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Paraphrase zu Psalm 125

Annecy, Juli 1616 (OEA VIII,179-187; DASal 9,166-169)

Vers 3: Denn der Herr wird die Rute der Sünder nicht das Los der Gerechten bleiben lassen, damit nicht die Gerechten ihre Hände nach Unrecht ausstrecken.

Nach der Auslegung der vorhergehenden Verse: 1. Stelle fest, daß Rute der Sünder in dreifachem Sinn verstanden werden kann. a) Rute der Sünder ist die Rute, mit der die Sünder gezüchtigt werden, entsprechend Ps 32,10: Viele Schläge werden den Sünder treffen, doch die Barmherzigkeit des Herrn wird den umgeben, der auf ihn hofft. Siehe dazu die Stelle bei Toletus über den Unterschied der Züchtigung der Sünder und der Gerechten. Diese Auslegung hat Titelmann. – b) Rute bedeutet Szepter, Herrschaft; das ist die allgemeine Auslegung. – c) Rute, das ist Verfolgung, Geißel, mit der der Sünder den Gerechten mißhandelt.

2. Nun fragen wir, ob das zutrifft. Meistens sehen wir ja, daß die Gottlosen und Frevler über die Gerechten herrschen und Macht haben; z. B. Potifar über Josef, Laban über Jakob, Pharao vierzig Jahre über die Israeliten, Ahab über den Weinberg Nabots. Ps 73,2f.5f.11-13: Meine Füße aber wären fast gestrauchelt, weil ich gegen die Frevler eiferte, da ich den Frieden der Sünder sah. Sie teilen nicht die Mühsal der Menschen und werden nicht mit ihnen gezüchtigt. Darum hält Hochmut sie gefangen; sie sind von ihrer Sünde und Gottlosigkeit bedeckt und sagten: Wie sollte Gott es wissen und der Höchste Kenntnis davon haben? Siehe, sie sind Sünder und haben Reichtümer in der Welt erworben. Und ich sagte: Also habe ich umsonst mein Herz gerecht erhalten. Jer 12,1: Warum ist der Weg der Gottlosen erfolgreich?

Die erste Antwort zu dieser Stelle (Ps 125,3) gibt Augustinus, indem er das Wort nicht bleiben lassen auslegt. Denn im Gericht werden die zu Unrecht Herrschenden entmachtet werden und der Herr wird es mit seiner Hand ändern (er wird die Lämmer von den Böcken scheiden); Efraim wird Manasse vorgezogen, obwohl Manasse älter ist (Gen 48,13-20): Dann wird Josef seinen Brüdern vorgesetzt. Gregor der Große. Wie sollte er größer sein, wenn es den Bösen schlecht, den Guten gut ergeht?

Zweite Antwort: Er wird nicht bleiben lassen; er läßt zwar zu, daß die Gottlosen herrschen, aber sehnsüchtig harrte ich auf ihn, und er merkte auf mich (Ps 40,1). Ich sah den Gottlosen erhöht wie die Zedern des Libanon (Ps 37,35). So ziehen die Israeliten aus; so ging es Ijob, Jakob, Josef, so Isebel und allen.

Dritte Antwort: Manchmal glauben wir, es sei die Rute der Sünder, und es ist die Rute Gottes. Ps 23,5: Deine Rute und dein Stock, sie haben mich getröstet. So blühte Aarons Stab; so wurde der Stab des Mose angenommen. Also ist es nicht die Rute der Sünder, sondern der Gerechten, denn die Schlange verwandelt sich in den Stab (Ex 4,4).

''Vers 4: Erweise Gutes den Guten, die aufrichtigen Herzens sind.''

Dieses Gebet scheint nicht erhört zu werden; denn bisweilen, ja meistens geht es den Schlechten gut, den Guten schlecht. Seht den guten und gerechten Ijob, seht seine schlechten und ungerechten Freunde; er verfault auf dem Misthaufen, sie lachen und verspotten ihn. Seht Abel und Kain; der Gerechte wird getötet, der andere lebt und obsiegt. Seht die Apostel und die Tyrannen. Seht die Häretiker und die Katholiken; jenen scheint es gut zu gehen, sie bemächtigen sich der kirchlichen Güter, sind mächtig usw. Sie teilen nicht die Mühsal der Menschen und werden nicht mit ihnen gezüchtigt. Darum hält Hochmut sie gefangen; sie sind von ihrer Sünde und Gottlosigkeit bedeckt und sagten: Wie sollte Gott es wissen und der Höchste Kenntnis davon haben? Siehe, sie sind Sünder und haben Reichtümer in der Welt erworben. Und ich sagte: Also habe ich umsonst mein Herz gerecht gehalten, meine Hände mit den Unschuldigen gewaschen, und doch wurde ich den ganzen Tag geschlagen und meine Züchtigung begann schon am Morgen. Doch spräche ich: das will ich erzählen, siehe, ich würde das Geschlecht deiner Kinder verleugnen. Ich habe nachgedacht, um das zu verstehen, aber es ist mir mühsam, bis ich eingehe in das Heiligtum Gottes und ihr Ende erkenne (Ps 73,5f).

Seht den ganz heiligen Josef und die allerseligste Jungfrau, die Lilien der Reinheit und Spiegel der Unschuld; wie werden sie von Herodes verfolgt, wie leiden sie auf der Flucht nach Ägypten, etc. Seht den Gerechten der Gerechten, Christus den Herrn.

''Antwort. Selig der Mann, der den Herrn fürchtet, ... mächtig; Ehre und Reichtum (Ps 112,1-3). Du wirst gut zum Guten sein, mit dem Heiligen wirst du heilig sein, mit dem Unschuldigen unschuldig (Ps 18,26). Jubelt alle, die ihr geraden Herzens seid (Ps 32,11). Denen, die geraden Sinnes sind ... (Ps 73,1).''

Zur Begründung. 1. Aus Augustinus (Sermo X), wo er von jenen spricht, die geraden Herzens sind. Ein gerades Herz ist jenes, das mit Gott übereinstimmt, der selbst die Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit ist. Daher ist ihm alles willkommen, was Gott will, auch Trübsal und Bedrängnis, und es nimmt alles als Wohltat an. Er sagt: Gerecht bist du, Herr, und gerecht ist dein Gericht (Ps 119,137). Der Ältere soll dem Jüngeren dienen (Gen 24,23), nachfolgend, nicht gehorchend. So tun auch die Ärzte den Kranken Gutes, indem sie ihnen Schmerzen zufügen. Man darf nicht so sehr darauf sehen, was gefällt, als darauf, was nützt.

2. Bedrängnisse sind in Wahrheit gut, deshalb liebte sie der Herr. Wenn die Unwetter aus Perlen bestünden, möchten die meisten sie auf ihren Feldern haben. Doch die Bedrängnis bewirkt Geduld, die Geduld Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung, die Hoffnung jedoch wird nicht zuschanden (Röm 5,3-5). Mein Geliebter ist mir ein Myrrhenstrauß (Hld 1,12). Alles trägt zum Guten bei (Röm 8,28). Sagt dem Gerechten, daß alles gut ist (Jes 3,10). Ergreife sie beim Schwanz; und die Schlange wurde in einen Stock verwandelt (Ex 4,4).

3. Augustinus bringt die Lösung. Ps 73,16f: Ich sann nach, um das zu verstehen, aber es war mir zu mühsam, bis ich in das Heiligtum Gottes eintrat. Dann werden wir sehen, warum den Bösen Gutes, den Guten Schlechtes zuteil wurde. Wenn den Guten Schlechtes widerfährt, dann geschieht es, damit sie hier und nicht auf ewig gestraft werden, wenn sie in etwas gefehlt haben; wenn es den Schlechten gut geht, damit sie hier ihren Lohn empfangen, da sie des ewigen nicht würdig sind. Siehe diese Frage bei Gregor (Moralia V,1) und Gretscher (De Cruce V,4). So steht es uns also nicht zu, jetzt zu fragen, warum den Guten Schlechtes widerfährt. So sagt auch der Psalmist zu Recht: Herr, erweise Gutes den Guten, die aufrichtigen Herzens sind; nicht in der Weise, die wir für richtig halten, sondern erweise Gutes nach deinem Willen und danach, was bei dir auch in dieser Welt gut ist, wie Kreuze, Bedrängnisse usw., und in der künftigen, wo es ganz gut ist: Geh ein in deine Ruhe, weil der Herr dir Gutes erwiesen hat (Ps 116,7).Im übrigen sind jene gut, die der gütige Gott gut gemacht hat. Aber ist gut und geraden Sinnes nicht dasselbe? Weish 8,19f: Ich hatte ein gutes Gemüt erhalten, und als ich noch besser wurde, kam ich zu einem unbefleckten Leib. Ich kann mich nicht erinnern, in der Heiligen Schrift gelesen zu haben, daß jemand gut genannt wird im Sinn der Güte, die übernatürlich ist, obwohl ich Menschen guten Willens fand. Niemand ist gut außer Gott (Mk 10,18), weil nämlich die Güte eine innere und absolute Eigenheit des Seins ist. Daher fügt der Psalmist zur Erläuterung hinzu: geraden Sinnes.

Die aber auf schiefe Wege abweichen, wird der Herr mit denen führen, die Böses tun. Friede über Israel.

Vom Weg weichen ab, die nicht geraden Herzens sind. Sie weichen vom Weg ab, sie irren vom Pfad der Wahrheit ab (Weish 5,6). 1. Auf schiefe Wege. Sa sagt: In Fesseln; Genebrard: in Bande; sie verstricken sich. Sie geraten in Fallstricke, sie haben Spinnennetze gewoben. Wie die Seidenraupen sich unablässig in ihrem Werk einwickeln, so verstrickt das Herz sich in schlechten Neigungen. Sie verlieren sich auf ihren Wegen wie in einem Labyrinth. – 2. Hieronymus sagt: in Verkehrtheiten, in gewundene Wege. Jes 11,4: Krummes soll gerade werden. Der erste Sünder, der Teufel, nahm die Gestalt der Schlange an; weil die Sünder nach Art der Schlangen sich winden, nicht geradeaus gehen, den Kopf bald nach rechts, bald nach links beugen. – 3. Chaldäisch: schiefe Wege; das ist dasselbe. Dtn 5,32: Ihr sollt nicht nach rechts und nach links abweichen, nicht nach beiden Seiten schwanken: nach rechts durch Tun, denn die Rechte ist tätig, noch nach links durch Unterlassen, denn die Linke ist müßig und untätig. Oder schwankend: bald gut, bald schlecht; wie jene, die bei Gott schwören und bei Moloch (Zef 1,5).

Er wird sie mit den Übeltätern führen, 1. mit denen, die offenkundig ein sündhaftes Leben führen; oder 2. mit den Teufeln (in das Feuer, das dem Teufel bereitet ist: Mt 25,41). Der Teufel ist ja der Erfinder und Baumeister der Schlechtigkeit.

Friede über Israel. Geschichte Gen 32,24-28: Jakob ringt mit Gott, daher erhält er den Namen Sieger über Gott oder Fürst mit Gott, was dasselbe ist; denn wer mit Gott als Fürst handelt, der macht im Kampf Gott sich ergeben. Daher sagen Pereira, Viegas, Cornelius mit Hieronymus, Israel bedeute das gleiche wie Fürst mit Gott. Aber am Schluß jeder Bibel lautet die Version dieser Worte: mächtig über Gott.


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