört die Frage nach Gott schon immer zu einer Grundfrage des Menschen.

Seit es Menschen gibt, haben sie sich auf die Suche nach Gott, nach dem Sein allen Seins, nach dem Ursprung alles Geschaffenen gemacht. Auch von großen Mystikern, wie etwa der heiligen Teresa von Avila, gibt es Aussagen, die von dieser Ursehnsucht des Menschen nach Gott sprechen. Teresa von Avila meint: „Gott ist so groß, dass er es wert ist, von uns ein Leben lang gesucht zu werden.“ Oder das berühmte Wort des heiligen Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Gott“. Diese Unruhe des Herzens ist nichts anderes als die Sehnsucht, Gott zu suchen und zu finden.

Aber auch solche, Menschen, die von sich behaupten, nichts zu glauben bzw. Atheisten zu sein, wie etwa der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt, sagen: „Wir können Gott nicht sehen, aber wir vermögen ihn immer zu suchen“. Es muss also etwas dran sein, dass in jedem Menschen eine Sehnsucht nach Gott schlummert, egal ob ihm das nun bewusst ist, wie den heiligen Mystikern, oder ob sie diese Sehnsucht nicht wahrhaben wollen, wie bei so genannten Atheisten.

Der heilige Franz von Sales jedenfalls ist davon überzeugt, dass Gott in jedem Menschen eine Sehnsucht nach ihm eingepflanzt hat. Er zieht diesen Schluss aus dem Hohelied der Liebe des Alten Testamentes, wo die Liebende so lange nach ihrem Geliebten sucht, bis sie ihn endlich gefunden hat und ihn dann nicht mehr loslässt. In seinem theologischen Hauptwerk Theotimus beschreibt er diese Sehnsucht mit folgenden Worten: „O Jesus! Welche Freude für das menschliche Herz, Gottes Antlitz schauen zu dürfen: Gottes Antlitz, Gegenstand unserer Sehnsucht, ja alleiniges Verlangen unserer Seelen!“ (DASal 3,188).

Es muss natürlich nicht immer eine so vollendete mystische Sehnsucht sein, die in uns aufbricht. Es gibt auch die etwas kleinere Variante: nämlich die Neugierde, allerdings nicht die negative Neugierde als Gier nach Neuem und Sensationellem, sondern die positive Neugierde, so wie sie uns das heutige Evangelium vom Zöllner Zachäus schildert. Dieser kleine Gauner, der den Menschen schamlos das Geld aus den Taschen zieht, wird neugierig auf Jesus. Und dies Neugierde treibt ihn aus seinem Haus heraus. Und dann erlebt er eine erste Enttäuschung. Jesus wird von so vielen Menschen belagert, dass er selbst nicht rankommt. Aber die Neugierde in ihm lässt nicht locker. Sie treibt ihn sogar auf einen Baum hinauf, damit er diesen Jesus Christus wenigstens sehen kann ... und Jesus belohnt ihn dafür, indem er Zachäus anspricht: „Zachäus komm herunter, ich will heute in deinem Haus Gast sein.“

Dann erleben wir etwas Erstaunliches. Zachäus öffnet nicht nur seine Türen und bereitet Jesus ein Fest, sondern er öffnet auch sein Herz, er ist bereit, umzukehren, neu anzufangen, und das sogar viermal mehr als notwendig. Dadurch ist es Jesus möglich zu sagen: Heute ist diesem Hause Heil wiederfahren. Was können wir daraus für unsere eigene Gottesbeziehung und Gottessehnsucht lernen?

Gottesbegegnung setzt eine gewisse Neugierde voraus, die uns antreibt unsere eigene kleine Welt zu verlassen und hinauszuschauen. Dann erfordert es eine gewisse Anstrengung: manchmal muss ich schon bereit sein, so etwas wie einen Baum zu erklimmen, um Jesus begegnen zu können. Und schließlich muss ich bereit sein, Jesus Christus bei mir aufzunehmen, ihn also in mein Haus lassen, in mein ganz normales alltägliches Leben, selbst dann, wenn es dafür notwendig ist, mein Leben zu ändern. Aber das erste ist immer die Neugierde, das Interesse für Jesus und seine Botschaft, wenn diese nicht vorhanden ist, dann wird es selbst für Gott sehr schwer, uns zu begegnen, auch wenn er derjenige ist, der gekommen ist zu suchen und zu retten, was verloren ist. Die Gleichgültigen, denen Gott völlig egal ist, die also nicht einmal neugierig sind herauszufinden, wer Gott ist und welche Botschaften er für uns bereit hält, die werden Gott leider nicht finden können.

Noch eine kleine Geschichte zu Abschluss: Ein Mann kam zu einem Weisen, um ihn zu fragen, wie man Gott finden könne. Anstelle einer Antwort packte der Weise Mann diesen Gottsucher, zerrte ihn zu einem Brunnen und steckte dessen Kopf unter Wasser, als ob er ihn ertränken wolle. Nach einiger Zeit holte er ihn wieder heraus und fragte den Gottsucher, was er gefühlt habe. Und dieser antwortete: Ich spürte eine unendliche Sehnsucht nach Luft. Und dann sagte der Weise Mann: wenn deine Sehnsucht nach Gott so groß ist, wie deine Sehnsucht nach Luft in diesem Augenblick, dann wirst du Gott finden. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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