PREDIGT zum 27. So.i.Jk. - LJ A - 2

"Vertrauen" (Mt 21,33-44)

Liebe Schwestern und Brüder,

was sagt man einem Menschen, der fast nicht mehr leben kann, weil sein Vertrauen missbraucht wurde?

Letzte Woche hatte ich einen solchen Menschen am Telefon. Er hat sich einem anderen Menschen anvertraut und wurde dafür schamlos ausgenützt und zerstört.

Ich weiß auch nicht, was man darauf sagen kann. Mir wurde nur wieder klar, dass Missbrauch von Vertrauen tiefere Wunden schlagen kann als äußere Gewalt.

Deutschland wurde erschüttert vom Entführungsfall des 11-jährigen Jakob von Metzler. Was diese Tragödie noch einmal verschärft ist offenbar die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter der Familie bekannt war und als äußerst sympathisch und hilfsbereit galt. Wie soll man sich vor Menschen schützen, denen man vertraut und von denen man nie erwartet, dass sie einem Böses antun wollen?

Das Gleichnis, das uns Jesus heute erzählt, kann man in seiner ganzen Fülle eigentlich nur verstehen, wenn man es mit dem Begriff „Vertrauen“ betrachtet. Der Weinbergsbesitzer vertraut seinen Besitz seinen Winzern an. Er kennt sie, er weiß, dass sie gut arbeiten, und er ist davon überzeugt, dass sein Weinberg bei ihnen gut aufgehoben ist. Mit einem aber hat er nicht gerechnet: dass diese Winzer sein Vertrauen missbrauchen, und zwar grenzenlos. Zunächst verprügeln sie seine Knechte ... und dann gehen sie sogar soweit, seinen eigenen Sohn zu ermorden. Ihr Motiv: Geld- und Machtgier. Wenn der Erbe getötet ist, dann gehört uns der Weinberg und wir brauchen vom Erlös nichts mehr hergeben.

Jesus erzählt diese Geschichte, um den Menschen vor Augen zu führen, wie sie mit Gott umgehen. Gott vertraut den Menschen. Er übergibt ihnen diese Welt, das Leben ... und sein Vertrauen wird missbraucht. Sie hören nicht auf seine Stimme, missachten seine Gebote, wollen nur ihren eigenen Vorteil, treten das Heilige mit Füßen. Und das geht sogar soweit, dass sie nicht einmal vor seinem eigenen Sohn Halt machen. Der Sohn Gottes selbst wird dem Tod überliefert. Jesus kündigt mit dieser Geschichte also sein eigenes Schicksal an .... und er erklärt seinen Tod als Missbrauch jenes Vertrauens, das Gott den Menschen geschenkt hat.

Doch Gott ist treu. Trotz aller Vertrauensbrüche, die ihm angetan wurden, hört er nicht auf, auf der Seite der Menschen zu stehen. Der Stein, so heißt es am Schluss, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden.

Der Mensch kann noch so grausam mit seinem Gott umgehen, heißt das, ihn mit Füßen treten, kreuzigen ... Gott wird ihn nicht verlassen, ihm sein Vertrauen entziehen. „Gott verlässt uns nicht“, sagt einmal der hl. Franz von Sales, „es sei denn wir ziehen uns von ihm zurück.“ Jesus zeichnet uns also ein Gottesbild, das man nur noch staunend anbeten kann, vor allem wenn man bedenkt, wie schmerzvoll es uns selbst ergeht, wenn wir einmal erleben, wie unser Vertrauen, das wir jemandem geschenkt haben, missbraucht wurde. Solche Wunden gehen ganz tief ... trotzdem sagt Gott auch weiterhin Ja zu uns Menschen.

Im kleinen Prinzen von Antoine de Saint Exupery steht der berühmte Satz: „Du bist stets für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Das sollten wir uns als tiefe Wahrheit merken. Egal ob es Gott ist, oder die Menschen um uns herum: Wenn das Vertrauen in einer Beziehung eine Rolle zu spielen beginnt, dann wächst die Verantwortung, weil die Gefahr des Wehtuns, des Schmerzenzufügens immer größer wird. Gott hat uns sein ganzes Vertrauen geschenkt ... was das bedeutet, darüber denkt einmal nach. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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