Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Januar/Februar 2001
mit dem ich Wurm
geliebet ward
Wege aus der Mutlosigkeit
Lassen Sie sich niemals auf die Versuchung der Mutlosigkeit ein!
Franz von Sales (vgl. DASal 7,61)
Nein, sie bleiben uns nicht erspart: die Schwierigkeiten auf dem Lebensweg.
Trotzdem sollen wir in solchen Situationen nicht in Mutlosigkeit verfallen.
Franz von Sales warnt davor ganz eindrücklich. Doch sagt er auch,
dass wir darauf vertrauen dürfen, in jenen Situationen nicht allein
zu sein: Gott lässt uns nicht im Stich. P. Hans Wessling OSFS gibt
Zeugnis davon, wie er diese
Liebe Gottes erfahren und weitergetragen hat.
Ich geb mich hin dem freien Triebe, mit dem ich Wurm geliebet ward
Abschied in den Ruhestand
30. September 1997 der hundertste Todestag der heiligen Theresia
vom Kinde Jesu: Nachmittags um 14.00 Uhr halte ich eine Beerdigung, mein
letzter Dienst als Pfarrer von St. Martinus Barmen, Dekanat Jülich,
Nordrhein-Westfalen. Dann steige ich ins Auto und ziehe nach Paderborn
um. Von nun an bin ich Ruheständler.
Ich hatte meinen Ruhestand vorprogrammiert. Als erstes wollte ich mein
Buch Wir brauchen Boden unter den Füßen überarbeiten.
Von meinen zehn Taschenbüchern war es das einzige, das absolut nicht
bei den Lesern angekommen war. Und gerade dieses Buch, mein Glaubensbekenntnis,
lag mir am Herzen. Schon als junger Priester hatte ich Stoff hierfür
gesammelt.
In den ersten sieben Wochen des Ruhestandes arbeite ich fleißig
an meinem Konzept. Die eigene Lebenserfahrung lässt mich den neuen
Titel wählen: Quelle der Liebe.
Ich komme zügig voran. Dann wird im November plötzlich von der
Arbeitsgemeinschaft Salesianischer Studien eine Bitte an mich herangetragen,
der ich mich nicht entziehen kann. Eine Übersetzungsarbeit wird mich
für längere Zeit in Anspruch nehmen.
Quelle der Liebe wird wohl für immer ein Unvollendetes Werk bleiben.
Die niemand liebt
Karfreitag 1999: Im Dom zu Paderborn hält ein lieber Freund und Studiengefährte,
Herr Weihbischof Leo Drewes, die Fastenpredigt.
Mit seiner Ergriffenheit trifft er mich ins Herz: Gott hat von seiner
Liebe die nicht ausgenommen, die verblendet sind oder die schlimmsten
Greueltaten tun
Was können wir denn tun für die, die
niemand liebt, für die, die hassen und gehasst werden
?
Vor meinen Augen ersteht ein großes Heer von Außenseitern,
die mir im Leben begegnet sind. In dieser Stunde wird in mir der Vorsatz
wach, die beiden fehlenden Kapitel meiner Quelle der Liebe zu vollenden:
Wege der Liebe gehen und Kraft zur Liebe empfangen.
Bald nach dem Karfreitag beginne ich mit dieser Arbeit.
Ich halte mich dabei nicht mehr an mein Buch Wir brauchen Boden unter
den Füßen. Ich stelle die zwei fehlenden Kapitel aus bereits
vorhandenem Material zusammen, aus Abschnitten meiner Bücher, aus
Zeitungsartikeln, aus Briefen und anderen Dokumenten. Im Oktober 1999
ist es geschafft.
Doch ich erkenne: Was da vor mir liegt, ist nicht nur mein Glaubensbekenntnis,
es ist auch mein Magnifikat geworden. Mein Lobpreis auf die Liebe
Gottes, die mein armes kleines Leben von Anfang an begleitet hat.
Ich möchte die Arbeit schließen mit dem Lied: Ich bete
an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart
ich will, anstatt
an mich zu denken, ins Meer der Liebe mich versenken. (Gerhard Terstegen)
Wie heißt nun der Vers, der dazwischen fehlt? Ich ruf meinen Freund
Karl-Heinz an. Der kann ganz sicher helfen, der ist Musiker.
Und der hilft. Bald hat er den Text gefunden. Ich bin sprachlos. Das trifft
den Nagel auf den Kopf:
Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart. ICH
GEB MICH HIN DEM FREIEN TRIEBE, MIT DEM ICH WURM GELIEBET WARD!
Im gefrorenen Dreck
Ich finde mich wieder in einem kleinen Loch in Russland: 17. März
1944 nördlich von Pleskau in dem kleinen Dorf Appyscha: Der
Landser, der in diesem Loch auf dem Boden liegt, kratzt mit den Fingern
den angefrorenen Boden an. In diesem Augenblick steht es für ihn
unwiderruflich fest: ICH WERDE PRIESTER!
Der Landser wird Priester. Außenseiter und Ausgestoßene werden
seine besten Freunde. Immer deutlicher entdeckt der Priester, dass er
selber nur ein kleiner Wurm ist, getragen von der allmächtigen barmherzigen
Liebe seines Gottes.
Dann kommt die Gnadenstunde: Vor dem Tabernakel kniet er und gesteht seinem
Herrn: Ich bin der letzte Dreck! Deutlich hört
er seine Antwort: Ich tu alles für dich!
P.
Hans Wessling ist Oblate des heiligen Franz von Sales und lebt im Salesianum
Paderborn, Nordrhein-Westfalen
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