Louis Brisson (1817-1908)

Priester, Gründer der Oblatinnen und Oblaten des hl. Franz von Sales

GEDENKTAG: 12. Oktober

Sieht man in einem gängigen „Namenstagskalender“ nach, so findet sich über Louis Brisson folgender kurzer Eintrag: „Louis Alexander Brisson. Geboren 23. Juni 1817 in Plancy, Frankreich. Gründete 1875 die Kongregation der Oblaten des hl. Franz von Sales, deren Mitglieder sich der Erziehung sowie der Seelsorge widmen. Gestorben 2. Februar 1908 in Plancy.“

In der Kürze liegt nicht nur die Würze, manchmal fehlt ihr auch das Wesentliche, die Seele, gerade wenn es um ein Menschenleben geht, das wie dieses über 90 Jahre lang auf dieser Erde dauerte. Dem Leben des Abbé Brisson wird man nicht in fünf Zeilen gerecht und auch nicht in 50, wie in diesem kurzen Lebensbild. Aber ein Anstoß soll gegeben werden, über einen interessanten Mann des 19. Jahrhunderts nachzudenken, dessen Seligsprechung am 22. September 2012 stattfinden wird.

Von Plancy nach Troyes

Plancy ist heute ein verträumtes Nest in der Champagne, in der Nähe von Troyes, in Frankreich. Der Ort, in dem Louis Brisson 1817 geboren wurde, sollte fast hundert Jahre später auch sein Sterbeort werden.
In der Schule begann sich Louis bereits intensiv für die Naturwissenschaften Mathematik, Biologie, Chemie und Physik zu interessieren, ein Hobby, das ihn dazu anspornen wird, eine astronomische Uhr zu konstruieren und zu bauen, die Sternenzeit, Sonnenzeit, Weltzeit, die absolute Zeit und die mittlere Zeit aller Länder der Erde anzeigt. Diese Uhr ist noch heute im Kloster der Oblatinnen des hl. Franz von Sales in Troyes zu bewundern.
Seine Priesterweihe am 18. Dezember 1840 war alles andere als das, was man sich heute für gewöhnlich unter diesem einzigartigen Fest vorstellt. 27 Grad Kälte, kein anständiges Essen, keine feierlichen Reden, sondern eine Drohpredigt darüber, dass jeder unwürdige Priester von Gott bestraft werde. Die äußeren Umstände machten Brisson damals viel weniger aus, als dieses Bild eines strafenden Gottes, vor dem sich jeder zu fürchten habe. Damit war Louis Brisson ganz und gar nicht einverstanden, da er bereits die Freude, den Optimismus und die Güte jenes Heiligen kennengelernt hatte, der sein Leben und Wirken bis zu seinem Tod entscheidend prägen wird: Franz von Sales, der Heilige der Sanftmut, der in seinen Schriften die Überzeugung vermittelte, dass Gott nicht ein Gott der Strafe, sondern ein Gott der Liebe ist.

Die drei „Wunder“

Bereits ein Jahr nach seiner Priesterweihe trifft er auf die zweite Person, die sein Leben nachhaltig beeinflussen wird: Maria Salesia Chappuis, eine Schwester des Ordens der Heimsuchung Mariens. Diese Ordensgemeinschaft wurde 1610 vom hl. Franz von Sales und der hl. Johanna Franziska von Chantal gegründet. Die „Gute Mutter“, wie Maria Salesia Chappuis von allen genannt wird, war nun davon überzeugt, dass sie und Louis Brisson dazu ausersehen sind, jenen Plan des hl. Franz von Sales in die Tat umzusetzen, den dieser auf Grund seines frühen Todes nicht mehr verwirklichen konnte, nämlich die Gründung eines Männerordens.
So sicher sich Maria Salesia für dieses „Werk“, wie sie es nannte, berufen fühlte, so unsicher war sich Louis Brisson. Die so genannten drei „Wunder“, die dann mit ihm geschahen, gehören sicher zu den außergewöhnlichsten Abschnitten in seinem Leben. Diese „Wunder“ begannen immer mit der Weigerung Brissons, einen Männerorden zu gründen, und mit der Aussage: „Wenn es wirklich der Wille Gottes ist, dann ...“. Ja, dann soll er dafür sorgen, dass ich die Miete für eine Familie erhalte, die sonst auf der Straße landet. Am nächsten Tag überreicht Maria Salesia ihm eine „zufällige“ Spende. Ja, dann soll die Schülerin Fanny de Champeau, die kaum Lesen und Schreiben konnte, in den Beichtstuhl kommen, und einen bestimmten Satz aus dem riesigen Werk des hl. Thomas von Aquin im lateinischen Original zitieren. Am nächsten Tag ist die Schülerin die erste im Beichtstuhl und zitiert den Satz im astreinen Latein. Ja und schließlich soll nicht einmal ein auferstandener Toter die Chance haben, ihn zu überreden. Am 24. Februar 1845 aber geschah es, dass Jesus Christus selbst erschien und Louis Brisson streng anblickte. Dieses dritte „Wunder“ überzeugte Brisson schließlich, es dauerte allerdings immer noch dreißig Jahre bis die Ordensgemeinschaft der Oblaten des hl. Franz von Sales dann tatsächlich gegründet war.

Für die Arbeiterjugend

Dazwischen blieb Brisson natürlich nicht untätig. Vor allem widmete er sich den jungen Arbeiterinnen und Arbeitern, die aus dem Land in die Stadt strömten und keine ordentliche Unterkunft fanden. Brisson wurde 1857 Leiter des Franz-von-Sales-Vereins mit dem Ziel, den Eifer der Gläubigen durch Gebet und tätige Nächstenliebe neu zu entfachen. Aus diesem Verein entstanden vier verschiedene Zweige: das Werk des frommen Lebens, das Werk der Soldaten, das Missionswerk und das Werk der Arbeiterjugend. Für diese Jugend sorgte er sich ganz besonders. Er eröffnete bis 1863 vier Heime, in denen vor allem Mädchen ein neues und solides Zuhause fanden.
Es gelang ihm seine ehemalige Schülerin Leonie Aviat als Leiterin dieser Heime zu gewinnen. 1868 gründete er mit ihr die Oblatinnen des hl. Franz von Sales. Leonie Aviat, die sich als Ordensfrau aus Verehrung zum hl. Franz von Sales Franziska Salesia nannte, wurde am 27. September 1992 selig und am 25. November 2001 heilig gesprochen.

Ein erfülltes Leben

Im Juni 1869 kaufte Brisson das Haus Ma Campagne und richtete dort die Schule St. Bernard ein. Diese Schule und die ersten Mitarbeiter in der Erziehung der Jugendlichen bildeten den Grundstock zur Gründung der Oblaten des hl. Franz von Sales, jenes Männerordens also, den Franz von Sales geplant hatte. 1875 wurden die Oblaten offiziell von der Kirche anerkannt. Wenige Monate später starb Maria Salesia Chappuis, die nun endlich ihr „Werk“ verwirklicht sah.
In den dreißig Jahren, die Louis Brisson seine neue Gemeinschaft noch leitete, verbreitete sie sich bereits über Europa bis nach Afrika, Nordamerika und Lateinamerika aus. Die kirchenfeindliche Lage in Frankreich brachten auch die ersten großen Bewährungsproben. Alle Mitbrüder mussten das Land verlassen, Louis Brisson fühlte sich dazu aufgrund seines hohen Alters allerdings nicht mehr in der Lage und zog sich in seinen Geburtsort Plancy zurück. Dort starb er am 2. Februar 1908 im Alter von fast 91 Jahren.

Gott segnet die liebenden Herzen

Ein Wort von ihm möge diesen Beitrag abschließen, der ein Anstoß sein sollte, über das lange und erfüllte Leben eines besonderen Mannes nachzudenken. Louis Brisson sagte ganz im Geiste des hl. Franz von Sales, der sein Leben begleitete: „Statt die Schranken eurer Liebe mehr und mehr einzuengen, solltet ihr sie immer mehr erweitern; so werdet ihr Gottes Segen ernten, denn Gott segnet nun einmal die liebenden Herzen.“

P. Herbert Winklehner OSFS

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