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Am Donnerstag der 1. Fastenwoche

Grenoble, 08. März 1618 (OEA VIII,343-351; DASal 9,179-183)

2. Predigt: Über den Weg und die Verstrickung des hl. Petrus in die Sünde.

Diese Sünde (der Verleugnung Jesu) war fürwahr sehr schwer durch verschiedene Umstände: 1. Die Wiederholung der gleichen Sünde; 2. am Tag der Kommunion und der vollkommenen Reinigung durch die Fußwaschung: Ihr seid rein, aber nicht alle (vgl. zu diesen Worten Joh 13,10); 3. in der Nacht, in der die Sünde getilgt wurde; 4. im gleichen Haus mit Christus; 5. aus einem winzigen Anlaß; 6. erschwert durch die Schwüre; 7. von dem man es am wenigsten erwartet hätte: wegen der zahllosen Wohltaten, die er empfangen hatte, die den Undank vergrößern, und weil er ausdrücklich versprochen hatte, standhaft zu sein. Gern möchte ich auf Petrus den Vorwurf anwenden, den Jesaja (14,10.12-14) buchstäblich gegen den König von Tyrus richtet, im mystischen Sinn gegen Luzifer: Alle werden antworten und dir sagen. Was werden sie sagen? Wie bist du gefallen, leuchtender Stern, der am Morgen aufgeht! Zu dir wurde gesagt: In den Himmel der Kirche wirst du aufsteigen, über die Sterne Gottes will ich deinen Thron erhöhen; auf dem Berg des Bundes wirst du sitzen; aufsteigen wirst du zu den höchsten Wolken, dem Höchsten ähnlich, d. h. sein Stellvertreter sein. Wie ist das Gold dunkel geworden und seine leuchtende Farbe getrübt (Klgl 4,1).

Das ist fürwahr erstaunlich, Brüder. Um es aber recht zu verstehen, müßt ihr euch merken, daß die Menschen auf zweifache Weise in Sünden fallen, so wie in Krankheiten. Denn es gibt Krankheiten, die einen plötzlich befallen, wie Epilepsie, Schlagfluß, Ohnmacht, Würmer in der Herzgegend; andere kommen allmählich, und das ist die Regel. Ebenso fallen die Menschen auf verschiedene Weise in die Sünde: durch einen plötzlichen Fall, z. B. vom Zorn übermannt. Das dürfte Mose geschehen sein, als er den Ägypter erschlug (wenn er überhaupt gesündigt hat). Die Begebenheit (Ex 2,12) erzählen und ausschmükken durch den Kommentar des Vinzenz von Lerin. Ebenso durch eine plötzliche Begierde, wie sie Juda (Gen 38,15) nach Tamar erfaßte. Der hl. Augustinus glaubt nämlich, daß Juda und Tamar gesündigt haben, daß auch Mose gesündigt hat. So geschieht die Sünde meist aus einer plötzlichen Regung der Leidenschaft. Diese Sünde ist aber kaum von Dauer; sie ist leichter zu heilen.

In der Regel kommt es allerdings allmählich zur Sünde. So sagt Jesus Sirach (27,12): Der Verständige beharrt in der Weisheit wie die Sonne; der Tor dagegen ist unbeständig wie der Mond. Das kann auf zweifache Weise verstanden werden. Der Törichte ist unbeständig: ein Rohr, das vom Wind bewegt wird (Mt 11,7); deshalb steht im Hebräischen unbeständig statt töricht; bald will er, bald will er nicht: Der Faule will und will doch nicht (Spr 13,4). Oder: der Törichte ändert sich allmählich wie der Mond; es geht schrittweise abwärts, nicht durch einen plötzlichen Fall, so wie mit der Gesundheit, wenn die kleinen Warnzeichen nicht beachtet werden.

Sehen wir einige Beispiele. Der Fürst der Engel fiel mit einem Schlag; er konnte ja nicht läßlich sündigen (wie der hl. Thomas, der hl. Bonaventura und Alexander von Hales in dem leichteren Fall Adams im Paradies annehmen), denn bei Luzifer gab es kein Überlistetwerden, keine ungeordnete Regung. Den schrittweisen Abstieg Adams und Evas zur Sünde habe ich an anderer Stelle in der Predigt zu Maria Reinigung beschrieben.

Kain fiel nach und nach in die abscheuliche Sünde. 1. Er teilte schlecht (nach Septuag.) und opferte Gott eine mindere Gabe; 2. er war neidisch; 3. er war sehr zornig und sein Gesicht war eingefallen, deshalb die Frage: Warum ist dein Gesicht eingefallen? 4. Er tötete (Gen 4,5-8).

David. 1. Müßiggang: Um die Jahreswende, wenn die Könige in den Krieg zu ziehen pflegen. 2. Da geschah es, daß David sich nach Mittag vom Lager erhob, auf dem er müßig geschlafen hatte. 3. Er sah die Frau, die sich wusch, und schaute länger hin, so daß er ihre Schönheit erkennen konnte. Hätte er andernfalls nur flüchtig hingeschaut, so hätte er sie nicht bemerkt (und er sagte nicht: Wende meine Augen ab, damit sie nicht Eitles sehen: Ps 119,37). 4. Er schickte hin, wer sie sei. Gefährliche Neugierde, denn hätte er sie nicht gekannt, hätte er sie nicht begehrt. 5. Als er es wußte, besaß er sie. 6. Er versuchte Urija betrunken zu machen; 7. er tötete ihn; 8. er lebte ein Jahr lang in der Sünde.

Salomo: 1. Er gefiel sich in seinen herrlichen Werken: Ich schuf mir herrliche Werke, baute mir Häuser (Koh 2,4). Nichts von allem, was meine Augen begehrten, versagte ich ihnen und hinderte mein Herz nicht, jedes Vergnügen zu genießen (2,1). Clemens von Alexandria bringt ein vorzügliches Beispiel von den Tempeln der Ägypter, die außen herrlich geschmückt sind, im Heiligtum aber als Gottheit eine Katze oder ein Krokodil enthalten. 2. Er vergaß auf Gott: Gott zürnte Salomo, weil sein Sinn sich vom Herrn, dem Gott Israels abgewandt hatte (1 Kön 1, 9). 3. Mißbrauch der geistlichen Freuden (vgl. Pineda). Schließlich verbrachte er seine Tage so, daß er sich zugrunde gerichtet hätte, wenn Gott sich nicht seiner erbarmte, worüber man nicht sicher ist. Es gibt also „Stufen zur Gottlosigkeit“. Läßliche Sünden schaffen die Bereitschaft zur Todsünde, indem sie die Hilfen abschwächen und einen besonderen Beistand verhindern.

Wie ist nun Petrus in die Sünde gefallen? Vor allem durch übermäßiges Selbstvertrauen. (1.) Der Herr hatte gesagt: Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen. Da sagte Petrus: Warum können wir dir nicht folgen? Ich will mein Leben für dich einsetzen. Der Herr antwortete: Dein Leben willst du für mich hingeben? (Joh 13,33.37). Simon, Simon, Satan hat verlangt ... (Lk 22,31). In dieser Nacht werdet ihr alle an mir irre werden.

(2.) Petrus antwortet: Und wenn alle an dir irre werden, ich bin bereit, mit dir in den Kerker und in den Tod zu gehen, zum Kreuz (Mt 26,31; Lk 22,33). Übermäßige Sicherheit. Ps 112,1: Selig der Mann, der den Herrn fürchtet. Lk 1,50: Sein Erbarmen waltet auf immer mit denen, die ihn fürchten. Ach, wir halten zu viel von uns. Es genügt nicht anzuerkennen, daß wir alles von Gott haben; man darf nicht glauben, viel zu haben. Ps 125,1: Die auf den Herrn vertrauen, sind wie der Berg Zion.

3. Die Furcht ist die Hüterin der Gnade. Lk 2,25: Ein gerechter und gottesfürchtiger Mann. Spr 28,14: Glücklich, wer stets auf der Hut ist. Ps 78,9: Die Söhne Efraims, gewohnt den Bogen zu führen, kehrten am Tag des Kampfes den Rücken. Ps 30,7f: Im Überfluß habe ich gesagt: Ich werde in Ewigkeit nicht wanken. Herr, in deiner Kraft hast du meiner Blüte Bestand gegeben; du hast dein Angesicht von mir abgewandt, und ich wurde verwirrt (vgl. Bellarmin). Ähnlich scheint die Geschichte des anmaßenden Mönches im Leben des hl. Pachomius. Glücklich, wer stets auf der Hut ist: Sei auf der Hut, wenn dir die Gnade lacht; sei auf der Hut, wenn sie weicht; sei auf der Hut, wenn sie wiederkehrt: solang du sie hast, daß du nicht ihrer unwürdig handelst, sie nicht vergeblich empfangen hast (2 Kor 6,1). Röm 11,20: Sei nicht hochmütig, sondern furchtsam.

Der zweite Schritt ist die Nachlässigkeit im Gebet. Lk 22,40.46: Betet, daß ihr nicht in Versuchung geratet. Beharrlichkeit ist nicht das Werk eines Tages. Die Mönche des Altertums beteten unablässig: Gott merke auf meine Hilfe (Ps 70,1). Joh 15,5: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Aber die Apostel schliefen: Simon, du schläfst? Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? (Mk 14,37; Mt 26,40). Die Braut ist gestützt auf ihren Vielgeliebten (Hld 8,5). Ohne mich könnt ihr nichts tun.

Der dritte Schritt ist die falsche Kühnheit, die in einer Wallung des Zornes besteht. Das Krokodil verfolgt jene, die vor ihm fliehen. Die Jünger fragten: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Ohne die Antwort abzuwarten, schlug er unbesonnen zu (Lk 22,49f).

Der vierte. Er geht in das Haus und hält sich schwätzend bei den Dienern auf. Dann geschah Folgendes: Während er im Hof saß, kam eine Magd, die Türhüterin des Hohepriesters dazu. Sie sah Petrus, der sich wärmte, im Lichtschein sitzen, schaute ihn an und sagte zu den Umstehenden: Der war auch bei ihm. Dann zu Petrus selbst: Gehörst du etwa auch zu den Jüngern dieses Menschen? Du warst auch bei Jesus von Nazaret. Er aber leugnete es vor allen und sagte: Frau, ich bin es nicht. Ich kenne ihn nicht und weiß nicht, was du sagst. Er ging hinaus, und der Hahn krähte. Als er aber hinausging, sagte eine andere Magd zu den Umstehenden, daß er bei Jesus von Nazaret war.

Petrus kam zurück, um sich mit den anderen zu wärmen. Da sah ihn ein anderer und sagte zu Petrus: Du gehörst auch zu ihnen. Die übrigen aber sagten: Gehörst du etwa auch zu seinen Jüngern? Da schwört er: Ich kenne den Menschen nicht. Mann, ich bin es nicht. Nach einer Stunde versicherte ein anderer: Er war wirklich bei ihm, er ist ja aus Galiläa. Die Umstehenden kamen herbei und sagten zu Petrus: Wahrhaftig gehörst du zu ihm, denn du bist aus Galiläa; deine Sprache verrät dich ja. Da sagte ein Verwandter dessen, dem er das Ohr abgeschlagen hatte: Habe ich dich nicht im Ölgarten bei ihm gesehen? Er leugnete abermals: Mann, ich weiß nicht, was du sagst. Er begann sich zu verwahren und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr sprecht (Mt 26,69-74; Mk 14,66-71; Lk 22,55-60; Joh 18,16-18.25-27).

Beachtet, meine Zuhörer: eine Magd beginnt unsicher: Der gehört auch zu ihm. Denn sie wagt es Petrus nicht bestimmt zu sagen, sondern nur: Gehörst du auch zu seinen Jüngern? Bald behauptet sie es. O vorwitzige Zunge, du sagst, was du nicht weißt; während du es sagst, beginnst du es zu glauben und als wahr zu behaupten, und während du sprichst, festigt sich die Überzeugung. Beispiel des hl. Basilius vom Hund, der zu bellen anfängt, dem alle antworten.


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