Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Mai / Juni 2005

Freiwillig und nicht aus Zwang
Gott will unser Freund sein


Angst ist bekanntlich kein guter Ratgeber auf dem Lebensweg. Deswegen kann man nicht genug betonen, dass die Gottesbeziehung mit Angst und Zwang überhaupt nichts zu tun hat. Gott will uns vielmehr dafür gewinnen, dass wir ihm Freund und Freundin werden. Das ist auch zentral für die salesianische Botschaft. Markus Adelt OSFS hat sich dazu Gedanken gemacht.


„Unsere Freiheit wird durch Gott keineswegs zu etwas gezwungen.
Wie allmächtig auch die Kraft der barmherzigen Hand Gottes ist,
die uns auf so viele Weisen rührt, umhüllt und fesselt, der menschliche Wille bleibt doch stets vollkommen frei, ohne einem äußeren oder inneren Zwang zu unterliegen.“ Franz von Sales (vgl. DASal 3,129f)

Die orangefarbene Revolution in der Ukraine im Winter 2004 ist leuchtendes Beispiel für das unstillbare Verlangen eines Volkes nach Freiheit. Unabhängigkeit und Autonomie sind seit der Aufklärung Begriffe, die aus dem politischen und gesellschaftlichen Bereich nicht mehr wegzudenken sind.


Vielschichtige Freiheit
Dem einzelnen Menschen geht diese absolute Autonomie, diese unbedingte Selbstbestimmung für alle Lebensbereiche über alles. Bevormundung und Zwang mag er nicht. Wenn dem so ist, dann können wir uns hier im freien und demokratischen Europa ja beruhigt zurücklehnen! Soviel Freiheit wie heute hatten wir noch nie: Meinungsfreiheit, freie Wahlen, freies Reisen, die Freiheit zwischen Mohn- und Sesambrötchen zu wählen, … und – natürlich – Religionsfreiheit.

Die Freiheit nehm’ ich mir!
Letztere wird immer mehr genutzt, um sich von der Religion, insbesondere der christlichen, zu verabschieden. Die Bevormundung durch Kirche und Papst, durch Dogmen und Lehrschreiben wird zum Argument für ein Sich-Frei-Machen vom Glauben an Gott.
Der bekannte Werbespruch „Die Freiheit nehm’ ich mir!“ bringt die Einstellung vieler Zeitgenossen an den Tag. Freiheit ist bei ihnen zur Möglichkeit, ja zum Zwang der Auswahl verkommen. Und nicht nur in Sachen Glaube und Gott! Der freie Wille ist ausgerichtet auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen. Der freie Wille ist vom Kopf in den Bauch gerutscht. Und die Werbung suggeriert eine zweifelhafte Freiheit: Kauf mich, buch mich, dann bist du frei! Mach dies oder das, dann bist du ein glücklicher und freier Mensch! Hinzu kommt die ach so liebgewonnene Freiheit, Entscheidungen jederzeit rückgängig machen zu können. Wer so lebt, lebt in Zwängen, wie sie größer nicht sein können. Wer so handelt, ist ein ständig gejagtes und unfreies Menschenkind. Wer so lebt, nimmt sich seine Freiheit – in der Tat.

Freier Wille – ein Hirngespinst
Unterstützung findet diese „praktizierte Freiheit“ in den neueren wissenschaftlichen Ergebnissen der Hirnforschung. Freier Wille und damit das reflektierte Sein zur und Streben nach Freiheit sind lediglich Ausfluss chemisch-biologischer Prozesse.
Dieser Erkenntnis wird in den Konsumtempeln westlicher Couleur gehuldigt und geopfert. Und der Missionierung in Form von Werbung und Propaganda kann sich kaum jemand in einer medienverseuchten Welt entziehen.

Gott hat uns zur Freiheit bestimmt
Franz von Sales zeigt uns ein ganz anderes Verständnis von Freiheit auf. Freilich mit anderen Vorzeichen! Im Theotimus, seiner Abhandlung über die Gottesliebe, schreibt er: „Sieh, wie der himmlische Vater uns an sich zieht. Wenn er uns belehrt, lässt er uns Freude daran empfinden; er tut uns keinen Zwang an. Er wirft in unsere Herzen frohe und freudige geistliche Empfindungen, sozusagen als heilige Lockmittel, durch die er uns liebevoll anzieht, die Schönheit seiner Lehre aufzunehmen und zu verkosten. So wird also, liebster Theotimus, unsere Freiheit durch die Gnade keineswegs vergewaltigt oder zu etwas gezwungen. Wie allmächtig auch die Kraft der barmherzigen Hand Gottes ist, die die Seele mit so vielen Einsprechungen, Anregungen und Lockungen rührt, umhüllt und fesselt, der menschliche Wille bleibt doch stets vollkommen frei, ohne einem äußeren oder inneren Zwang zu unterliegen.“ (DASal 3,129f)
Für unseren Heiligen der frohen Gottesliebe hat die Freiheit des Willens also einen ganz hohen Stellenwert. Was wäre das auch für ein Gott, der uns zwingt ihn zu lieben? Und was wären das für Geschöpfe, die wie Marionetten am Gängelband des großen Puppenspielers hängen? Erst der vollkommen freie menschliche Wille befähigt den Menschen zum wahren Leben. Nur frei von äußerem und innerem Zwang ist Liebe – Gottes- und Nächstenliebe – als Ausfluss dieser Freiheit möglich.

Freiheit, die ich meine
Nicht Kopf, nicht Bauch, sondern das Herz ist Sitz dieser Freiheit.
Freiheit, die Gott achtet, die mich deshalb leben und lieben lässt, die mich nicht egoistisch auf meine Autonomie blicken lässt, sondern den Blick öffnet auf den anderen hin und so Hand und Fuß bekommt.

Markus Adelt ist Oblate des hl. Franz von Sales und arbeitet im Internat Haus Overbach Nordrhein-Westfalen

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