Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben
Zweiter Teil
     
 

HOME | VORIGES KAPITEL | INHALT | NÄCHSTES KAPITEL

20. Kapitel
Die häufige Kommunion.

König Mithridates von Pontus soll ein Gift gefunden haben, mit dem er seinen Körper so stählte, dass es ihm unmöglich war, sich zu vergiften, als er sich dadurch der Knechtschaft der Römer entziehen wollte. Der Heiland hat das hochheilige Altarssakrament eingesetzt, das wirklich und wahrhaftig sein Fleisch und Blut birgt, damit ewig lebe, wer davon isst (Joh 6,50ff). Wer also häufig und andächtig davon Gebrauch macht, stärkt das Leben und die Gesundheit seiner Seele in einem Maß, dass diese kaum durch eine Anhänglichkeit an Schlechtes vergiftet werden kann. Man kann nicht von diesem Leben spendenden Fleisch genährt werden und gleichzeitig todbringende Neigungen hegen. Wie die Menschen im Paradies dem Leibe nach unsterblich waren durch die Frucht des Lebensbaumes, den Gott dort gepflanzt hatte, so können die Menschen auch den seelischen Tod vermeiden kraft dieses Leben spendenden Sakramentes. Die zartesten und am leichtesten verderblichen Früchte wie Kirschen, Erdbeeren, Aprikosen halten sich lange, wenn sie in Zucker oder Honig eingemacht sind; ist es dann ein Wunder, wenn unser Herz, obgleich zart und schwach, vor der Fäulnis der Sünde bewahrt bleibt durch den kostbaren, dem Verfall nicht ausgesetzten Leib und das unverwesliche Blut des Gottessohnes? Die Christen, die verdammt werden, müssen vor dem gerechten Richter verstummen, wenn er ihnen vor Augen führen wird, wie unrecht sie daran taten, ihre Seele dem Tod zu überantworten, während sie sich gesund und lebendig hätten erhalten können durch den Genuss seines Leibes, den er uns dafür hinterlassen hat. „Unselige“, wird er sagen, „warum seid ihr gestorben, da euch die Frucht des Lebens, die Lebensspeise zur Verfügung stand?“
Der hl. Augustinus sagt: „Ich liebe es nicht und tadle es nicht, wenn jemand die heilige Kommunion täglich empfängt. Aber ich rate jedem und ermuntere ihn, jeden Sonntag zu kommunizieren, vorausgesetzt, dass die Seele frei ist vom Willen zu sündigen.“ Ebenso wie der hl. Augustinus will ich die tägliche heilige Kommunion weder loben noch tadeln, sondern überlasse die Entscheidung darüber dem geistlichen Vater, wenn jemand sich dazu entschließen will.
Es ist nicht gut, eine so häufige heilige Kommunion allgemein anzuraten, da die Seelenverfassung dafür ganz vorzüglich sein muss. Andererseits kann sie bei manchen guten Seelen vorhanden sein, also ist es ebenfalls nicht gut, allgemein davon abzuraten und sie davon abzuhalten. Die Entscheidung darüber kann nur aus der Beobachtung der Seelenverfassung des einzelnen in jedem Fall getroffen werden. Es wäre unklug, sie unterschiedslos jedermann zu empfehlen, es wäre aber ebenso unklug, allgemein jeden zu tadeln, besonders wenn er dabei dem Rat eines klugen Seelenführers folgt. Der hl. Katharina von Siena wurde einmal wegen ihres häufigen Kommunionempfangs jenes Wort des hl. Augustinus vorgehalten; sie gab darauf die feine Antwort: „Wenn also der hl. Augustinus es nicht tadelt, dass man täglich kommuniziert, dann bitte ich Sie, es auch nicht mehr zu tadeln, und ich bin zufrieden.“
Du siehst aber, dass der hl. Augustinus eindringlich rät und ermahnt, jeden Sonntag die heilige Kommunion zu empfangen. Tu das also, soweit es dir möglich ist. Da ich voraussetzen kann, dass du keine Anhänglichkeit an Todsünden, auch nicht an lässliche Sünden hast, bist du in der richtigen Seelenverfassung, die der hl. Augustinus verlangt, ja sogar in einer besseren, denn du willst nicht nur die Sünde meiden, sondern du hast auch keinerlei Liebe mehr zur Sünde. Somit kannst du, wenn es dein geistlicher Vater für gut findet, auch öfter als jeden Sonntag die heilige Kommunion empfangen.
Es können allerdings verschiedene Schwierigkeiten auftreten, nicht von deiner Seite, sondern von Seiten deiner Umgebung; dann wird dir ein kluger Seelenführer zuweilen den Rat geben müssen, nicht so oft zu kommunizieren. Bist du z. B. irgendwie Untergebener und sind die Vorgesetzten, denen du Gehorsam und Ehrfurcht schuldest, so schlecht unterrichtet oder so wunderlich, dass dein häufiges Kommunizieren sie beunruhigt und aufregt, dann ist es wohl besser, aus Nachsicht mit ihrer Schwäche nur alle vierzehn Tage zum Tisch des Herrn zu gehen; dies freilich nur, wenn diese Schwierigkeit unmöglich zu überwinden ist. Man kann in dieser Sache nicht leicht eine allgemeine Entscheidung treffen; handle deshalb einfach nach dem Rat deines geistlichen Vaters. Soviel kann ich dir wohl mit Sicherheit sagen: wer Gott in einem frommen Leben dienen will, muss wenigstens einmal im Monat die heilige Kommunion empfangen.
Bist du wirklich klug, dann werden Mutter oder Ehefrau, Ehemann oder Vater dich nicht hindern können, oft zu kommunizieren. Du wirst ja an Tagen, da du beim Tisch des Herrn warst, alle deine Pflichten genau so sorgfältig erfüllen, ja du wirst deinen Mitmenschen gegenüber noch freundlicher und liebevoller sein als sonst und ihnen keinen Dienst abschlagen. So ist es wenig wahrscheinlich, dass sie dich von einer Übung abhalten wollen, die ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet, außer sie wären von schwierigem und unvernünftigem Charakter; dann wird dir wohl dein Beichtvater sagen, wieweit du ihrer Schwäche nachgeben sollst.
Noch ein Wort für die Eheleute. Gott verurteilte es im Alten Bund, dass die Gläubigen an Festtagen eine ausstehende Schuld eintrieben, aber er verurteilte es nicht, dass die Schuldner an solchen Tagen ihre Schulden zahlten und damit ihren Verpflichtungen nachkamen. – Es ist ungebührlich, wenn auch keine Sünde, am Kommuniontag den ehelichen Verkehr zu fordern, aber es ist nicht ungebührlich, sondern sogar verdienstlich, ihn zu leisten, wenn er gefordert wird. Es soll auch niemand deswegen der heiligen Kommunion beraubt werden, wenn er sie an solchen Tagen aus Frömmigkeit wünscht. In der Urkirche gingen die Christen täglich zum Tisch des Herrn, obwohl sie verheiratet und mit Kindern gesegnet waren. Deshalb sage ich, dass die häufige Kommunion weder den Eltern noch den Ehegatten Unannehmlichkeiten bereiten kann, vorausgesetzt, dass man klug und taktvoll ist. Auch körperliche Krankheiten können uns nicht daran hindern, außer solche, die zu häufigem Erbrechen reizen.
Um jede Woche zu kommunizieren, ist also Voraussetzung, dass man frei ist von Todsünden und vom Willen, lässliche Sünden zu begehen; ferner ist eine große Sehnsucht nach der heiligen Kommunion notwendig. Zur täglichen Kommunion ist außerdem die Überwindung der meisten schlechten Neigungen und das Einverständnis des geistlichen Vaters erforderlich.

HOME | VORIGES KAPITEL | INHALT | NÄCHSTES KAPITEL

NACH OBEN