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Predigt von Weihbischof Dr. Andreas Laun zur Feier
„100 Jahre Österreichisch-Süddeutsche Provinz
der Oblaten des hl. Franz von Sales“
Samstag, 27. Mai 2006, 9.00 Uhr, Augustinerkirche (Wien)





 

Predigt zur Feier 100 Jahre OSFS in Österreich

2004 sagte J. Ratzinger in einem Interview: „Zweifelsohne müssen wir alles Mögliche tun, den christlichen Entwurf auf eine Weise zu übersetzen, aus der die wahre Essenz des Christentums ins Heute hinein aufleuchtet.“Der Reporter: „Wie wollen Sie diese Essenz beschreiben?“Ratzinger:„Als Liebesgeschichte zwischen Gott und den Menschen. Wenn das in der heutigen Sprache verstanden wird, wird auch der Rest verstanden werden können.“

Das Interview ist wie die „verborgene Ankündigung“ seiner ersten Enzyklika: „Deus caritas est“. Ich lese diese Enzyklika auch als Exegese des Epheserbriefes 3:8-12, wo wir eben gehört haben:
„Mir, dem Geringsten unter allen Heiligen, wurde diese Gnade geschenkt: Ich soll den Heiden als Evangelium den unergründlichen Reichtum Christi verkündigen und enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war. So sollen jetzt die Fürsten und Gewalten des himmlischen Bereichs durch die Kirche Kenntnis erhalten von der vielfältigen Weisheit Gottes, nach seinem ewigen Plan, den er durch Christus Jesus, unseren Herrn, ausgeführt hat.“
Das „Geheimnis Gottes“, von Ewigkeit her verborgen, das „durch die Kirche“ bekannt werden soll, ist eben dies: Dass die Gott-Mensch-Beziehung nicht die Beziehung von Herrn und Sklaven ist (wie im Islam, wo die gebührende Antwort des Menschen einzig im Gehorsam besteht), sondern eine „Liebesgeschichte“ nach dem Maß einer geglückten, großen ehelichen Liebe.

Es gibt keine Religion, die etwas so atemberaubend Großes, Beglückendes, Schönes über Gott zu sagen – wagt. Eigentlich müssten alle überzeugten Nicht-Christen, die diese Botschaft verstehen, sagen: Wie schön wäre es, wenn ihr Christen Recht hättet!

Warum sage ich das? Weil die OSFS angetreten sind mit dem Ziel, in und für die Kirche im Geist des hl. FvS zu wirken:

Wenn sie das für die Kirche tun, stehen sie in der Verkündigung des Geheimnisses, von dem der Epheserbrief redet; stehen sie in der Verkündigung der „Essenz“ des Christentums und sie wollen den Menschen die „Liebesgeschichte Gottes“ nicht nur erzählen, sondern ihnen begreiflich machen:
Jeder Christ und darum auch wir OSFS sind Glieder in dieser Liebesgeschichte, Teil dieser Geschichte.

Man könnte einwenden: Trifft das nicht auf jede Ordensgemeinschaft und letztlich auf jeden Christ zu? Ist es nicht ein wenig peinlich, sich zu rühmen durch Vereinnahmung: „Wir haben ja auch schon immer… Unser Heiliger hat ja auch…“
 
Ja, natürlich, aber die OSFS haben das besondere Geschenk, im Geist eines Heiligen zu wirken, von dem mit Recht und ohne gewaltsame „Interpretation“ gesagt werden kann und muss:

Wie kaum ein anderer hat er die Liebe in das Zentrum seiner Verkündigung und seiner spirituellen Weisungen gerückt. Er lehrt: Der „hermeneutische Schlüssel“ für jede spirituelle Anweisung – in welcher Tradition auch immer – ist der Logos der Liebe. FvS hat die Menschen angeleitet, ihr ganzes religiöses Leben von der Liebe her zu buchstabieren.

Wir OSFS haben die Gnade, in der Tradition eines der großen eindeutigen Propheten der Liebe zu stehen.

Was ist die vielgerühmte Liebe? Das heutige Evangelium sagt: Hingabe für andere, und Papst Johannes Paul II. hat diese „Definition“ von Liebe oft und oft wiederholt.

Auch das Direktorium, das spirituelle Vermächtnis der OSFS, ist so zu verstehen: Anleitung, aus jeder Tätigkeit und jeder Minute einen Akt liebender Hingabe zu machen. Wenn man das geistliche Direktorium der OSFS auf einen Nenner bringen will, würde ich sagen: Hingabe, Hingabe vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen, bei der Feier der Messe ebenso wie in der Begegnung mit Menschen oder irgendeiner Arbeit, Hingabe im Gehorsam gegenüber der Kirche, Hingabe in der Treue zur Lehre der Kirche – Hingabe in allem, aber christlich legitim nie als Selbstaufgabe, Unmündigkeit oder gar Hörigkeit, sondern nur als Hingabe der Liebe. Das ist unser Vermächtnis und dadurch werden die OSFS jene „Frucht“ bringen, der Jesus verheißen hat, dass sie „bleibt“.
Die OSFS wollen bewusst die „Liebesgeschichte mit Gott“ leben und ihre Seelsorge besteht darin, andere anzuleiten, ihr Leben eben „so“ zu verstehen und „so“ zu leben.

Bei der Gabenbereitung werden wir von zehn Bereichen hören, in denen die OSFS gearbeitet haben. Immer endet der Text mit dem Satz:
„Wir danken Gott für alles, was gelungen ist, und bitten ihn, das Unvollkommene anzunehmen und zu wandeln.“ Ein Text spricht von dem Versagen der OSFS („Schmerzliches“), ein anderer („Zukunft“) von der Sehnsucht nach Erneuerung. Biblisch könnte man sagen: von unserer Bekehrung, die nie ein Ende haben wird, sondern ein ständiger Prozeß sein muss. So mühsam dabei viele einzelne Schritte sind und sein werden, alle Erneuerung hat einen magnetischen Pol, auf den sie ausgerichtet bleiben muss und von dem sie angezogen wird: Die OSFS begreifen ihre Geschichte als „Liebesgeschichte mit Gott“ und sie wollen alle, denen sie begegnen, helfen, in diese Geschichte einzutreten.

Diesen Gedanken schließe ich mich gerne an: Heute danken wir Gott für alles, was gelungen ist, und bitten Ihn, uns zu helfen zu sein und zu werden, was wir nach Seinem „ewigen Plan“ sein sollten – Liebende in der Geschichte mit Gott und den Menschen.

 

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