Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Januar / Februar 2011

 

Lass dich fallen in die Ewigkeit
P. Peter Lüftenegger OSFS


Ein Unbekannter – er muss wohl mit dieser Aussage unter die Dichter gereiht werden. Die Aussage ist so einfach, vielsagend aus der Natur genommen, bodenständig, hoffnungsvoll:

„Im Herbst, bei kaltem Wetter, da fallen vom Baum die Blätter. – Donnerwetter !! Sieh mal an: im Frühling sind sie wieder dran.“

Da steht die sichere Hoffnung geschrieben, dass das Winter-Eis das Wiedererblühen der Bäume und Blumen nicht aufhalten kann. Es kommt das nächste Leben! „Nach jedem Dezember folgt wieder ein Mai …“ singt es seit Weihnachten, seit der Wintersonnenwende in den Wind. Die Sonne steigt wieder. Auch wenn es stürmt oder schneit: Es ist der Frühling nicht weit – auch in uns. Ein ewiger Frühling. Nach der Fastenzeit kommt Ostern/Auferstehung – gültig für alle Menschen. Der Christ weiß es, das ist der Unterschied. „Lasst euch eure herrliche Hoffnung nicht nehmen!“, mahnt Paulus.
Auch wenn die Blätter fallen, dreht sich die Erde ruhig weiter und wir alle drehen uns mit – auch wenn wir es nicht spüren, wir wissen es, sie dreht sich, und dreht sich dem Licht entgegen. Die Erde dreht sich nur vorwärts, nie rückwärts. So ist es auch mit der Zeit. Sollte uns die Auferstehung Christi nicht auf einen ewigen Frühling hinausschieben?! Ja. Es müssen auch dabei vorher die Blätter des alten Jahres abfallen. Frischer Wind beschleunigt dies.

Es beginnt klein und unansehnlich.

Das Samenkorn ist das göttliche Muster, es hat den ganzen Baum in sich: Fällt es nicht in die Erde, bleibt es allein. „Gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Stärke; was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, ist herrlich; gesät wird ein verweslicher Leib, auferweckt ein herrlicher. Der erste Leib ist irdisch, der folgende stammt vom Himmel. Zuerst kommt das, was irdisch, verweslich, schwach und vergänglich ist – damit niemand sich rühme. Ist der erste Adam sterblich, der zweite, Jesus Christus, ist Leben spendender Geist geworden“ (vgl. 1 Kor 15,42ff).
So erklären uns Natur und Schrift, dass der Mensch zuerst durch diese Armutszone hindurch muss. Wir müssen es gründlich lernen: das Loslassen. Das, was werden soll, ist noch nicht sichtbar. „Du kannst mein Angesicht nicht sehen – kein Sterblicher sieht mich und bleibt am Leben“, antwortet Gott dem Mose, als er dessen Angesicht zu sehen begehrt. Aber Er sagt ihm auch: „Ich werde meine Schönheit an dir vorüberziehen lassen und werde meinen Namen vor dir ausrufen (sich zu erkennen geben) – denn ich erbarme mich eines jeden und gewähre Gnade, wem ich will.“ Aber wollen wir?
Das alles hat eine Bedingung. Wie die Blätter vom Baum fallen, um neu bekleidet zu werden, so muss der Mensch zuerst sich absterben – sich loslassen; vom Baum des irdischen Lebens sich auf den Boden der Ewigkeit fallen lassen. Glauben, hoffen und lieben. Er fällt da nicht hart auf, denn Hände fangen ihn auf: weiche, starke Arme, zärtliche Mutterhände! Ein Hymnus sagt von Maria – und man soll es oft wiederholen:

„Ich bin des ewigen Gottes weibliches Empfinden, bin seines Wesens Zärtlichkeit und Milde. Er strahlt durch mich wie durch ein heiliges Diadem zu euch hernieder und seiner Seele Glanz berührt euch sanfter im Spiegel meines Herzens.“

Es geht um Gotteskindschaft, darum ist die Gottesmutter da. Mit ihr darf man das Herz tauschen und findet heim. Wenn man weiß, wie Gott mit uns umgeht, da wir doch nur ein Hauch sind, der in kurzer Zeit vorüberzieht und bald nicht mehr zu finden ist, aber der unsterblichen Seele nach zu Hohem und Großem berufen ist. Wenn es vom Sohn heißt: „Wie Tau in der Frühe habe ich dich gezeugt noch vor dem Morgenstern“ – so kann man von uns sagen: als Gottes Ebenbild bin ich erschaffen – und eingeladen, alles Vergängliche zu lassen, um gläubig, in heiliger Freiheit, im Hause meines Vaters Wohnung zu nehmen.
Es geht hier um Alles oder Nichts. Gott muss dir Alles in Allem werden, um dir dann für immer ALLES zu sein – wenn Glückseligkeit randvoll dich erfüllen soll. Die Diener auf der Hochzeit von Kana füllten die Krüge mit Wasser randvoll, also ganz, nicht halb – wie auch die Wandlung in den besseren Wein nicht halbherzig vom Herrn geschah: Das gewöhnliche Wasser wurde zum besten Wein. Seine ganze, ungeteilte Liebe lässt die Herrlichkeit Gottes in uns aufleuchten – jetzt schon ein wenig. Das halbe Herz findet nicht den Herrn. Darum sagt Johannes vom Kreuz so beeindruckend fünfmal „nada – nichts, nichts, nichts, nichts, nichts“ weil Er ALLES in Allem ist.
Wir finden ja alles andere, die anderen, auch nur in Ihm, weil alles nur durch Ihn da ist. Das sagt uns Franz von Sales, wenn er schreibt: „Auch der Heiland ist unser gemeinsamer Besitz. Er will nicht, dass ihn jemand für sich allein habe. Er will vielmehr dermaßen den Einzelnen angehören, dass Er zugleich gemeinsamer Besitz aller sei. Und dermaßen will Er der Besitz aller sein, und doch jedem Einzelnen ganz gehören“ (DASal 2,112).
Als seine Kinder finden wir in Ihm den Vater, die Mutter, den Bräutigam der Seele, der jedem gehört und zugleich unvermindert für mich und für alle ganz da ist, so wie sie es brauchen, mögen und wünschen – durch Gott, der über das hinaus noch über alles Begreifen mehr tun kann, als wir uns erhoffen und ausdenken können. In der Geburt des WORTES strahlt seine Herrlichkeit im Himmel auf – das Evangelium hören und danach leben, ist die Eintrittskarte ins kommende Leben.

P. Peter Lüftenegger ist Oblate des hl. Franz von Sales und arbeitet als Seelsorger in der Pfarre Franz von Sales in Wien, Österreich

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