Menschenfreundlichkeit - Profil für Jesu Führungskräfte
      Predigt zum Fest des hl. Franz von Sales am 23. Januar 2011 im Salesianum Rosental, Eichstätt, von Generalvikar Isidor Vollnhals
      Lesungen: Jes 8,23b - 9,3; 1 Kor 1,10-13.17
        Evangelium: 
      Mt 4,12-23
      
      
I. 
      1.
       Führungskräfte ohne  klares Profil tun sich schwer, ja: sie sind zum Misserfolg bestimmt. Zu einem  derartigen Profil gehört, wie ich gerade der Ankündigung  eines Wissensforums entnehme, sich als Marke  zu begreifen. 
  "Die Marke: ICH - so setzen sie sich charmant in Szene."  und weiter heißt es:
  "Machen Sie eine Marke aus sich und vermarkten Sie sich  richtig. Damit erreichen Sie Ihre Karriereziele schnell und geradlinig."
  " Die Marke hat ein Profil" - wer möchte heute  denn nicht profiliert wahrgenommen werden? (SZ München Nr. 15 vom 20.01.2011 S.  62, Wissensforum 2011, Caroline Krüll, Die Marke: Ich. So setzen Sie sich  charmant in Szene“). 
      Hatte der Apostel Paulus eigentlich ein solches  Markenprofil? Die heutige Lesung (1 Kor 1,10-13.17) wirft die Frage auf, ob  Paulus sich bei den Korinthern richtig vermarktet hatte!
        Seine Position scheint angefochten: "Ich höre, dass es  Zank und Streit unter euch gibt. Jeder von euch sagt etwas anderes: ich halte  zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus!" 
        Nun: Paulus war nicht gecoacht; er lehnte es ab,  Selbstmarketing für die Marke ICH zu betreiben; er war auch kein Netzwerker, wo  die Führungspositionen ausgekungelt werden. 
        Sein Profil kann er aber ganz klar benennen: 
  "Christus hat mich gesandt, das Evangelium zu verkünden,  aber nicht mit gewandten und klugen Worten." Und als Begründung dafür sagt  er kurz und bündig: "Damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht  werde!"
        Und weiter sagt er: "Ist denn Christus zerteilt? Wurde  etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft  worden?"
      Statt also auf ein Profil der Marke ICH zu setzen, fordert  und lebt Paulus eine Haltung, die man als "kardinale Zurücknahme" des  eigenen Ich bezeichnen könnte. Und deshalb, weil er sich selbst zurücknimmt,  kann er glaubwürdig mahnen: "Seid alle einmütig und duldet keine  Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung.“
      2.
"Menschenfreundlichkeit als Profil für Jesu  Führungskräfte", - als Markenzeichen derer, die für die Verkündigung des  Evangeliums leben!
        Heute schauen wir mit der Kongregation der Oblaten des Hl.  Franz von Sales auf einen Verkünder des Evangeliums, der wie Paulus diese  "Tugend der menschenfreundlichen Zurückhaltung" gelebt hat. 
  "Hilf uns sein Beispiel nachzuahmen und zu dienen,  damit durch uns deine Menschenfreundlichkeit sichtbar wird": so beteten  wir im Tagesgebet.
        Gerade mit dieser Verkündigungsmethode konnte der Heilige in  scheinbar aussichtsloser Lage - denken wir an Genf - die Botschaft des  Evangeliums den Menschen nahe bringen. 
      Alle, die in den Wirren der Reformationszeit in gleicher  Weise wie er wirkten, hatten auch, langfristig gesehen, damit Erfolg.
        So etwa in unserer Gegend der Jesuit Pater Jakob Rem, der  1618 starb,        4 Jahre vor dem Tod  des Franz von Sales  im Jahr 1622.    P. Rem war in Ingolstadt der stille,  begnadete Jugenderzieher und Beter. Er bewirkte in den 32 Jahren mehr als der  große, oft scharfzüngige Dr. Johannes Eck, Luthers Gegenspieler.
      Oder ein anderer Zeitgenosse Franz von Sales`, der Jesuit  Petrus Canisius.
        Nicht in scharfer Profilierung gegenüber den Reformatoren,  sondern im positiven Aufzeigen des katholischen Glaubens gewann er die Ohren  und die Herzen der Hörer. Canisius starb 1597, 4 Jahre nach der Priesterweihe  des jungen Franz von Sales, und 5 Jahre vor dessen Weihe zum Bischof von Genf. 
        Paulus, P. Jakob Rem, Petrus Canisius, Franz von Sales: 
        nicht die Marke ICH , nicht Auftreten "mit gewandten  Worten" war ihr Profil, 
        sondern die Verkündigung des Evangeliums durch das Vorleben  der Menschenfreundlichkeit Gottes!
        Und so dienten sie, in ihrer Zeit, der Einheit der Kirche  und der Glaubwürdigkeit des Evangeliums.
      3. 
      "Menschenfreundlichkeit als Profil für Jesu  Führungskräfte"  ist nichts für  weichliche Menschen. Ein Franz von Sales war genausowenig ein Softie oder ein  Weichei wie es auch Paulus nicht war!
        Menschenfreundlichkeit ist kein schwächliches Sichanpassen  an den jeweiligen Modetrend. Sie kennen das Wort: "Wer den Zeitgeist  heiratet, der wird bald Witwer sein!"
        Die Lebensleistung eines Franz von Sales, das große Werk  eines Paulus - es ist eine eindrucksvolle Bestätigung dafür. 
        Lassen wir Franz von Sales   selber sprechen:
  "Ich will keine absonderliche, unruhige, traurige und  verdrossene Frömmigkeit, sondern eine milde, sanfte, angenehme und friedliche,  mit einem Wort: eine freie und fröhliche Frömmigkeit, die liebenswürdig ist vor  Gott und den Menschen." (Magnificat 1/2011, S. 255)
        Der Heilige ist überzeugt, dass "hinreichend gegen die Irrlehre  predigt, wer mit Liebe spricht." Und er ist - in seiner Denkschrift - zu  weitgehenden Zugeständnissen bereit, "solange der Glaube gewahrt  bleibt", den er mit aller Kraft und Liebe verteidigt. 
      Zu dieser Verteidigung des Glaubens gehört für Franz von  Sales freilich auch, dass er "offen die Mitschuld der Kirche damals an der  Glaubensspaltung bekannte: Mitschuld durch Missstände im Klerus und Niedergang  des Ordenslebens."
        Sie alle kennen ja sein Programm zur Erneuerung der Kirche  seiner Zeit, im Anschluss an das Reformkonzil von Trient:
        eine gute Ausbildung der Priester, Reform der verweltlichten  Klöster, Förderung der allgemeinen Bildung und Katechese gegen die religiöse  Unwissenheit des Volkes. 
        Das Beispiel seines eigenen Lebens, seine gelebte Menschenfreundlichkeit,  - das war die "wirksamste Triebkraft der Erneuerung!"
      II.
1.
        
Wie konnte Franz von Sales dieses Profil der  Menschenfreundlichkeit Gottes leben - Ohne Führungskurs, ohne Coaching?
  Die Antwort darauf gibt uns das Evangelium des heutigen  Sonntags.
  Wie die Apostel am See gehörte der Heilige zu denen, die den  Ruf Jesu in die Tat umsetzten: "Kommt her, folgt mir nach!"
  Doch, um nachfolgen zu können, braucht es genauso das  Hinhören auf den vorausgehenden Ruf Jesu: Kehrt um!
      Dieser Ruf - Kehrt um - ertönt heute weltweit von vielen  Propheten der säkularen Welt: auf dem Klimagipfel in Cancun, in den Aufrufen zu  einem verantworteten Umgang mit der Erde als Gottes guter Schöpfung, jenseits  von gentechnischer Landwirtschaft und Dioxineiern. 
        Ja, es ist richtig chic geworden, zur Umkehr aufzurufen. 
        "Du musst dein Leben ändern" - mit diesem  Rilke-Vers überschreibt der Salonphilosoph Peter Sloterdijk 2009 sein Werk. 
        Du musst dein Leben ändern - das sei "zum letzten  Inhalt all der Kommunikationen geworden, die um den Globus schwirren - nämlich:  dass es so nicht weitergehen kann."
        Freilich, dieser Umkehrruf Sloterdijks zielt auf Religion  als "Ensemble von Techniken der Selbstvervollkommnung". Seine Gleichsetzung  von Religion und Ethik führt zu einer moralisierenden, ethischen  Selbst-Überforderung.
        Für Sloterdijk geht der Aufruf zur Umkehr nicht mehr von  einem Gott aus, sondern von der globalen Krise!
      2.
      Wie menschenfreundlich ist dagegen der Umkehrruf Jesu:
  "Du musst dir dein Dasein nicht machen, nicht  verdienen, nicht rechtfertigen, auch nicht durch moralisches Spitzenverhalten,  weil du daran sowieso scheiterst,   sondern es genügt, dass es dich gibt, weil Gott gesagt hat: ich will,  dass du bist!" (HK 3/10, S. 116/117)
      "Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe!"
        Das sagt Jesus heute auch uns, am Fest des Hl. Franz von  Sales. Und er sagt es uns durch das Leben dieses Heiligen.
        Er sagt es damals hinein in das heidnische Galiläa, in das  Volk, das im Dunkel lebte.
      Sagt er es nicht auch heute hinein in das Dunkel - unserer  Welt, unserer Gesellschaft, unseres Lebens?
        Hinein in die Erfahrungen von Sterben und Tod, auf die auch  die subtilste Anthropotechnik eines Peter Sloterdijk keine Antwort weiß!
        Jesus kündigt damals - und auch heute - "ein helles  Licht für das Volk im Dunkel" an!
        Ja, ER ist diese Licht für die Heiden; auch für die  Neuheiden unserer Tage!
      Licht sein - das ist unser Auftrag seit unserer Taufe!
        Photismos - Erleuchtung: so heißt in der griechischen  Orthodoxie die Taufe.
  "Du sollst als Kind des Lichtes leben" - diesen  Taufspruch hat Franz von Sales vorgelebt im Dunkel seiner Zeit.
  "DAS LICHT" - die Zeitschrift der Oblaten des  Franz von Sales, ist damit das große Programm um in seiner Spur zu bleiben, in  der Nachfolge dieses Jesus Christus. Und das ist der Dienst der Söhne und  Töchter dieses Heiligen im Dunkel unserer Zeit.
        Dafür danken wir, dazu lassen wir uns alle einladen und  ermutigen.
        Profilieren auch wir uns als "Kinder des Lichtes"  durch eine zurückhaltende Menschenfreundlichkeit.
        AMEN
      Zitate von Franz von Sales aus:
        - Gebet- und Gesangbuch „Unser Gebet“, Salesianum Rosental  Eichstätt 
        - Zum Begriff „kardinale Diskretionen“: vgl. Albrecht  Grözinger, Toleranz und Leidenschaft, Über das Predigen in einer  plularistischen Gesellschaft, Gütersloh 2004, 24, in Anlehnung an den  Philosophen George Steiner
      
Weitere Fotos von der Feier >>>hier...