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PREDIGT zum Fest Kreuzerhöhung

"Ja zum Leben – trotz allem" (Lk 24,35-48)

Liebe Schwestern und Brüder,

„Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein Heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ Bei der traditionellen Kreuzwegandacht begleitet uns dieses Gebet jede einzelne der 14 Stationen.

Am Karfreitag, dem Hochfest vom Leiden und Tod unseres Herrn, enthüllt der Priester das Kreuz mit den Worten: „Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, der Heiland der Welt.“ Und alle antworten: „Kommt lasset uns anbeten.“

Was beten wir an, wenn wir vor diesem Kreuz niederknien. Was feiern wir, wenn wir – wie heute – ein Kreuzfest begehen? Das Mordwerkzeug? Natürlich nicht: Wir preisen, verherrlichen und beten an die Liebe unseres Gottes zu uns Menschen, eine Liebe, die auch dann liebt, wenn es furchtbar weh tut, am Kreuz, festgenagelt, nach Luft ringend, verspottet, angespuckt.

Jesus betete in dieser grausamen Situation den Psalm 22. Wir kennen alle den ersten Satz, er kann uns aber in seiner Gesamtheit viel dazu beibringen, was es heißt, das Kreuz zu verehren, ein Kreuzfest zu feiern. Deshalb möchte ich heute mit Ihnen ein wenig über diesen Psalm nachdenken. Wenn sie wollen, schlagen sie dazu bitte das Gotteslob auf. Der Psalm 22 steht unter der Nummer 715 folgende.

Am Anfang heißt es: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort, ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.“

Ich kenne niemanden, der sich nicht schon einmal in dieser Situation befunden hat. Mir geht’s schlecht, ich weine, ich schreie Tag und Nacht: Doch niemand hört mich. Ich fühle mich verlassen. Die Versuchung, alles hinzuwerfen, den Glauben, das Leben, ist groß. Wenn ich dich brauche Gott, bist du nicht da, um mir zu helfen. Wie reagiert Jesus? Er betet den nächsten Vers von Psalm 22:

„Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels. Dir haben unsere Väter vertraut, sie haben vertraut, und du hast sie gerettet. Zu dir riefen sie und wurden befreit, dir vertrauten sie und wurden nicht zu Schanden.“

Dreimal kommt in diesem Vers das Vertrauen vor. Jesus am Kreuz preist die Heiligkeit und Größe Gottes, der sein Volk nicht verlassen, sein Vertrauen nicht missbraucht, der es gerettet und befreit hat. Jesus möchte, dass sich Gott auf den Lorbeeren seines Ruhmes ausruht, dass er über dem Lobpreis Israels thront. Am dunkelsten Punkt seiner Schmerzen und seiner Einsamkeit preist Jesus die Größe der göttlichen Herrlichkeit.

Was Jesus in dieser Situation erleiden muss, lesen wir auch im Psalm 22:

„Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet. Alle, die mich sehen, verlachen mich, verziehen die Lippen, schütteln den Kopf. Ich bin hingeschüttet wie Wasser, gelöst haben sich alle Glieder. Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen. Meine Kehle ist trocken wie eine Scherbe, die Zunge klebt mir am Gaumen, du legst mich in den Staub des Todes. Viele Hunde umlagern mich, eine Rotte von Bösen umkreist mich. Sie durchbohren mir Hände und Füße. Man kann all meine Knochen zählen; sie gaffen und weiden sich an mit. Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand.“

Verachtet, verspottet, gefoltert, verdurstend, der Kleider beraubt, Hände und Füße durchbohrt, ein einziges Elens. Man kann sich keine schlimmeren Qualen vorstellen, und trotz allem betet Jesus den Psalm 22 weiter:

„Ich will deinen Namen, Gott, verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen.“

In dieser aussichtslosen Situation preist Jesus die Treue Gottes, dass er allen hilft, denen es schlecht geht. Die Konsequenz all dessen ist das, was wir Christen von Anfang an tun: Wir werfen uns nieder vor dem gekreuzigten Herrn und beten seine Taten an:

„Vor ihm allein“ so lesen wir am Ende von Psalm 22, „sollen niederfallen die Mächtigen der Erde, vor ihm sich alle niederwerfen, die in der Erde ruhen. Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen, seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk; denn er hat das Werk getan.“

„Wir müssen Gott verherrlichen durch die Passion seines Sohnes“ – so sagt der heilige Franz von Sales. Wir verherrlichen damit nicht Folter und Mord, Leid und Tod, im Gegenteil: Wir sagen dem Bösen den Kampf an, bieten ihm mit der Kraft der Liebe unsere Stirn.

Wir schreien allem Wahnsinn dieser Welt entgegen: Trotz allem, die Liebe wird stärker sein, denn die Liebe ist groß. Klar, all das ist nicht leicht, besonders dann nicht, wenn es einem wirklich dreckig geht, wenn eine das Leben kreuzigt wie Jesus selbst. Der evangelische Theologe, der von den Nazis hingerichtet wurde, Dietrich Bonhoeffer hat das in Worte gefasst: „In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht; ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht; ich bin kleinmütig, aber bei dir ist dir Hilfe; ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede; in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld; ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.“

In diesem Gebet ist die christliche Konsequenz für das Leben zusammengefasst, die Verherrlichung Gottes durch das Kreuz seines Sohnes. Modern formuliert: Ja zum Leben – trotz allem; Optimismus – trotz allem und das Wissen, in Gott geborgen zu sein. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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