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Am Freitag der 1. Fastenwoche

Grenoble, 9. März 1618 (OEA VIII,351-357; DASal 9,183-186)

3. Predigt: Im ersten Teil setzen wir die Stufen des Falles fort; im zweiten nennen wir die Gründe, warum Christus einen solchen Fall zugelassen hat.

Leidenschaften, auch gegensätzliche, regen sich gegenseitig an. Petrus hat mit äußerster Kühnheit (dem Malchus) das Ohr abgeschlagen; von dieser ungeheuren Kühnheit fiel er leicht in die entgegengesetzte Leidenschaft der Furchtsamkeit, wie eine vom Osten aufsteigende Welle sehr leicht gegen Westen zurückfällt; wie in Rom die Nächte im Sommer sehr kühl sind.

Soll ich das eine oder andere Beispiel anführen? Amnon und Tamar, 2 Sam 13,15: Und er haßte sie in heftigster Abneigung ... Saul liebte anfangs David sehr (1 Sam 18,2.5), durch den Gesang der Mädchen von Jerusalem verwandelte sich aber die Liebe in Zorn und heftigsten Neid (18,6-9). Der Elefant ist das sanfteste Tier, aber ebenso das grausamste. Sieh also, da Petrus der Tapferste schien, begann er, von einem einzigen Wort der Magd erschüttert, sogleich zu leugnen und sich zu fürchten. Wir wundern uns über den Elefanten, der dem Rhinozeros standhält, dann die Maus fürchtet; wie das Krokodil den Ichneumon. Die Söhne Efraims (Ps 7,9), usw. wie in der 2. Predigt, Nr. 3. Er zerstreut, die stolzen Sinnes in ihrem Herzen sind (Lk 1,51). Tadelnswert war die Kühnheit der Apostel und des Petrus; denn entweder meinten sie, Christus werde Wunder wirken, dann war es Prahlerei zu sagen: Sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? (Lk 22,49); oder sie erwarteten es nicht, dann war die Verwegenheit fehl am Platz. Auf die von Leidenschaften Verwirrten muß man anwenden, was Psalm 107,23f von den Seefahrern sagt; ebenso die Geschichte von Barak und Sisera, denn Sisera schlief nach großer Furcht in tiefster Sicherheit ein (Ri 5). Er ging also unbesonnen ohne Rüstung auf den Vorplatz und in den Hof, denn solche Orte sind gefährlich und Verderben bringend. O Hof, wie oft tötest du Petrus! Alle im Hof verschwören sich gegen Petrus. Ein Pferd, das auf die Spur der Wölfe trifft, kommt kaum weiter (Plinius).

Dann begann er sich zu fürchten, denn von Furcht erschüttert leugnete er. Auf die Kühnheit folgte also die Furchtsamkeit. Fürchtet euch nicht vor denen ... (Mt 10,28). Die Furcht des Pilatus, aller Bösen. Sie zitterten vor Furcht, wo kein Grund zur Furcht bestand (Ps 14,5). Sie waren verwirrt und wankten wie ein Betrunkener (Ps 107,27). Von daher werden die Augen schwach. Der Hirte von Getulien fing den Löwen, indem er ihm den Mantel überwarf (Plinius). So fliegen die Bienen nie bei nebligem Wetter, spannen die Spinnen stets bei nebligem Wetter ihre Netze.

Verwickelt. Die Stricke der Sünder umfingen mich (Ps 119,61). Erstaunlich ist die Schwachheit des menschlichen Geistes, wenn er verwirrt ist. Siehe das Beispiel Lots, Gen 19,14: Als die Schwiegersöhne Lot sprechen hörten, hielten sie seine Worte für einen Scherz. Als es Morgen wurde, drängten (die Engel): Steh auf ... Als er zögerte ... (19,15f). Wenn du nicht Hand anlegst, wirst du nichts schaffen.

Erstaunlich, daß er von solcher Furcht getrieben zwei- oder dreimal unter Eid und Flüchen leugnete. Das bewirkt die verderbte Begierde und Leidenschaft. Vergleiche die Geschichte Nabots, 1 Kön 21,1-4; dort siehst du ein ungeheures Verbrechen entstehen aus der kleinen aber ungezügelten, wenn auch nicht ungerechten Begierde, den Weinberg zu besitzen. Vgl. die Glossa ordinaria und Lyranus. Warum sollte Nabot sagen: Gott sei mir gnädig? Natürlich, weil es den Juden verboten war, ihr Eigentum zu verkaufen, außer bis zum Jubiläumsjahr. Vgl. Ahab, der in der Krankheit wie Alexander weinte. Haman, der über Mordechai erzürnt ist, der als einziger das Knie nicht beugt (Est5,11ff).

Das also ist der Ursprung der Sünden. Aber warum hat Christus den Fall des Petrus zugelassen? 1. Ich übergehe die allgemeinen Gründe, warum Gott die Sünden zuläßt (Bellarmin), und sage: damit er die Apathisten widerlege: Euthymius, Palladius, Evagrius von Pontus; sie behaupten, die Heiligen und die Gerechten seien frei von jeder Leidenschaft. Vgl. Rossignol II,27. Hieronymus hat sie widerlegt im Brief an Ktesiphon, Augustinus im 14. Buch, Kapitel 9 des „Gottesstaates“ durch das Beispiel Christi, der scheinbar Leidenschaften hatte. In Wahrheit hatte er keine Leidenschaften, sondern propassiones.* Folglich werden sie zutreffender widerlegt von den heiligsten Männern, am meisten durch Petrus, der nach der Eucharistie, der Fußwaschung usw. gerecht war und doch von der Furcht verwirrt wurde. Folglich besteht die Vollkommenheit nicht im Fehlen von Leidenschaften, sondern in ihrer Beherrschung; denn das Herz hat Leidenschaften, wie die Harfe Saiten hat; sie müssen zum Zusammenklingen gebracht werden, damit wir sagen können: Ich will dich mit der Harfe preisen (Ps 43,4).

2. Damit jene widerlegt werden, die sagen, die Gläubigen könnten nicht sündigen und seien ihres Heiles sicher. Wer stand denn fester als Petrus, der durch die Eucharistie und so viele Mahnungen Christi gestärkt war, und doch fiel? 1 Kor 10,12: Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle. Offb 3,7.11: Dem Engel von Philadelphia schreibe: Halte fest, was du hast, damit nicht ein anderer deine Krone empfange. Gregor an Gregoria, die Kammerfrau der Kaiserin (Epist. 25): „Du hast etwas Unnützes und zugleich Schwieriges begehrt.“ Die Geschichte der 40 Märtyrer vortragen, auf deren Vigil diese Predigt trifft. Unter Furcht und Zittern (Ps 2,11; Phil 2,12). Man muß wachen und beten (Mt 26,41).

3. Weil die Ehre Gottes mehr aus Sündern erstrahlt, die Buße tun. Die Freude ist größer (Lk 15,7.10); da sich die Heiligen doch nur über die größere Ehre Gottes freuen. Da also Christus die Buße voraussah, ließ er die Sünde sehr leicht zu. Die Geschichte des Apostels Thomas, des hl. Augustinus. Die Sünden sind Staub und Mist, aber in der Buße und Beichte verwandeln sie sich in Rosen und Lilien.

4. Beim hl. Hieronymus (in der Catena zu den Worten bei Lk 22,54: Petrus aber folgte ihm); Petrus war etwas zu hart und zu streng. (Christus ließ also seinen Fall zu), damit er aus dem, was er gelitten, Gehorsam lernte und Milde gegen die Sünder (Hebr 5,8). Der Hirte muß sich von Schwachheit umgeben wissen; wer selbst der Buße bedurfte, gewährt anderen leichter Vergebung. Gen 9,2: Furcht und Schrecken vor euch komme über alle Lebewesen der Erde: über die Tiere, nicht über die Bußfertigen. Ez 34,4: Das Gebrochene habt ihr nicht angebunden. Daher demütigt sich Paulus (1 Tim 1,15): Zuverlässig und aller Annahme wert ist das Wort, daß Christus gekommen ist, um die Sünder zu retten, deren erster ich bin. Gal 6,1: Brüder, wenn auch ein Mensch aus Übereilung gefehlt hat, so weist ihn, die ihr Geistesmenschen seid, im Geist der Milde zurecht. Achte auf dich selbst, daß du nicht versucht wirst. Die Demut ist eine große Tugend, die bisweilen aus Sünden entsteht. Ps 119,67f: Bevor ich gedemütigt wurde, habe ich gesündigt; deshalb habe ich dein Wort bewahrt. Gütig bist du; in deiner Güte lehre mich deine Satzungen. Er besaß die übrigen Tugenden, nicht aber die Demut; daher sündigte er. Deshalb ist Petrus von da an sehr demütig: nicht herrisch in der Gemeinde (1 Petr 5,3); er erträgt den Tadel des Paulus (Gal 2,11). „Damit der Erste an Würde der Erste sei in der Demut“ (Gregor der Gr.).


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