From Franz von Sales

Lexikon: Predigten :: Sonntage im Kirchenjahr :: 10 Sonntag im Jahreskreis - LJ C

PREDIGT zum 10. Sonntag i.Jk. - LJ C

"Steh auf" (Lk 7,11-17)

Liebe Schwestern und Brüder,

ich bin ein echter Morgenmuffel. Das heißt: es kostet mich jeden Tag in der Früh große Überwindung, aus dem Bett zu kommen. Der Wecker ist wie ein Schock und manchmal hör ich ihn auch gar nicht oder ich weigere mich, ihn zu hören. Bevor ich nicht ein paar Tassen Kaffee getrunken habe, kann man mit mir eigentlich nichts Vernünftiges anfangen. Ich bewundere jedenfalls all jene Menschen, die so ganz leicht und frisch vergnügt den Tag beginnen können.

„Steh auf“ – das sind die zentralen Worte des heutigen Evangeliums. Jesus sagt es einem Toten. Das Wort Jesu wirkt und der junge Mann von Nain erhebt sich und beginnt erneut zu leben.

In diesem Evangelium geht es aber nicht bloß um eine Totenerweckung. Es geht nicht nur darum, die Allmacht Jesu deutlich zu machen, die stärker ist als der Tod selbst. Es geht um jedes Aufstehen in unserem Leben, vor allem dort, wo uns die Lethargie, die Lebens-Müdigkeit gepackt hat. Und da, glaube ich, gibt es im Leben eine ganze Menge an Gelegenheiten, wo wir uns vorstellen können, dass Jesus auch an uns herantritt und uns zuruft: „Ich befehle dir, steh auf.“

Das beginnt tatsächlich am Morgen. Auch wenn man kein Morgenmuffel ist, so kann ich mir vorstellen, dass es manches Mal Tage gibt, wo ich gar nicht gerne aufstehe, weil das, was vor mir liegt, mich niederdrückt. Eine bestimmte Aufgabe, eine Begegnung, ein Gespräch … ja vielleicht auch nur die ganz normale tägliche Routine des Alltags, zu der ich überhaupt keine Lust habe. Hier sagt uns Jesus eben: „Steh auf …“

In einem Lied heißt es: „Jeder neue Tag ist ein Geschenk. Es lohnt sich, dankbar ihn zu leben. Und der Herr, der unsre Wege lenkt, wird, was wir brauchen, uns auch geben. Jeder neue Tag ist unser Glück. Alle Morgen lächelt er uns an. Blicken wir am Abend dann zurück, erkennen wir Gottes Lebensplan.“

Egal, was der Tag bringen mag, er ist ein Geschenk Gottes, und daher lohnt es sich, diesen Tag zu leben. Der hl. Franz von Sales empfiehlt uns, gleich beim Aufstehen daran zu denken, dass es Gott ist, der uns an diesem Tag begleitet. „Der Schlaf ist ein Bild des Todes“, so sollen wir uns vorstellen, „das Erwachen ein Bild der Auferstehung.“ Und ich soll Gott bitten, dass dieser Tag mir dazu dienen möge, dass ich zur Ewigen Herrlichkeit gelangen werde.

Es geht um die positive Einstellung zum Leben, ein Leben, das mir von Gott geschenkt ist, und Gott als Ziel hat. Wenn also Jesus Christus zu uns sagt: „Steh auf“, dann meint er genau das: Lebe, weil das Leben eine Geschenk Gottes ist.

„Steh auf“ kann allerdings auch bedeuten: „Tu etwas!“ – Schau nicht tatenlos zu, sondern handle. Auch diese Aufforderung Jesu kann uns jeden Tag begegnen. Manchmal fordert ein Tag eine bestimmte Entscheidung von uns, manchmal Protest, manchmal ein Wort, eine Überzeugung und ein Zeugnis, den ersten Schritt … Auch hier können wir uns vorstellen, das Jesus Christus wie im heutigen Evangelium an uns herantritt und uns sagt: „Ich befehle dir, steh auf!“ – Warte nicht mehr länger, sondern lebe deine christliche Überzeugung. Auch hierzu gibt es ein passendes Lied: „Ich steige ein in das Leben, steige aus aus dem Tod. Ich wage Liebe zu geben, tauche auf aus dem Nichts … Ich reiße ein hohe Mauern, reiße ab, was krank macht, ich will mein Leben erneuern. Sage Ja zu mir Ja.“

Im Zusammenhang mit der Beichte stellt der hl. Franz von Sales die Frage: Wann war eine Beichte gut? Das sicherste Zeichen, so antwortet er, ist, wenn ich aufstehe und bereit bin, etwas an meinem Leben, das durch die Sünde tot war, so zu ändern, dass es wieder lebendig wird. Wenn ich also bereit bin, aufzustehen und wenigstens einen Schritt näher zu Gott zu gehen. Steh auf, überlasse dich nicht der Lethargie, die ohnehin nichts nützt, sondern versuche, etwas dagegen zu unternehmen.

„Steh auf“ – diese Worte Jesu richten sich also nicht bloß an den toten jungen Main von Nain vor 2000 Jahren, sondern auch an mich – und sie treffen mich überall dort, wo ich tot bin, wo mein Leben eingeschlafen ist, wo ich aufgehört habe, zu leben – und hier sagt Jesus eben: „Ich befehle dir: Steh auf!“ – Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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