From Franz von Sales

Lexikon: A-Z :: Rosenkranz

Der Rosenkranz

Monotones Geplapper oder Gebet in Gottes Gegenwart?

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  1. 1. Geschichte und Form
  2. 2. Die Wirkung
  3. 3. Keine Verpflichtung
  4. 4. Der Anfang
  5. 5. Nicht plappern wie die Heiden

flickr:In der Stube

Rosenkranz? Igitt! Altmodisch, langweilig. Ich gebe zu, dass dies für gewöhnlich die ersten Reaktionen sind, denen ich begegne, wenn ich mit unterschiedlichen Menschen über dieses uralte christliche Gebet spreche oder ihnen sogar empfehle, es einmal mit dem Rosenkranz zu versuchen. Erst kürzlich meinte eine durchaus engagierte und interessierte Christin: „Leider haben mir allzu fromme Leute durch ihr ständiges Predigen vom Rosenkranzbeten den Rosenkranz sehr madig gemacht. Ich glaub, ich hab ihn schon aus lauter Protest, genau da nicht dazu gehören zu wollen, nicht gebetet.“
Aus all dem kann ich mich eigentlich nur den Worten des hl. Bischofs und Kirchenlehrers Franz von Sales anschließen, der einmal meinte: „Der Rosenkranz ist eine sehr nützliche Gebetsform, vorausgesetzt, dass du ihn richtig zu beten verstehst.“ Und das scheint mir auch der große Vorteil des Rosenkranzes zu sein: Dieses Gebet ist im Grunde sehr einfach, man braucht nicht viel dabei nachzudenken, und es enthält das Wesentliche des Evangeliums.

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1.  Geschichte und Form

Der Rosenkranz in seiner heutigen Form entstand im frühen Mittelalter. Fünf mal zehn „Gegrüßet seist du Maria“ und zwischen den zehn „Gegrüßet seist du Maria“ immer ein Vaterunser. Davor gibt es noch einen kleinen Vorspann zur Einstimmung: Das Glaubensbekenntnis, drei „Gegrüßet seist du Maria“ mit den Beifügungen „der uns den Glauben vermehre, die Hoffnung stärke, die Liebe entzünde“ und das Ehre sei dem Vater.
Die zehn „Gegrüßet seist du Maria“ sind jeweils einem besonderen Thema gewidmet, den sogenannten Rosenkranzgeheimnissen. Der freudenreiche Rosenkranz betrachtet die Geheimnisse um die Geburt Jesu, der lichtreiche Rosenkranz die besonderen Taten Jesu während seines Wirkens, der schmerzhafte Rosenkranz schildert seinen Tod am Kreuz und der glorreiche Rosenkranz seine Auferstehung, die Sendung des Heilige Geistes und die Aufnahme und Krönung Marias im Himmel.
Durch das ständige Wiederholen und den einfachen Gebetsrhythmus entsteht eine meditative Dynamik, die anderen Meditationsformen in Nichts nachsteht. Durch den wiegenden Rhythmus wird der Betende hineingezogen in das Geheimnis von Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Einfach und kurz werden mir die wesentlichsten Aussagen über Jesus Christus vor Augen geführt.
Der entscheidende Durchbruch der Rosenkranzfrömmigkeit für die ganze Kirche bildete der Sieg der christlichen Flotte über die muslimischen Türken in der Seeschlacht von Lepanto 1571. Diesen Sieg führte man auf das intensive Rosenkranzgebet zurück, zu dem alle Menschen in Europa aufgefordert wurden. Seither gibt es das Rosenkranzfest am 7. Oktober, der Oktober selbst wurde zum Rosenkranzmonat erklärt und Maria erhielt den Titel „Rosenkranzkönigin“. Im neuen Jahrtausend hat Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Der Rosenkranz der Jungfrau Maria (Rosarium Virginis Mariae)“ angesichts der schwindenden Bedeutung des Rosenkranzgebetes zu einer Erneuerung dieses „beliebten Gebetes vieler Heiliger“ aufgerufen und die Zeit vom Oktober 2002 bis Oktober 2003 zum Jahr des Rosenkranzes erklärt. Am Ende seiner Enzyklika schreibt er: „Ein Gebet, das so einfach und gleichzeitig so reich ist, verdient es wirklich, von der christlichen Gemeinschaft neu entdeckt zu werden“.

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2.  Die Wirkung

Meine Großmutter hatte am Ende Ihres Lebens – sie wurde 93 Jahre alt – fast ihr gesamtes Seh- und Hörvermögen verloren. Stets eine sehr umtriebige und agile Frau wurde ihr dieses Gebrechen zu einer großen Last. Sie konnte einfach nicht mehr so aktiv sein, wie sie es wollte. Eines Tages fragte sie mich, was sie denn auf dieser Welt noch tun solle. Sie sei doch zu nichts mehr nütze. Ich antwortete ihr: „Blödsinn. Jetzt kannst du immer und immer für uns beten.“ - „Ja, aber ich kann doch nicht mehr lesen und hören tu ich auch nicht mehr richtig.“ - „Beim Rosenkranz brauchst du all das nicht zu können. Die Geheimnisse und Gebete kennst du, durch die Gebetsperlen kommst du nicht durcheinander. Das ist doch ideal und ein jeder von uns braucht dein Gebet ganz dringend,“ sagte ich. „Aber was soll denn das bringen?“, war meine Großmutter immer noch nicht überzeugt. Da lieferte ich ihr die Antwort des hl. Franz von Assisi: „Von einem Gegrüßet seist du Maria erzittert die Hölle.“ – „Wenn du also Rosenkranz betest“, so meinte ich etwas scherzhaft, „dann verursachst du in der Hölle jedes Mal ein Erdbeben.“ Das hat meine Großmutter überzeugt.
Wenn ich persönlich nachts einmal nicht schlafen kann, weil mich irgendwelche Gedanken oder Sorgen dermaßen beschäftigen, dass sie meinen Kopf nicht zur Ruhe bringen lassen, beginne ich nicht, irgendwelche Schafe zu zählen oder Tabletten zu schlucken, sondern fange an, den Rosenkranz zu beten. Es dauert meistens wirklich nicht lange, und ich schlafe wie ein Murmeltier. Die Kritik der Monotonie, die man dem Rosenkranz so häufig nachsagt, ist für mich das beste Beruhigungsmittel. Es beruhigt mich und lässt mich ohne viel Anstrengung ganz in die zentralen Geheimnissen des Christentums aufgehen. Ich erlebe, dass Gottes Wirken in dieser Welt so groß ist, dass meine Sorgen darin aufgehoben sind.

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3.  Keine Verpflichtung

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Kein Christ ist zum Rosenkranzgebet verpflichtet. Niemand muss den Rosenkranz beten, um seinen christlichen Glauben in seinem Leben zu verwirklichen. Es gibt keine kirchenrechtliche Vorschrift, die den Christen zum Rosenkranz zwingt. Das heißt: Wer mit dem Rosenkranz nichts anfangen kann, der möge eben andere Formen des Gebetes finden, die ihm nützlicher erscheinen. Der hl. Franz von Sales hat in seinen jungen Jahren einmal das Gelübde abgelegt, bis zu seinem Lebensende täglich den Rosenkranz zu beten. Später meinte er, dass dieses Versprechen eine Übertreibung seiner damaligen, jugendlichen Frömmigkeit gewesen sei und er es heute nicht mehr machen würde, obwohl er sich trotzdem bis an sein Lebensende an dieses Versprechen hielt. Einer Frau schrieb er im Jahre 1604, als er bereits Bischof der Diözese Genf war: „Alle Regeln des Rosenkranzes verpflichten in keiner Weise, weder unter schwerer noch unter lässlicher Sünde, weder direkt noch indirekt; und Sie sündigen bei Nichtbeobachtung derselben nicht mehr, als wenn Sie irgend ein anderes gutes Werk zu tun unterlassen. Machen Sie sich also keine Sorgen darüber, sondern dienen Sie Gott frohen und freien Herzens.“
Vor allem beim Rosenkranzgebet kann der Zwang ein Hindernis darstellen, um es wirklich in richtiger und erfüllender Weise beten zu können. Wenn ich während des Betens ständig daran denke, wann endlich die zehn „Gegrüßet seist du Maria“ vorbei sind, damit das Ganze endlich ein Ende hat, dann wird dadurch der innerliche, meditative Charakter des Betens sicherlich nicht gefördert.
Es geht auch nicht darum, dass man den Rosenkranz ganz genauso betet, wie er traditionell üblich ist. Im Gegenteil, das hieße nur, die äußere Form zum wesentlichen Gebetskriterium zu machen, dadurch aber neben dem Knochengerüst völlig auf das Fleisch zu vergessen. Die äußere Form will nur helfen, um dann beim Beten selbst jede Freiheit walten lassen zu können, die man braucht, um einen inneren Weg zu Gott zu finden. Man kann daher die vier offiziellen Rosenkranzgeheimnisse auch mit persönlichen Anrufungen versehen, die einem in der jeweiligen Situation, in der man gerade steht, näher sind. Zum Beispiel: „Jesus, dem ich mein Leben anvertraue“, oder „Jesus, der meinem verstorbenen Vater das ewige Leben schenken möge“, oder „Jesus, der mich für meine nächste Prüfung stärkt“ usw. Der Kreativität sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist, dass dieses Gebet mir das Gerüst geben will, um mein Beten zu einem sehr persönlichen und innerlichen Gedankenaustausch mit Gott zu machen.

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4.  Der Anfang

Wichtig bei jedem Gebet, ja bei jeder Tätigkeit, die ich im Bewusstseins meines Glaubens vollziehen will, also auch das Rosenkranzgebet, ist die Übung des Versetzens in Gottes Gegenwart. Damit ist etwas sehr Einfaches gemeint: Sich bewusst machen, dass Gott da ist, so wie die Luft, die ich atme. Damit verhindere ich von Anfang an, dass das, was ich bete, bloße Floskel oder Leierei wird. Mir wird nämlich bewusst, dass dieser Rosenkranz in der Gegenwart Gottes gebetet wird, dass ich also in dieser Gegenwart bete und atme, dass meine Worte direkt in Gott einfließen. So wie mein Atem aus meiner Lunge ein- und ausfließt, so wird auch mein Beten im Rhythmus der Sprache ein Hin und Her zwischen Gott und mir.
Das geht natürlich bei allen Gebetsformen so, durch das ständige Wiederholen, das die Grundmethode des Rosenkranzes darstellt, kann ich durch dieses Gebet dieses rhythmische Dasein vor Gott jedoch sehr gut und einfach trainieren.
Wenn ich mir also am Anfang des Rosenkranzes immer wieder bewusst mache, dass ich jetzt und hier im Angesicht Gottes bete, dann kann dieses Gebet mehr und mehr, je öfter ich es bete, zu einem intensiven Erlebnis der Gotteserfahrung werden. Es wird also nicht zum monotonen Einerlei, sondern zur Basis und Plattform einer spürbaren, fühlbaren und sehr beruhigenden Gottesbeziehung.
Franz von Sales empfiehlt daher allen Rosenkranzbetern eindringlich, am Anfang stets diese Übung des Versetzens in Gottes Gegenwart zu vollziehen, also eine Art Konzentrationsübung, die hilft, sich auf das, was ich dann in der nächsten halben Stunde tue, ganz bewusst vorzubereiten.

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5.  Nicht plappern wie die Heiden

Ein Argument, das immer wieder vorgebracht wird, wenn es um die Kritik am Rosenkranzgebet geht, stammt von Jesus selbst (Mt 6,7ff): „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.“ Und dann lehrt Jesus seinen Jüngern das Vaterunser.
Selbstverständlich kann ich mich auch dann, wenn ich den Rosenkranz als wertvolles und sinnvolles Gebet erachte, dieser Kritik voll inhaltlich anschließen. Ein Rosenkranz, der reine bigottische Plapperei ist, als die er zugegebener Maßen sehr oft praktiziert wird, ist kein Rosenkranz. Er ist dann tatsächlich nichts anderes als jene Plapperei der Heiden, die Jesus Christus anprangert. Um dieser Plapperei im Rosenkranzgebet zu entgehen, kann es daher sehr empfehlenswert sein, anfangs nicht alle 50 „Gegrüßet seist du Maria“ zu beten, sondern eben weniger. Es kann auch gut sein, das Gebet zu unterbrechen und Zeiten des Schweigens und der Stille einzulegen, um sich selbst eben deutlich zu machen, dass es nicht um die vielen Worte geht, sondern um das einfache Dasein in Gottes Gegenwart, zu dem der Rosenkranz verhelfen will.
Ich kann im Grunde nur eines raten: Einfach mal versuchen! Sich einfach wieder einmal den Rosenkranz, den man zur Erstkommunion geschenkt bekommen hat, hervorholen, sich in die Gegenwart Gottes versetzen und zu beten beginnen, und dabei wissen: Gott ist da, so wie die Luft, die ich gerade einatme. Aber wichtig: Niemand soll sich zum Rosenkranz gezwungen fühlen.

Herbert Winklehner OSFS


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