From Franz von Sales

Lexikon: Predigten :: Sonntage im Kirchenjahr :: 28 Sonntag im Jahreskreis - LJ B

PREDIGT zum 28.So.i.Jk. - LJB

„Sehnsucht nach Gott“ (Mk 10,17-30)

Liebe Schwestern und Brüder,

in jener Zeit lief ein Mann auf Jesus zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? - Mit diesen Worten beginnt das Evangelium des heutigen Sonntages. Und es stellt sich das Problem, ob diese Frage des Mannes an Jesus Christus für uns heute überhaupt noch ein besonderes Anliegen ist, worüber wir von Jesus eine Antwort haben wollen? Ist der Gewinn des Ewigen Lebens wirklich noch ein ernstes Ziel, das wir hier und heute anstreben? Oder zeigt sich an diesem heutigen Evangelium nicht genau jener Vorwurf, mit dem die Kirche von heute von Zeit zu Zeit konfrontiert wird: nämlich, dass die Kirche Antworten auf Fragen gibt, die die Menschen gar nicht stellen, dass die Kirche über die Köpfe der Menschen hinwegredet und dadurch uninteressant wird.

Antworten auf diese Frage nach dem Gewinn des Ewigen Lebens gibt es jedenfalls genug. Jesus Christus selbst sagt: erfülle die Gebote und wenn Du ganz gut sein willst, dann verkaufe radikal alles was du hast, und gib es den Armen. Der Reichtum wird als die große Gefahr für den Gewinn des Ewigen Lebens gesehen. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt - sagt Jesus Christus.

Diese Antworten kennen wir. Wir hören ja dieses Gleichnis nicht zum ersten Mal, aber was ändern diese Antworten an unserem Leben? Die Tatsache, dass wir Menschen von heute eher darauf bedacht sind unseren Reichtum zu vermehren, und weniger darauf, das Himmelreich zu erlangen, zeigt doch, wie wenig interessiert wir an der Frage sind: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen.

Ich denke, viele Menschen von heute haben keine große Sehnsucht mehr nach unserem Gott. Der hl. Franz von Sales zum Beispiel war so gepackt von dieser Sehnsucht, dass er schreiben konnte: „Wenn der Mensch wirklich ernsthaft darüber nachdenkt, was ihm der Glaube von Gott erzählt, dann wird dieser von einem außerordentlichen Wunsch nach Gott erfasst. Weil er aber noch nicht bei diesem Gott ist, wird er erfüllt von einer heißen Sehnsucht nach seiner Gegenwart.“ Wer von uns hat schon diesen außerordentlichen Wunsch, diese heiße Sehnsucht nach Gott. Und doch wäre es genau das, was wir bräuchten, um wirklich sinnvoll leben zu können. Unsere Sehnsucht nach Gott müsste so sein, wie es eine alte indische Geschichte erzählt. Da hat ein Schüler seinen indischen Meister die Frage nach Gott gestellt. Der Meister sagte nichts darauf, sondern packte seinen Schüler so lange unter Wasser, bis er zu ersticken meinte. Als er wieder an die Luft kam, fragte ihn der Meister: „Wie hast du dich gefühlt?“ - Der Schüler gab zu Antwort: „Ich glaubte, mein letzter Augenblick sei gekommen.“ Und dann entgegnete der indische Meister: „Wenn Dein Verlangen nach Gott so groß ist wie Deine Sehnsucht nach Luft in diesem Augenblick, dann wirst Du Gott schauen.“ Und wenn unsere Sehnsucht nach Gott wirklich so groß wäre, dann wären wir auch bereit alles für diesen Gott zu tun. Dann würden wir immer und immer wieder vor ihm auf die Knie fallen und fragen: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen, das mir Deine Gegenwart schenkt.“

Und darum meine ich, dass es uns ein großes Anliegen sein sollte, dass wir wieder eine tiefe Sehnsucht nach unserem Gott bekommen. Es darf uns einfach nicht egal sein, wie intensiv wir uns auf Gott einlassen, wie sehnsüchtig wir ihn danach fragen, was zu tun ist, um das Ewige Leben zu gewinnen. „Unser Gott“, so sagt die hl. Teresa von Avila, „Unser Gott ist so groß, dass er es wert ist, ein Leben lang gesucht zu werden.“ Unser Gott ist so groß, dass nichts auf dieser Welt wichtiger ist als er. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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