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Journalisten
rangieren in einer Vertrauensskala der Bevölkerung an drittletzter
Stelle, unterboten allein von den Rechtsanwälten und Politikern.
Streß und dauernder Zeitmangel verbunden mit häufigem Kaffee-
und Zigarettenkonsum drücken die durchschnittliche Lebenserwartung
dieser Berufsgruppe auf 49 bis 51 Jahre. Häufigste Todesursache
ist der Herzinfarkt.
Funktionierende zwischenmenschliche Beziehungen sind für den Journalisten
die Ausnahme. Nur Ärzte weisen eine höhere Scheidungsrate auf.
Die Anforderungen an den Journalisten des ausgehenden 20. Jahrhunderts,
das in die Geschichte als Jahrhundert der Massenkommunikation
eingehen wird, werden im kommenden Jahrtausend sicherlich noch größer
werden. Der Konkurrenzkampf innerhalb der Medienbranche ist schon jetzt
fast unerträglich. Die neuen Technologien, der Computer, das Internet
tun ihr übriges.
Mit der Bedeutung der Massenmedien steigt auch das Maß der
Verantwortung, das der Journalist gegenüber den Menschen trägt,
die er zu informieren hat. Die Katholische Kirche stellte daher bereits
am Beginn unseres Jahrhunderts diesem Berufsstand den heiligen Franz
von Sales als Schutzpatron zur Seite. Leider mit bisher wenig
Resonanz unter den Journalisten. Man kennt vielleicht seinen Namen und
die wichtigsten biographischen Daten, seine Bedeutung für den Journalismus
ist aber sehr selten wirklich bewußt.
Anscheinend mißt man einem Heiligen, der von 1567 bis 1622 lebte,
keine besondere Bedeutung für einen Beruf bei, den es zu seiner
Zeit noch gar nicht gab. Papst Pius XI. hatte allerdings gute
Gründe, gerade Franz von Sales 1923 zum Journalistenpatron
zu küren. Die Lebensgeschichte des Heiligen weist nämlich
einige ganz konkrete journalistische Berührungspunkte auf:
1594 zum Beispiel, am Beginn seiner priesterlichen Tätigkeit,
erhielt Franz von Sales den Auftrag, die Bewohner des Chablais
südlich des Genfer Sees, die im Zuge der Reformation zum Calvinismus
übergetreten waren, wieder für den katholischen Glauben
zu gewinnen. Als die politischen Machthaber dieser Region davon erfuhren,
verboten sie der Bevölkerung unter Strafe, die Predigten des jungen
Missionars zu besuchen. Franz von Sales wurde einfach boykottiert. Er
mußte daher andere Wege finden, den katholischen Glauben
unter das Volk zu bringen. Er wählte dazu eine Methode, die in
jener Zeit gerade modern wurde: das Flugblatt. In periodischen
Abständen verfaßte er ein Flugblatt, vervielfältigte
es und heftete es an die Haustüren und öffentlichen Plätze.
Franz von Sales hatte mit dieser Methode großen Erfolg.
Bereits nach drei Jahren konnte er seinem Bischof berichten, daß
die Bevölkerung des Chablais wieder in die katholische Kirche zurückgekehrt
ist. Der Erfolg seiner Flugblätter ist leicht erklärbar: Franz
von Sales orientierte sich an seiner Leserschaft und verfaßte
seine Artikel in der Landessprache, was damals im von der lateinischen
Sprache beherrschten Raum der katholischen Kirche praktisch einzigartig
war. Zudem verstand es Franz von Sales, schwierigste theologische Themen
einfach und klar und für das Volk verständlich zu vermitteln.
Er übernahm auch nicht den üblichen polemischen Stil, der
damals im Zuge der Glaubensauseinandersetzungen auf beiden Seiten vorherrschte.
Für ihn galt vielmehr der Grundsatz: "Man muß wohl über
das Schlechte empört und fest entschlossen sein, sich niemals darauf
einzulassen; dennoch muß man dem Nächsten gegenüber
ganz mild bleiben."
Auch wenn Franz von Sales ohne Umschweife die Irrlehren des Calvinismus
anprangerte, so achtete er dennoch die Würde seiner Gegner,
die er nicht selten als seine "Brüder" bezeichnete. Charakteristisch
für seine Flugblätter war ebenso eine akribische Genauigkeit
der Recherche sowie ein hohes Maß an Bildung und Objektivität.
Franz von Sales wurde zwar von einem besonderen Interesse geleitet,
nämlich von der Lehre der katholischen Kirche, er legte
dieses Interesse aber deutlich an den Tag. Er versuchte nicht,
durch irgendwelche Verschleierungen die Meinung seiner Leser
zu manipulieren. Außerdem informierte sich Franz stets
über die Meinung seiner Gegner.
In einer Zeit, als man eine Sondererlaubnis des Bischofs brauchte,
um überhaupt reformatorische Werke, die sich allesamt auf
dem Index der verbotenen Bücher befanden, lesen zu dürfen,
erstaunt Franz von Sales durch seine ausgezeichnete Kenntnis der Lehren
Calvins, Zwinglis oder Luthers.
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